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Nach Corona-Zäsur: Energieunternehmen in Hamburg fordern deutlich stärkeres Bekenntnis der Politik zu den Erneuerbaren Branchenumfrage des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH)
Die Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur hat im Juli unter seinen etwa 200 Mitgliedsunternehmen – darunter Energieversorger, Forschungseinrichtungen und Hersteller mit Hauptsitz in Hamburg und der Metropolregion – eine Umfrage zur „Markterholung mithilfe von erneuerbaren Energien nach der Corona-Pandemie“ durchgeführt. Die Unternehmen äußerten sich zur Rolle ihrer Branche bei der gesamtwirtschaftlichen Erholung, zur Notwendigkeit von Förderungen sowie Regulatorik und beurteilten aktuelle politische Maßnahmen wie die nationale Wasserstoffstrategie und den European Green Deal.
„Die Corona-Pandemie hat viele Wirtschaftszweige im Mark erschüttert, aber auch viele Menschen aufgerüttelt. Diese haben durch die unmittelbaren Folgen des erzwungenen Stillstands eine konkretere Vorstellung vom Wert einer intakten Umwelt und der Bedeutung der Energiewende bekommen. Das Wiederhochfahren der Wirtschaft nach der Krise bietet bedeutende Möglichkeiten, die Erneuerbaren Energien stärker in das Energiesystem und in die Industrie zu integrieren – wenn die Weichen richtig gestellt werden. Dafür müssen auf nationaler und EU-Ebene unbedingt bürokratische Hürden für eine klimaverträgliche Energieversorgung abgebaut werden“, appelliert Jan Rispens, Geschäftsführer des EEHH-Clusters.
Energiepolitischer Umschwung noch drängender nach Corona
Zwei Drittel der befragten Unternehmen befürworteten, dass Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit beim wirtschaftlichen Wiederanlauf nach der Corona-Krise eine übergeordnete Rolle spielen sollten. 85 Prozent der Befragten finden, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in einem angepassten Energiesystem einen großen bis sehr großen Stellenwert bekommen sollte. Dass die Krise sogar eine historische Chance für Innovationen, für die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und für den Umbau des Energiesektors bietet, gab knapp die Hälfte der Befragten an. Allerdings herrscht auch Skepsis: Mehr als die Hälfte der Befragten findet, dass die Erneuerbaren Energien von der Politik nicht ausreichend stark wahrgenommen werden. Bei Unternehmen der Privatwirtschaft sehen wesentlich weniger Befragte dieses Defizit. Die richtigen Anreize und Regeln vorausgesetzt, könnten Erneuerbare Energien hier entscheidend zum Strukturwandel beitragen.
Notwendigkeit von staatlichen Förderungen und Reglementierungen
Zwei Drittel der befragten Unternehmen sind der Auffassung, dass die Erneuerbaren Energien für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach der Corona-Pandemie staatlich besonders gefördert werden sollten. Einige Unternehmen wünschen sich dabei weniger finanzielle Vorteile als vielmehr einen Abbau von regulatorischen Hemmnissen sowie schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren. Die große Mehrheit der Befragten wünscht sich eine Vereinfachung der Steuerreglungen. Als geeignetste politische Maßnahme auf der Ebene der Energiemarktregulierung, um Erneuerbare-Energien-Projekte attraktiver zu machen, sehen drei Viertel der Befragten eine bessere Regulatorik für den Energiemarkt, die Energiearten konsequent nach Klimabelastung verteuert. Etwas mehr als die Hälfte spricht sich zudem für eine konsequente Eigenverbrauchsregelung für Industriekunden und Privathaushalte aus.
Dass die Wirtschaft als Energieverbraucher gesetzlich verpflichtet wird, beim Wiederaufschwung nach der Corona-Pandemie stärker auf Erneuerbare Energien zu setzen, wünschen sich zudem zwei Drittel der Befragten. Als besonders förderungswürdig sehen die Befragten die Sektorenkopplung, Wasserstoffprojekte und eine klimafreundliche Wärmeversorgung. Unter den vielen Gründen, die Transformation des Energiesystems weiter voranzutreiben, bleibt der für die Befragten wichtigste von der Corona-Krise unangetastet: Mehr als zwei Drittel finden, dass der akute Klimawandel den Ausbau der Erneuerbaren Energien notwendiger denn je macht.
Wenig Optimismus bei Offshore-Windenergie
Die Befragten bewerteten das Windenergie-auf-See-Gesetz mit einem Ausbauziel von 20 Gigawatt bis 2030 auf einer Skala von 1 bis 100 im Schnitt mit 56 Punkten, das von 40 Gigawatt bis 2040 im Schnitt mit 52 Punkten –über die gesamte Skala hinweg mit starker Zustimmung als auch Ablehnung. Der Aussage, dass Deutschland mit dem angepassten Gesetz wieder zum Vorreiter im Bereich Offshore-Wind wird, wurde im Schnitt nur mit 40 Punkten zugestimmt.
Hoffnungen zur Wasserstoffstrategie
Die Befragten honorieren die bisherigen Anstrengungen der politischen Organe. Mehr als zwei Drittel halten die nationale Wasserstoffstrategie für den richtigen Weg, um der Energiebranche einen starken neuen Impuls zu geben. Mehr als drei Viertel beurteilen sie als gut oder sehr gut. Für ihr Gelingen wünschen sich die meisten Befragten, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien für die Wasserstoffproduktion in Deutschland deutlich forciert und die Regulatorik der Energiewirtschaft angepasst wird, damit sie sich wirtschaftlich rechnet.
Erwartungen an den European Green Deal und EU
Eine wichtige politische Aufgabe ist überdies, den Erneuerbaren Energien in der europäischen Wirtschaft einen höheren Stellenwert zu geben. Nur etwa jeder Fünfte ist aber der Meinung, dass der European Green Deal dafür ausreicht. Mehr als die Hälfte der Befragten ist bei seiner Beurteilung neutral. Die meisten erhoffen sich vom European Green Deal ein Bekenntnis zum Klimaschutz der EU und ein klares langfristiges Ziel. In der praktischen Umsetzung hofft je ein Drittel der Befragten auf Vorgaben der EU für Deutschland in Sachen Klimaschutz und auf mehr finanzielle Vorteile für Erneuerbare-Energien-Projekte. Klar ist, dass große Hoffnungen in die EU gesetzt werden: Die meisten Befragten erwarten mehr Impulse von der EU als von der Bundesregierung, um den Erneuerbaren Energien beim wirtschaftlichen Wiederaufschwung mehr Schlagkraft zu verleihen. Etwa gleich viele erwarten diese Impulse zu gleichen Teilen von der EU wie von der deutschen Politik.
Erneuerbare-Energien-Branche als Arbeitgeber der Zukunft
Mehr junge Ingenieure interessieren sich für eine Anstellung in der Erneuerbare Energien-Branche, die von der Corona-Krise profitieren könnte. Um das Interesse von Berufseinsteigern zu stärken, plädieren die Befragten für mehr Digitalisierung, aber auch für mehr attraktive und zeitgemäße Arbeitszeitmodelle. Zudem sollten die Gehälter denen der klassischen Branchen wie Automobilindustrie und (fossile) Energieversorgung angeglichen werden.