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"Ich helfe Barbados, auf ein regeneratives Energiesystem umzustellen" Interview mit Prof. Dr. Olaf Hohmeyer, Gewinner des German Renewables Awards 2021
EEHH: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des German Renewables Awards in der Kategorie Lebenswerk! Wie Sie bei der Preisverleihung sagten, sei Ihr Lebenswerk noch lange nicht vollendet. Woran sitzen Sie aktuell?
Prof. Hohmeyer: „Ich helfe dem karibischen Inselstaat Barbados, seine Energieversorgung auf 100% regenative Energien umzustellen. Offiziell hat die dortige Regierung 2019 beschlossen bis 2030 vollständige Klimaneutralität zu erreichen. Dies schließt auch den Verkehrsbereich mit ein. Ein von mir konzipierter Einspeisetarif ähnlich dem ursprünglichen deutschen EEG von vor 2014 unterstützt den Ausbau der erneuerbaren Energien.“
EEHH: Wie kam es zu dem ungewöhnlichen Kontakt nach Barbados?
Prof. Hohmeyer: „Ehemalige Kollegen der Europa-Universität Flensburg pflegten eine DAAD-Kooperation nach Barbados. Vor einigen Jahr bat mich ein Kollege für ein Seminar einzuspringen. So lehrte ich erstmals 2013 an der University of the West Indies in Barbados Studierende im Alter von 25 bis 45 Jahren regenerative Energiesysteme. Über eine Studentin, die enge Beziehungen in die Politik hatte, entstand mein Kontakt zu den dortigen Politikern. Ich brachte damals die Idee einer 100% regenerativen Energieversorgung für Barbados in die Diskussion. Die Barbados Renewable Energy Association und die Zentralbank von Barbados ermöglichten es mir im Herbst 2014 auf einer öffentlichen Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Zentralbank meine Berechnungen für ein 100% regeneratives Energiesystem für Barbados vorzustellen. Der Chef der Zentralbank war besonders an dem Thema interessiert, da es die Möglichkeit bot sich aus der praktisch vollständigen Abhängigkeit von importierte Mineralölprodukten zu lösen. Die extrem hohen Ölpreise der Vorjahre Barbados hätten Barbados fast in einen Staatsbankrott gestürzt.“
EEHH: Mehr Fortschritt wagen – damit ist der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung überschrieben. Welche Erwartungen haben Sie an die Ampel?
Prof. Hohmeyer: „Es wird ernst. Die neue Bundesregierung muss jetzt liefern. Mit den Grünen in der Koalition befindet sich die SPD, eher eine klassische Kohle-Partei, jetzt unter deutlich mehr Druck. Noch vor zehn Jahren hat die SPD sehr stark auf Kohle als Brückentechnologie gesetzt und den Bau von fast 30 GW neuer Kohlekraftwerkskapazität unterstützt. Neue Kraftwerke, die heute genau wie Moorburg alle pleite wären. Die SPD und auch die FDP müssen sich jetzt endgültig neu orientieren und von Bremsern zu Treibern der Energiewende werden.“
EEHH: Wasserstoff – der Champagner der Energiewende?! Wie beurteilen Sie den aktuellen Hype um das kleinste Element?
Prof. Hohmeyer: „Ich halte diesen Hype für absolut kontraproduktiv. Wasserstoff sollte man nur einsetzen, wenn es gar nicht anders geht, da die Umwandlung in Wasserstoff immer mit großen Energieverlusten einhergeht und dafür ein unnötig hoher Ausbau der regenerativen Erzeugungskapazitäten erforderlich wäre. Für PKWs und LKWs macht die Nutzung von Wasserstoff keinen Sinn. Hier können und müssen wir den Strom direkt nutzen. Im Güterverkehr bedeutet dies, dass wir die LKWs auf den Autobahnen an Oberleitungen fahren werden. Wasserstoff werden wir in Industrieprozessen wie Primärstahlerzeugung benötigen, die nicht rein elektrisch betrieben werden können. Auch im Flugverkehr und in Teilen der Hochseeschifffahrt werden wir große Mengen Wasserstoff und recyceltes CO2 aus Direct Air Capture für die Herstellung von synthetischem Kerosin und synthetischem Diesel einsetzen müssen.“