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Power-to-Gas (PtG) als Schlüsseltechnologie einer grünen Wasserstoff-Roadmap? „Grüner Wasserstoff“ – Hoffnungsträger der Energiewende

Power-to-Gas (PtG) als Schlüsseltechnologie einer grünen Wasserstoff-Roadmap?
Alexander Kirch

Denn mit dem Energieträger Wasserstoff verbinden sich große Hoffnungen, in Zukunft auch Bereiche mit erneuerbaren Energien zu versorgen, die derzeit noch zum Großteil durch fossile Energieträger gedeckt werden.

Das betrifft zum Beispiel die Schifffahrt oder die Erzeugung von Wasserstoff für Industriezwecke. Um hier künftig Emissionen zu vermeiden und diese Sektoren in Richtung Klimaneutralität zu lenken, soll „grüner Wasserstoff“, erzeugt aus erneuerbaren Energien, genutzt werden. Eine der Techniken, mit der dies gelingen kann, nennt sich „Power-to-Gas“ (PtG).

Beim Power-to-Gas Verfahren wird elektrische Energie, die im Fall von „grünem Wasserstoff“ aus erneuerbarer Energie gewonnen wird, in Gas gewandelt. Dabei wird Wasser mittels eines Elektrolyseurs und unter Nutzung von Strom in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Das aus dem Verfahren und teilweise unter nachgelagerter Methanisierung gewonnene Gas kann nun gespeichert und für verschiedenste Zwecke als Energieträger verwendet werden.

Was die Farbe von Wasserstoff über den farblosen Energieträger verrät   

Wasserstoff (H2) ist das am meisten vorkommende Element im Universum. Nur kommt es weder im All noch auf der Erde in ungebundener Form vor. Anstelle dessen geht Wasserstoff vielfältige Bindungen ein. Beispielsweise ist es mit Sauerstoff (O2) Bestandteil von Wasser (H2O). In der Erdatmosphäre kommt es in Form von Wasserdampf vor. In pflanzlichen Überresten findet es sich als Kohlenwasserstoff wieder und kann somit auch aus Erdöl und Erdgas extrahiert werden. Nur entstehen dabei klimaschädigende Emissionen.

Der aus Erdöl und Erdgas erzeugte Wasserstoff wird im Gegensatz zum grünen als „grauer Wasserstoff“ bezeichnet. Obwohl Wasserstoff an sich farblos und damit unsichtbar ist. Eine Tonne grau erzeugter Wasserstoff verursacht rund 10 Tonnen Kohlendioxid (CO2). Somit gibt die Farbenlehre des Wasserstoffs Auskunft über den Emissionsgehalt von Wasserstoff.

Neben grauem und grünen gibt es auch blauen und türkisen Wasserstoff. Hier entstehen bei seiner Erzeugung zwar ebenfalls Emissionen. Jedoch sollen beim blauen, aus Erdgas gewonnenen Wasserstoff, das unerwünschte Begleitprodukt Kohlendioxid dauerhaft in Gesteinsformationen gespeichert werden. Beim türkisem Wasserstoff kommt Methan zum Einsatz. Anstelle von gasförmigen CO2 entsteht bei der Methanpyrolyse fester Kohlenstoff, für dessen dauerhafte Bindung ebenfalls gesorgt werden muss. Damit von diesem keine klimaschädigenden Folgewirkungen ausgehen.

Bandbreite an Herstellungsverfahren zur Erzeugung von Wasserstoff

Power-to-Gas ist eine Form von Power-to-X. Wobei das X die Energieform bezeichnet, in die „Power“ verstanden als elektrische Energie, also Strom, gewandelt wird. Doch Wasserstoff lässt sich nicht nur mittels Power-to-Gas Verfahren erzeugen. In vielen chemischen Prozessen entsteht Wasserstoff als ein Nebenprodukt, beispielsweise bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse oder bei Rohölraffinerieprozessen.

Verfahren, die dabei zum Einsatz kommen können, sind beispielsweise die Dampfreformierung, die partielle Oxidation oder kleine Reformer. Ebenso lässt sich Wasserstoff aus Biomasse gewinnen, beispielsweise über die Biomassevergasung, Vergärung von Biomasse oder die biologische Wasserstoffproduktion. Wobei diese Verfahren teilweise sich noch im Stadium der Grundlagenforschung befinden.

Weiter fortgeschritten hingegen ist das Verfahren der Elektrolyse. Für dieses gibt es ebenso verschiedene Varianten. Zu diesen gehören die alkalische Wasserelektrolyse, die PEM-Wasserelektrolyse und die Hochtemperatur-Elektrolyse. Damit Wasserstoff sein Prädikat grün erhält und damit CO2-frei ist, kommt es weit weniger auf das Elektrolyseverfahren an. Entscheidend hierbei ist, woher die Energie stammt, mit der dieser gewonnen wird. Nur wenn der eingesetzte Strom zu 100% erneuerbarer ist, kann Wasserstoff zu 100% emissionsfrei erzeugt werden.  

Das heutige Dilemma einer grünen Wasserstoffwirtschaft

Daraus resultiert ein Dilemma. Denn um massenhaft grünen Wasserstoff mittels Power-to-X allgemein und Power-to-Gas im Besonderen zu gewinnen, braucht es nicht nur eine entsprechende Infrastruktur zur Erzeugung des Wasserstoffs, wie zum Beispiel Gasnetze oder Power-to-Gas Anlagen. Vielmehr werden dementsprechende Erzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden müssen.

Das ist weitaus weniger trivial als es auf den ersten Blick erscheint. Denn erneuerbare Energien sollen heute über alle Sektoren hinweg eingesetzt zu einer Dekarbonisierung aller Wirtschaftsbereiche beitragen. Grüner Strom wird sowohl im Verkehrssektor für die Elektromobilität, im Gebäudebereich für die Energie-, Wärme- und Kälteversorgung benötigt. Er wird für eine höhere Selbstversorgung in Gewerbe und Industrie wie auch für die beschleunigte Digitalisierung benötigt, ganz zu schweigen vom Ersatz für abgeschaltete Atomenergie-Anlagen oder die künftig vom Netz gehenden Kohlekraftwerke.

All diese Bereich sind über kurz oder lang mit erneuerbarer Energie zu decken. Daher wundert es nicht, wenn hier Zweifler an der Machbarkeit einer grünen Wasserstoffwirtschaft auf die Tagesordnung treten. Deutlich wird zutage tritt auch, dass es ohne einen zügigen Ausbau – ganz gleich, ob im Inland oder Ausland – von erneuerbaren Energien es keine grüne Wasserstoffwirtschaft geben kann. Denn egal, ob dieser importiert oder hierzulande vor Ort erzeugt wird. Entscheidend ist, dass er aus sauberen emissionsfreien Quellen stammt, um seinem Namen als „grüner Wasserstoff“ gerecht zu werden. Und nur dieser leistet einen Beitrag zur Energiewende und zum Einhalten der verfassungsrechtlich bindenden „1,5 Grad“ Ziele aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Gleichwohl es auch Befürworter von blauem Wasserstoff als Übergangslösung gibt. Ohne umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien, Infrastruktur und moderne Technik wird es keine grüne Wasserstoffwirtschaft geben.

Ein Anfang ist gemacht ...

So ist die Mitte des Jahres 2020 auf den Weg gebrachte „Nationale Wasserstoffstrategie“ (NWS) ein Anfang. Mit ihr hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, den Ausbau grüner Wasserstofftechnologien mit einem sieben Milliarden umfassenden Förderprogramm in den kommenden Jahren zu fördern. Doch der Weg in eine grüne Wasserstoffwirtschaft ist weit.

Mit der NWS wurde daher zumindest ein Stein ins Rollen gebracht und ein Signal an die Wirtschaft ausgesandt, in grüne Wasserstofftechnologien zu investieren und diese in Praxisanwendungen zu überführen. Denn während sich die erste Welle der Euphorie so langsam in der Öffentlichkeit legt, gehen die ersten geförderten Projekte an den Start und kündigen eine marktnahe Umsetzung an.

„Norddeutsches Reallabor“ im Praxistest

So erhielten kürzlich die „Norddeutschen Reallabore“ (NDRL) eine Förderzusage aus dem Bundeswirtschaftsministerium in Höhe von 52 Millionen Euro, um die Bereiche Industrie, Verkehr und Wärmeversorgung auf Basis von grünem Wasserstoff unmittelbar miteinander zu verknüpfen. Neben der praktischen Anwendung und dem Erproben des Zusammenspiels neuer Technologien unter realen Bedingungen, geht es dabei um Einsparungen großer Mengen Kohlenstoffdioxid.

Angestrebt sind Einsparungen in Höhe von etwa 560.000 Tonnen CO2-Emissionen im Jahr. Mit diesem Praxistest zur Umsetzung von grünen Wasserstofftechnologien soll ebenso der Umbau der Energiewirtschaft vorangetrieben werden. Das Norddeutsche Reallabor verteilt sich auf fünf in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern geografisch verteilte „Hubs“. Das Projekt hat eine Laufzeit bis Ende März 2006.

Worum es in dem Projekt geht, stellt Prof. Dr. Werner Beba der HAW Hamburg, Leiter CC4E Projekt-Koordinator NDRL in einem Youtube-Video vor:

https://youtu.be/xWOxXjNQfSo

Über die Autorin

Profilbild zu: Dr. Katja Reisswig

Dr. Katja Reisswig ist freie Redakteurin und Bloggerin. Sie hat das branchenübergreifende B2B-Portal Technewable.com für die grüne Wirtschaft ins Leben gerufen. Sie schreibt über Themen rund um Nachhaltigkeit, Energiewende, grüne Innovationen und Technologien mit Blick auf Unternehmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen und andere Akteure der Green Economy.