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Windenergieplanung im Einvernehmen mit Gemeinden und Behörden Online-Seminar über Anwendung der neuen Windenergie-Regionalpläne in Schleswig-Holstein

Windenergieplanung im Einvernehmen mit Gemeinden und Behörden
Delta-Windanlage (Nordex A/S)

Windmüller in Schleswig-Holstein können seit 5 Monaten endlich Windparks planen, ohne auf Ausnahmegenehmigungen hoffen zu müssen. Denn seit Dezember 2020 gelten neue Windenergie-Regionalpläne. Die vorherigen wurden aufgrund von Klagen im Jahr 2015 außer Kraft gesetzt und seitdem umfangreich und mit mehreren Abstimmungsrunden überarbeitet. Wie werden die neuen Pläne ausgelegt und angewendet, und wie geht man mit den 995 Windenergieanlagen um (rund ein Drittel der gesamten Windmühlen in Schleswig-Holstein), die jetzt außerhalb von Vorranggebieten liegen? Ulrich Tasch von der Landesplanung im schleswig-holsteinischen Innenministerium und Markus Sawade, Anwalt für erneuerbare Energien (Kanzlei Paluka Sobola Loibl & Partner, Kiel), erläuterten mögliche Ermessensspielräume aus Sicht der Behörden, der Gemeinden, der Planungs-Unternehmen und der juristischen Praxis. 110 Interessierte nahmen an dem Online-Seminar „windWERT aktuell“ teil, das von den Erneuerbare-Energie-Clustern in Schleswig-Holstein und Hamburg, EE.SH und EEHH, organisiert wurde.

344 Vorranggebiete von insgesamt rund 315 Quadratkilometern zeigt die neue Windenergie-Landkarte Schleswig-Holsteins, das entspricht etwa 2 Prozent der Landesfläche. „Ich würde sagen, dass es so gut wie keine Fläche gibt, die nicht schon in irgendeiner Weise gesichert oder überplant ist“, so die Einschätzung von Ulrich Tasch. Viele Windpark-Planer versuchen, über so genannte Normenkontrollanträge oder Rügen die Kriterien für die Auswahl der Flächen vor Gericht anzuzweifeln. Die Frist für solche Klagen läuft noch bis Ende des Jahres, bevor das Oberverwaltungsgericht in Schleswig über diese Eingaben entscheidet. Anwalt Markus Sawade ist der Meinung, dass einige Kriterien rechtlich zu hinterfragen seien, insbesondere die Abstandskriterien. Er empfiehlt jedoch, die außergerichtliche Einigung mit den Behörden oder den Gemeinden zu suchen – „Das ist auch eine Zeitfrage“.

In Einzelfällen gibt es Ermessensspielräume. Ulrich Tasch von der schleswig-holsteinischen Landesplanung nannte als Beispiel ein verlassenes Wohnhaus oder den verlassenen Brutplatz eines Rotmilans oder Seeadlers. Hier könne die reale Planung nach Absprache um bis zu 100 Meter von der Vorranggebiets-Karte abweichen. Die Regel „dreifache Masthöhe zwischen Wohnhaus im Außenbereich und Anlage“ gelte für den Abstand zwischen Haus und Mastfuß, der Abstand zwischen Grundstück und Vorranggebiets-Grenze könne geringer ausfallen.

Von den 344 Windenergie-Vorranggebieten sind 35 für Repowering-Projekte reserviert. Dieser „Umzug“ von Windparks sei schon aus Vorgänger-Regionalplänen bekannt und erprobt, erklärte Ulrich Tasch. „Unsere Planungsbüros sind regional gut vernetzt und stimmen die Anrechnung von Altanlagen in der Regel schon in der Planaufstellungsphase mit der Landesplanung ab.“ Zum Thema Zielabweichungsverfahren, mit dem in seltenen Fällen Windparks außerhalb von Vorranggebieten genehmigt werden könnten, sagte Ulrich Tasch: „Solche Abweichungen können wir nur in wenigen Ausnahmefällen prüfen, wenn es sich zum Beispiel um wirklich innovative Forschungs- und Entwicklungsansätze von landesweiter Bedeutung mit Alleinstellungsmerkmalen handelt.“

Auch die Gemeinden können die Planung von Windparks auf ihrem Gebiet beeinflussen, zum Beispiel über die Bauleitplanung. Markus Sawade, der als Anwalt für erneuerbare Energien mehrere Planungsbüros unterstützt, merkte kritisch an, dass einige Gemeinden in ihrer Bauleitplanung eine Höhenbegrenzung für Windkraftanlagen festlegen, obwohl höhere Anlagen wirtschaftlicher seien und Kriterien des Denkmal- und Landschaftsschutzes ja schon in der Auswahl der Vorranggebiete berücksichtigt würden. Das frühere Argument der störenden Blinklichter falle mit der bedarfsgerechten Nachtbefeuerung ohnehin weg. „Es ist immer wichtig, das Gespräch mit Gemeindevertretern zu suchen und gemeindliches Einvernehmen herzustellen, zum Beispiel über einen städtebaulichen Vertrag.“ Außerdem gebe es Möglichkeiten, die Gemeinden finanziell am Betrieb des Windparks zu beteiligen, die auch im Erneuerbare-Energie-Gesetz ausdrücklich genannt werden.

Die Frage, ob die vorliegenden Normenkontrollanträge – sie stammen ausnahmslos von Windkraft-Befürwortern, die sich mehr Flächen wünschen - auch die neuen Regionalpläne zu Fall bringen könnten, vermochten beide Referenten nicht zu beantworten. „Ich bin optimistisch, dass die neuen Pläne bestehen bleiben; wir haben sehr akribisch und transparent gearbeitet“, sagte Ulrich Tasch.

Einen Mitschnitt der Veranstaltung gibt es unter www.ee-sh.de.

Über Astrid Dose

Profilbild zu: Astrid Dose

Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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