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“Karoline“ endlich im Einsatz für die Energiewende Hamburger Wind-zu-Wärme-Anlage profitiert als Pionier von Gesetzesnovelle

Sechs Jahre stand im Hamburger Karolinenviertel eine Anlage, die Erneuerbare Wärme für ca. 15.000 Haushalte bereitstellen kann - weitgehend ungenutzt. Das hat sich in diesem Monat geändert. Die Hamburger Energiewerke (HEnW) haben zum 1. März 2025 mit dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz einen Vertrag für die netzdienliche Nutzung der Wind-zu-Wärme-Bestandsanlage Karoline geschlossen. Grundlage ist der neue Paragraph 13k im Energiewirtschaftsgesetz („Nutzen statt Abregeln“), der nun auch Bestandsanlagen einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglicht. Für den 5. März hat 50Hertz der Power-to-Heat-Anlage Karoline erstmals überschüssigen Windstrom zugeteilt, um daraus grüne Fernwärme zu erzeugen und so das Stromnetz zu entlasten. Karoline ist deutschlandweit die erste Anlage, die im Rahmen des neuen Instruments §13k EnWG „Nutzen statt Abregeln“ zur Stromnetz-Entlastung eingesetzt wurde.
Die Power-to-Heat-Anlage Karoline wandelt flexibel Windstrom aus Norddeutschland in grüne Fernwärme für Heizung und Warmwasser um. Bisher musste der Übertragungsnetzbetreiber diesen Strom bei Netzengpässen abregeln und die Windparkbetreiber für die nicht produzierten Strommengen entschädigen. Das Instrument „Nutzen statt Abregeln“ (§13k EnWG) sieht vor, dass die Übertragungsnetzbetreiber täglich um zehn Uhr für sogenannte Entlastungsregionen prognostizierte überschüssige Strommengen (Abregelungsstrommengen) für den Folgetag ausweisen und den Teilnehmern von berechtigten Anlagen Strommengen zuteilen, sofern die Betreiber vorab eine Bereitschaft der Anlage angezeigt hatten. Betreiber von sogenannten Entlastungsanlagen wie die Hamburger Energiewerke bestätigen den Einsatz ihrer Anlage und beschaffen die ihnen zugeteilte Strommenge eigenständig, beispielsweise an der Börse oder über Handelspartner. Der Vorteil für die HEnW: Sie können die Karoline zu einem vergünstigten Strompreis betreiben, da der Übertragungsnetzbetreiber die Differenz zwischen dem sogenannten Day-Ahead-Marktpreis und einem fixen „13k-Preis“ inklusive der Stromnebenkosten ausgleicht. Damit unterscheidet sich die neue „Nutzen statt Abregeln“-Maßnahme von einer klassischen Redispatch-Maßnahme, die im Fall einer bereits bestehenden Netzüberlastung eingesetzt wird (§ 13 Abs. 6a EnWG).
Kirsten Fust, Technische Geschäftsführerin und Sprecherin der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke GmbH: „Unsere Power-to-Heat-Anlage Karoline konnten wir dank der Reform des Energiewirtschaftsgesetzes endlich aus dem Dornröschenschlaf holen. Bereits während der Laufzeit des SINTEG-Forschungsprojekts wurde immer wieder betont, dass eine Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen unabdingbar für einen wirtschaftlichen Betrieb ist. Da dies bis vor Kurzem nicht der Fall war, diente Karoline vor allem der Versorgungssicherheit, um bei einem Ausfall eines unserer Heizwerke einspringen zu können. Forschungsprojekte wie Karoline zeigen, dass wir für das Gelingen der Energiewende Weitsicht und einen langen Atem brauchen. Jetzt leistet die Wind-zu-Wärme-Anlage endlich ihren Beitrag zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und zur Systemsicherheit der Stromversorgung.“
Die Power-to-Heat-Anlage Karoline hat eine Leistung von 45 Megawatt und wird aber zunächst testweise nur mit 20 Megawatt Leistung während der Heizperiode eingesetzt. Sie funktioniert nach dem Prinzip eines Tauchsieders. Im Elektrokessel werden durch den erneuerbaren Strom zirka 14.000 Liter Wasser auf die erforderliche Temperatur erhitzt und die Wärme über Wärmetauscher an das Heizwasser abgegeben. Bei einem Betrieb der Anlage mit einer Leistung von 20 Megawatt lassen sich rechnerisch ca. 6.700 Hamburger Haushalte mit grüner Fernwärme versorgen. Gemäß der Einsatzprognose können durch die Nutzung der PtH-Anlage jährlich voraussichtlich bis zu 4.000 Tonnen CO2 Emissionen eingespart werden. Verteilnetzbetreiber, die Schwestergesellschaft Hamburger Energienetze, hat für den reibungslosen Betrieb der Anlage sichergestellt, dass die benötigten Strommengen über das Hamburger Stromnetz transportiert werden können.
Die Wind-zu-Wärme-Anlage im Hamburger Karolinenviertel wurde im Rahmen der Projektinitiative Norddeutsche Energiewende 4.0 (NEW 4.0) und dem übergeordneten Förderprojekt „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundeswirtschaftsministeriums errichtet und gefördert. Ziel der Projektinitiative mit 60 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik war es, im länderübergreifendem Großprojekt zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein eine erneuerbare und sichere Energieversorgung zu realisieren und zugleich die Zukunftsfähigkeit der Region zu stärken. Im Jahr 2018 wurde die Anlage offiziell in Betrieb genommen, um insbesondere auch den möglichen Ausfall von Heizwerken abzusichern und die Wärmeversorgung im Hamburger Fernwärmenetz zu gewährleisten.
Die Hamburger Energiewerke betreiben neben der 45 Megawatt Anlage Karoline eine weitere 80 Megawatt Power-to-Heat-Anlage in Wedel. Die im Bau befindliche GuD-Anlage auf der Dradenau wird ebenfalls mit einer 30 Megawatt Anlage ausgestattet. Die Hamburger Energiewerke sind davon überzeugt, dass diese flexiblen Lasten im Energiesystem der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen werden.