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Brennstoffzelle im ÖPNV: Technologisch reif – wirtschaftlich tragfähig? Im Interview: Janne Schrieber, Projektmanager bei hySOLUTIONS GmbH

Die hySOLUTIONS GmbH beschäftigt sich als Koordinator der Arbeitsgruppe 7 „Mobilität“ im Energiewende Verbundprojekt Norddeutsches Reallabor (NRL) mit der Erprobung des Einsatzes von Brennstoffzellenfahrzeugen in verschiedenen Fahrzeugklassen. Im Rahmen des Projekts schafft die Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) Brennstoffzellenbusse für den Betrieb im ÖPNV an. Janne Schrieber, verantwortlicher Projektmanager bei hySOLUTIONS und Teil des NRL-Projektmanagement Office, gibt einen Einblick.

Brennstoffzelle im ÖPNV: Technologisch reif – wirtschaftlich tragfähig?
Im Rahmen eines Pressetermins wird der erste Brennstoffzellenbus der Hochbahn in Betrieb genommen. | Foto: Janne Schrieber

HOCHBAHN setzt Wasserstoff-Bus im Regelbetrieb ein

EEHH: Der erste Brennstoffzellenbus wurden kürzlich übernommen. Befindet er sich bereits im Einsatz auf Hamburgs Straßen?

Janne Schrieber: "Der Brennstoffzellenbus ist seit etwa einem Monat im Regelbetrieb und fester Bestandteil der Fahrpläne. Parallel werden Daten gesammelt und ausgewertet, was aber kein Testlauf im engeren Sinne ist, sondern der Bus ist tatsächlich dabei schon regulär im Einsatz. Die da Busse bei den meisten Verkehrsbetrieben mindestens acht Jahre im Betrieb sein werden, ist für uns wichtig, dass die Leistungsfähigkeit des H2 –Busses mit jener von E- Bussen vergleichbar ist. Ab Juli werden wir im Rahmen des Norddeutschen Reallabors daher den Einsatz der Busse aktiv begleiten, um die Betriebsdaten systematisch zu analysieren und auszuwerten, zusätzlich sollen die Rückmeldungen des Fahrpersonals in die Bewertung mit einfließen."

EEHH: Wie viele Brennstoffzellenbusse soll es insgesamt geben und auf welchen Linien werden die Busse im Einsatz sein?

Janne Schrieber: "Neben dem Bus, der sich bereits im Regelbetrieb befindet, hat die HOCHBAHN vier weitere angeschafft, die ab Juni eingeflottet werden. Der H2 -Bus ist keiner bestimmten Linie zugeordnet und wird flexibel im Fahrplan eingesetzt. Für die Routenauswahl sind Reichweiten- und Betankungsprotokolle entscheidend. Die Einsatzplanung wird vom Betriebshofmanagement gesteuert."

EEHH: Welche Reichweiten haben die Brennstoffzellenbusse und wo werden diese betankt?

Janne Schrieber: Die HOCHBAHN hat das Modell Urbino 12 hydrogen von Solaris angeschafft. Der Hersteller gibt eine Reichweite von bis zu 350 Kilometern an. Betankt werden die Brennstoffzellenbusse bei einer öffentlichen Tankstelle von H2 Mobility. Eine eigene Tankstelle für Wasserstoff auf dem Betriebshof ist nicht geplant.

Urbino 12 hydrogen von Solaris

Antriebstechnologie H2-Brennstoffzelle
Motorleistung 2 x 110 kW
Bustyp Solobus
Fahrzeuglänge 12 m
Anwendungsbereich Stadtbus
Tankkapazität 5 x 312 L / 37,5 kg
Batteriekapazität 30 kWh
Reichweite 350 km
Betankungsdruck 350 bar
Lade- /Betankungstechnik Wasserstoffbetankung
Sitzplätze 32
Max. Beförderungskapazität 88
Hersteller Solaris
Herkunft Polen

EEHH: Wasserstoff ist nun keine ganz neue Antriebsart – vor 20 Jahren fuhren bereits Brennstoffzellenbusse durch die Hansestadt. Inwieweit unterscheidet sich die Technologie der neuen H2-Flotte?

Janne Schrieber: "Beide Bus-Typen ähneln sich im Systemaufbau, allerdings verfügen die neuen Brennstoffzellenbusse über deutlich mehr Leistung. Die Brennstoffzellentechnologie hat sich in der Zwischenzeit mit Auswirkungen auf die Leistung/Performance signifikant weiterentwickelt. Das betrifft die Komponenten der Brennstoffzelle, die Batterietechnologie, verbesserte Steuerelemente und eine optimierte Tanktechnologie. Sicherheit und Zuverlässigkeit der Technologie wurden maßgeblich gesteigert. Im Gegensatz zu den damalig beschafften Bussen handelt es sich heute um erste Serienprodukte und nicht mehr um Einzelstücke."

EEHH: Gibt es ein besonderes Augenmerk auf spezielle Aspekte im Betrieb?

Janne Schrieber: "Neben Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und dem Feedback der Fahrer müssen wir auch das Thema Resilienz berücksichtigen. Diese Entscheidung basiert auf Fahrplänen, Reichweitenanforderungen und den Umläufen der Busse. Was passiert beispielsweise bei einem Stromausfall? Dafür müssen wir vorbereitet sein, und Wasserstoff als alternativer Antrieb neben rein elektrisch betriebenen Bussen kann einen Beitrag leisten.

Das Norddeutsche Reallabor (NRL) verfolgt einen gesamtsystemischen Ansatz, um die Umsetzbarkeit einer auf regenerativen Energien basierten Wasserstoffmobilität im Alltagseinsatz großskalig zu demonstrieren. In der Arbeitsgruppe Mobilität werden emissionsfreie Fahrzeuge, einschließlich Brennstoffzellenbusse, im Regelbetrieb eingesetzt, um die spezifischen Anforderungen an Geschäfts- und Betreibermodelle zu untersuchen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Entwicklung nachhaltiger und resilienter Mobilitätslösungen ein.
Die HOCHBAHN will bis 2030 klimaneutral sein und schafft daher keine Fahrzeuge mehr an, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. 90 Prozent der Fahrten können mit E-Bussen bedient werden. Die verbliebenen 10 Prozent werden durch alternative Antriebsarten wie z.B. Wasserstoff perspektivisch abgedeckt."

 

Die Brennstoffzellenbusse der HOCHBAHN werden mit gasförmigen Wasserstoff betankt | Foto: Janne Schrieber

EEHH: Welche Vorteile hat der H2-Bus gegenüber einem rein elektrisch betriebenen Bus und welche Nachteile sehen Sie?

Janne Schrieber: "Pauschal lässt sich dies nicht sagen, da je nach Einsatzbereich unterschiedliche Vor- und Nachteile zum Tragen kommen. Ein Vorteil der Brennstoffzellenbusse sind die Betankungszeiten: Innerhalb von 20 Minuten ist ein Bus vollständig mit Wasserstoff betankt, was deutlich schneller ist als der Ladevorgang eines E-Busses. Für viele Verkehrsbetriebe spielt dieser Faktor allerdings eine untergeordnete Rolle, da die E-Bus-Flotte über Nacht auf dem Betriebshof geladen wird.
Ein weiterer Vorteil der Brennstoffzellenbusse ist die höhere Reichweite zwischen zwei Betankungen bzw. Ladevorgängen. So können Brennstoffzellenbusse weitere Strecken zurücklegen, was insbesondere bei außerstädtischen Fahrten und für mehrere Umläufe innerhalb des Fahrplans relevant ist. Hinzu kommt, dass die von der Brennstoffzelle gespeiste Batterie der H2-Busse, deutlich kleiner und damit leichter ist als die eines klassischen E-Busses. Das Gewicht des Fahrzeuges hat Einfluss auf Verschleiß von Reifen und anderen Komponenten sowie auf den Energieverbrauch bei einer hügeligen Topografie, die in Hamburg und Umgebung zugegebenermaßen jedoch eher selten vorkommt. Betankungsinfrastruktur, Energieträgerkosten und -Verfügbarkeit sowie Anschaffungskosten sind derzeit Nachteile gegenüber den E-Bussen. Die Antriebsleistung der E-Motoren beider Antriebsarten ist beim fraglichen Fahrzeug, das es auch in einer rein batterieelektrischen Ausführung gibt, nahezu identisch."

Wir danken unserem Sponsor!

Das Norddeutsche Reallabor ist Sponsor der halbtägigen Fachkonferenz „Energiesysteme im Wandel - Strom, Wärme, Verkehr, Industrie in Hamburg“ am 2. Juli 2025 von 12 bis 18:30 Uhr im Saalhaus der Patriotischen Gesellschaft, Trostbrücke 4-6, 20457 Hamburg. Gemeinsam mit unseren weiteren Kooperationspartnern freuen wir uns darauf, Sie bei der 3. Stadtkonferenz der Hamburger Energieinfrastrukturbetreiber zu den Themen Sektorenkopplung und integrierte Netze zu begrüßen.

Programm und Anmeldung

EEHH: Im Rahmen des NRL beobachten Sie den Markt für Wasserstoffantriebe sehr genau. Mit welchen Anschaffungs- und Betriebskosten sind Brennstoffzellenbusse verbunden und werden sich diese Kosten perspektivisch senken?

Janne Schrieber: "Ein Brennstoffzellenbus ist etwas teurer als ein Batteriebetriebener-Bus, und dieser wiederum teurer als ein Dieselbus. Diese Anschaffungskosten lassen sich jedoch senken, je höher die Bestellmengen im gesamten Markt werden. Derzeit ist viel Entwicklung im Komponenten-Markt insbesondere auch bei den Preisen in Gange, ähnlich wie wir es auch bei den Batterien beobachten können. Es sind Skalierungseffekte beim Markthochlauf zu erwarten. Die Unternehmen machen ihre Erfahrungen und optimieren kontinuierlich, wodurch die Preise perspektivisch sinken werden. Ich bezweifele aber, dass die Anschaffungskosten eines Brennstoffzellenbusses in fünf Jahren das Niveau eines Dieselbusses erreichen werden."

EEHH: Wie können Fahrgäste den Brennstoffzellenbus erkennen, und welche Unterschiede im Fahrkomfort oder -erlebnis gibt es im Vergleich zu herkömmlichen Diesel- oder E-Bussen?

Janne Schrieber: "Versierte Fahrgäste können den Brennstoffzellenbus womöglich identifizieren. Ein spezifisches H2 -Branding wurde nicht angebracht, der Bus wird lediglich über das Förderlogo als Brennstoffzellenbus ausgewiesen. Bezogen auf Geräuschpegel und Fahrgefühl ähnelt der wasserstoffbetriebene Bus sehr stark einem E-Busäquivalent."

Vielen Dank für das spannende und aufschlussreiche Interview!

 

Im Interview

Janne Schrieber, Projektmanager Wasserstoff bei hySOLUTIONS und stellvertretende Leitung der Arbeitsgruppe „Mobilität“ im Norddeutschen Reallabor (NRL), verantwortet die Administration und Organisation der Mobilitätsthemen innerhalb des Projekts . Das NRL ist ein interdisziplinäres Verbundprojekt, das innovative Lösungen zur Dekarbonisierung energieintensiver Sektoren in Norddeutschland erprobt.

Die Anwendung von Wasserstoff als Antriebsart, insbesondere für den Schwerlastverkehr, zeigt sowohl dessen Potenziale als auch die damit verbundenen Herausforderungen auf. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Thema und dessen Einordnung in den Bereich der Sektorenkopplung möchten wir Sie auf die bevorstehende Konferenz "Energiesysteme im Wandel – Strom, Wärme, Verkehr und Industrie" in Hamburg hinweisen. Die Veranstaltung bietet eine Plattform für den fachlichen Austausch über die aktuelle Entwicklungen der Energietransformation in Hamburg und bietet in diesem Jahr 3 Fachvorträge im Bereich Mobilität.

Unter diesem Link können Sie sich anmelden. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme.

Über Tim Zeige

Profilbild zu: Tim Zeige

Als Projektleiter Wasserstoffwirtschaft Norddeutsches Reallabor (NRL) & operative Begleitung der Norddeutschen Wasserstoffstrategie (NDWS) unterstütze ich das Team der EEHH vielfältig: (B2B) Kommunikation & Marketing, Redaktionelle Tätigkeiten Events uvm. Besonders treibt es mich an meine Fähigkeiten einzusetzen, um innovativen Technologien wie Wasserstoff eine Bühne zu bieten.

von Tim Zeige