Wasserstoff-Gipfel Hamburg des EEHH-Clusters, 28.2.22, mit Vertretern der Bundesregierung und der Freien und Hansestadt Hamburg

Wasserstoff-Gipfel Hamburg des EEHH-Clusters, 28.2.22, mit Vertretern der Bundesregierung und der Freien und Hansestadt Hamburg

Statement Norddeutscher Wasserstoff-Unternehmen

Präambel

Hamburg, den 28.02.2022

Mit der Eröffnungsbilanz Klimaschutz hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Dringlichkeit angemahnt und eine jährlich dreimal höhere Emissionsminderung als bislang zum Ziel für Deutschland gesetzt. Auch Industrie und Mobilität müssen und werden hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Die unterzeichnende Wirtschaft in Hamburg und Norddeutschland unterstützt diese Ziele. Wir haben eine Reihe bedeutender Projekte aufgelegt und sind startbereit, das regionale Energiesystem umzubauen. Wir wollen gemeinsam die Zukunft unseres Industriestandorts sichern und tatkräftig neue, nachhaltige Industriefelder entwickeln. Dem beschleunigten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft kommt für die Dekarbonisierung von Industrie und Mobilität eine besondere Bedeutung zu.

Um diese Ziele zu erreichen, sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür zügig verbessert werden. Wir wünschen uns einen ganzheitlichen Ansatz. Die aktuell diskutierten flankierenden Maßnahmen der öffentlichen Hand reichen unseres Erachtens noch nicht aus.

Die wichtigsten Punkte sind:

  1. Der europäische Rahmen muss angemessene Vorgaben machen: Die ausreichende Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff zur Versorgung von Industrie und Logistik zu wettbewerbsfähigen Bedingungen muss sichergestellt werden. Dies erfordert die Förderung des Aufbaus von lokaler Produktion, Transportketten und einer Import-Infrastruktur.
  2. Zum raschen Markthochlauf müssen national in den unterschiedlichen Sektoren geeignete Instrumente für Kunden wie Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) in der Industrie, Steuererleichterungen für die Mobilität und Capex-Förderungen in allen Anwendungstechnologien eingeführt werden. Nur so lässt sich die aktuell signifikante Preislücke zu den traditionellen Brennstoffen schließen.
  3. Genehmigungsverfahren für Elektrolyse-, Infrastruktur- und Anwendungsprojekte müssen massiv beschleunigt werden, wie es für Verfahren im Bereich Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen bereits geplant ist. Auch die Beantragung und Genehmigung von Fördermitteln (z. B. via IPCEI) müssen vereinfacht und beschleunigt werden.

Statement der beteiligten Unternehmen an die Politik:

Wir wollen die Chancen nutzen, die sich aus der Anwendung von Wasserstoff ergeben, Innovationen voranbringen und ein nachhaltiges, integriertes Energiesystem aufbauen – dafür gehen wir hohe Projektrisiken ein. Um das Ziel der schnellen Emissionsreduzierung zu erreichen, ist ein gemeinsamer Start von Politik und Wirtschaft für uns besonders dringlich.

Die Voraussetzungen sind in Hamburg einmalig: Hier sind alle Industriesparten – Stahl, Aluminium, Energie, Chemie in Kombination mit Hafenwirtschaft, Logistik und Luftfahrt - auf engstem Raum konzentriert und können durch ein Pipelinenetz untereinander wie auch mit einem künftigen europaweiten Wasserstoffnetz verbunden werden.

Shell, Mitsubishi Heavy Industries, die kommunale Hamburger Energiewerke GmbH sowie Vattenfall planen an diesem Standort den Bau einer 100-MW-Elektrolyse, kurz Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH). Um lokale Erzeugung, überregionale Infrastruktur und Anwender zu verknüpfen, plant Gasnetz Hamburg die Errichtung eines Wasserstoff-Industrie-Netzes. Darüber hinaus haben Airbus, ArcelorMittal, Gasnetz Hamburg, Greenplug, Hamburger Hafen und Logistik AG, Hamburg Port Authority, HADAG Seetouristik und Fährdienst zusammen mit dem HGHH den Wasserstoffverbund Hamburg gebildet, um mit Erzeugung, Transport und Nutzung von grünem Wasserstoff im Einzugsbereich des Hamburger Hafens einen deutlichen Beitrag zur CO2-Minderung der Wirtschaft zu leisten. Mit weiteren Vorhaben engagieren sich die Unternehmen Aurubis, Stadtreinigung Hamburg, Hamburger Energiewerke und verfolgen dabei ebenfalls konkrete Projekte zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Industrie, Infrastruktur und Transport. Ferner haben ADM, Cargill, GP Joule, Greenplug, H&R-Group, Hobum, Nynas, Sasol, Speira und Trimet entsprechende Pläne. Neben den Unterzeichnern engagieren sich viele weitere Unternehmen in Hamburg und in Norddeutschland im Aufbau einer Grünen Wasserstoffwirtschaft.

Mit dieser einzigartigen Konzentration bedeutender Unternehmen und Branchen und angetrieben durch erneuerbaren Strom, der größtenteils bei uns im Norden produziert wird, bietet die Wirtschaft in Norddeutschland die allerbesten Startchancen, nämlich die Energiewende in einem zusammenhängenden Wertschöpfungssystem umzusetzen. Die Region kann damit zu einer Blaupause für die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa werden. Wir sind als Unternehmen hierzu bereit!

Um unsere Ziele umsetzen zu können, benötigen wir allerdings Initial-Unterstützung und die richtigen Rahmenbedingungen. Eine zügig verbesserte Regulierung wird uns helfen, dass wir zeitnah investieren, die ambitionierten CO2-Ziele erreichen und Norddeutschland zu einem Leuchtturm für Deutschland machen können.

Die unten aufgeführten Unternehmen haben sich deshalb auf dieses gemeinsame Statement verständigt.

Im Folgenden nennen wir die aus unserer Sicht erforderlichen Verbesserungen:

  1. Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Bedingungen: Wir stimmen der Forderung der Eröffnungsbilanz Klimaschutz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz nach beschleunigter Emissionsreduzierung zu. Wir norddeutschen Unternehmen wollen hierzu beitragen, benötigen aber grünen Wasserstoff in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Bedingungen. Dazu bedarf es des Aufbaus von Produktion, Transportketten und einer Importinfrastruktur:
    • Bau und Betrieb von Elektrolyse-Anlagen: Zur Flankierung des Aufbaus von Elektrolyse-Kapazitäten müssen Investitionskosten ausreichend und zeitnah gefördert werden. Zudem müssen geeignete regulatorische Bedingungen geschaffen werden, um den wirtschaftlich sinnvollen Betrieb auch von großtechnischen Anlagen zu ermöglichen. Die EU-Vorgaben aus der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (EU-RED) sollten einen Rahmen schaffen, der die Betriebsdauer der Elektrolyse nicht übermäßig einschränkt. Diese würde aktuell durch das EEG auf max. 5000 Volllaststunden pro Jahr begrenzt. Mit steigendem Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung sollte die zulässige Auslastung zudem weiter gesteigert werden. Dadurch würde der Capex-Anteil am Wasserstoffpreis gesenkt und der Bedarf an teuren Speicherkapazitäten minimiert.
    • Einsatz von Strom: Wir benötigen Zugang zu ausreichenden Mengen an kostengünstigem Strom, der die Anforderungen an die Erzeugung von grünem Wasserstoff erfüllt. Die Regeln in den Entwürfen des EU-RED II - Delegated Act lassen das auf dem deutschen Strommarkt bisher nicht zu. Deshalb brauchen wir Übergangslösungen, welche die Kriterien für grünen Wasserstoff weiter fassen und Flexibilität für den Strombezug schaffen. Dafür bieten sich Optionen beim Zukauf von erneuerbarem Strom über PPAs (aus nicht sowie nicht mehr geförderten Produktionsanlagen wie auch aus dem Ausland) oder ergänzend ein Bezug von Strom über die Börse in Kombination mit zertifizierten Herkunftsnachweisen an.
    • Import: Neben der lokalen Produktion muss der langfristige Aufbau von Import- und Verteil-Infrastruktur gefördert werden. Hier ist sicherzustellen, dass die deutschen Häfen ihre Standortvorteile im europäischen Wettbewerb nutzen und erhalten können. Hierfür sind klare, EU-weite Rahmenbedingungen für Umschlag, Transport und Lagerung von Wasserstoff und deren Derivaten erforderlich.
    • Infrastruktur: Der schnelle Aufbau eines Verteilnetzes zum Transport des Wasserstoffs muss gefördert werden, so dass dieses zum Start der Produktion zur Verfügung steht. Ebenso müssen Planung und Errichtung von Kavernenspeichern und ihr Anschluss an ein überregionales H2-Pipelinesystem aktiv unterstützt werden, um möglichst schnell ein kostengünstiges überregionales Angebot zu schaffen.
  2. Markthochlauf: Um die künftige Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu stärken, sind ist die Fokussierung auf Leitmärkte in der Industrie wie z.B. Stahl und im Bereich des Verkehrs bzw. in der Logistik sinnvoll. Hamburg ist hierfür prädestiniert, weil neben der Stahlindustrie der Verkehrssektor auf der Schiene, der Straße, dem Wasser und in der Luft durch bedeutende Unternehmen vertreten ist.
    • Preislücke: In diesen Sektoren müssen geeignete Instrumente für Kunden wie Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) eingeführt werden, welche die derzeit signifikante Preislücke zu den traditionellen Brennstoffen schließen. Ebenso müssen Steuererleichterungen für synthetische Kraftstoffe und zusätzliche Capex-Förderungen in allen Anwendungstechnologien vorgesehen werden. Wir weisen darauf hin, dass je restriktiver die unter 1. a. & b. genannten Regeln für Betrieb und Strombezug sind, desto größer die zu schließende Lücke ausfällt. Ein europaweit harmonisierter Einsatz von Quoten in der Beschaffung und im Verbrauch wasserstoffbasierter Produkte sollte außerdem die nötige Planbarkeit schaffen.
    • Förderung von Anwendungs-Technologien: Neben der Technologieentwicklung auf der Produktionsseite besteht auch auf Seiten der Wasserstoff-Anwendung Entwicklungsbedarf. So befinden sich z.B. bei der Schwergut-Logistik viele Gerätetypen erst bzw. noch nicht im Prototypenstatus. Um ihre serienreife Anwendung sicherzustellen, müssen Entwicklung wie auch Mehrkosten für Investitionen in Fahrzeuge und Umschlagsgeräte, Tankstellen- und sonstige erforderliche Infrastruktur sowie Zusatzaufwand im Betrieb gefördert werden. Wasserstoff leistet auch einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Flugverkehrs. Die norddeutsche Luftfahrtindustrie will die Nutzung von H2 als Energieträger in der Luftfahrtindustrie bis zur Anwendungsreife vorantreiben. Dies umfasst sowohl Schlüsseltechnologien im Flugzeug als auch die Erprobung erforderlicher Infrastruktur am Boden.
    • Übergangsregelungen und Flexibilität: Um einen Wasserstoffmarkt zu schaffen, sollte für den Markthochlauf für ein befristeten Zeitraum, eine höhere Flexibilität bei der Beschaffung von klimaneutralem Wasserstoff für technische Erprobungen und erste Pilotprojekte ermöglicht werden.
  1. Zertifizierung: Durch den Handel mit Zertifikaten kann die Nachfrage nach grünem Wasserstoff standortunabhängig in Deutschland gefördert werden: Der Einsatz von Wasserstoff bei der Herstellung von Produkten sollte deshalb durch entsprechende Zertifikate und Normierungen nachweisbar gemacht und geregelt werden.
  2. 4.Verwaltung: Die Unternehmen in Norddeutschland sind startbereit – aber wir fühlen uns ausgebremst: Damit die Energiewende sektorübergreifend, aber vor allem auch zügig gelingt, müssen Genehmigungsverfahren für Elektrolyse-, Infrastruktur- sowie Anwendungsprojekte massiv beschleunigt werden, wie es für Verfahren im Bereich Windenergie- und Photovoltaikanlagen bereits geplant ist. Die Beantragung und Genehmigung von Fördermitteln (z.B. via IPCEI) müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Förderverfahren dürfen sich nicht über mehrere Monate oder Jahre hinziehen. Der damit verbundene Aufwand muss sich an dem für die Zielerreichung Notwendigen orientieren und insgesamt verhältnismäßig sein.
  3. Regulierung: Eine zwingende Eigentümertrennung zwischen Gas- und Wasserstoffnetzen, wie sie aktuell im Gaspaket der EU-Kommission diskutiert wird, verhindert wichtige Synergien im Transformationsprozess und sollte daher vermieden werden.

Diese hier aufgeführten Maßnahmen sollen eine Initial-Unterstützung der Unternehmen ermöglichen, die beim Umbau von Wertschöpfungsketten eine Pionier-Aufgabe übernehmen.

Wenn es uns gemeinsam gelingt, die Wirtschaft im Hamburger Hafengebiet und in Norddeutschland erfolgreich auf grünen Wasserstoff umzustellen, kann der Wasserstoff-Cluster Hamburg zu einer Blaupause für die Umstellung der gesamten Industrie in Deutschland und Europa werden.

Dieses Statement wird getragen von:

Airbus Operations GmbH, ADM Hamburg AG, Arcelor Mittal Hamburg GmbH, Aurubis AG, Cargill GmbH, Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur GmbH, Gasnetz Hamburg GmbH, Greenplug GmbH, GP Joule GmbH, Evos Hamburg GmbH, H&R Group, HADAG Seetouristik und Fährdienst AG, Hamburg Port Authority AöR, Hamburger Hafen und Logistik AG, Hamburger Energiewerke GmbH, Hobum Oleochemicals GmbH, hySOLUTIONS GmbH, Mitsubishi Heavy Industries Group, Nynas GmbH & Co. KG, Oiltanking Deutschland GmbH & Co. KG, Sasol Germany GmbH, Shell Deutschland GmbH, Speira GmbH, Stadtreinigung Hamburg AöR, Trimet Aluminium SE, Vattenfall GmbH