Details

Editorial September

Editorial September
HH Media Server

Seit 31. Dezember 2021 warten wir auf ein Signal aus Brüssel, wie die genaue Definition von „grünem“ Wasserstoff für den Einsatz im Mobilitätsbereich und anderswo lauten würde. Diverse Entwürfe einer Verordnung wurden geleakt und später auch offiziell veröffentlicht. Gemeinsam war all diesen Entwürfen, dass sie grünem Wasserstoff nur unter extrem restriktive Bedingungen produzieren lassen wollten - viel restriktiver als für jede andere Stromanwendung. Es war schwer nachvollziehbar, warum die Wasserstoffproduktion hier so viel detaillierter reguliert werden sollte als bei anderen Anwendungen. Natürlich geht bei der Wasserstoffproduktion Primärenergie verloren – dies schien wohl die Hauptmotivation für die Restriktionen zu sein. Aber es gibt auch nach wie vor viele andere Stromanwendungen in Industrie, Gewerbe und in Büros und Haushalten, in denen Strom sehr ineffizient genutzt wird. Zumindest kann man die Abwärme der Wasserstoffproduktion noch für Heizzwecke, z.B. in der Fernwärme, einsetzen. Dann geht nichts verloren.

Jetzt tut sich offenbar Positives in Brüssel - endlich! Dies wurde wohl durch eine Entscheidung des EU-Parlaments vorangetrieben. Sehr positiv ist aus meiner Sicht, dass in der neuen Formulierung für die Hochlaufphase der Wasserstoffwirtschaft wohl deutlich mehr Flexibilität vorgesehen ist, die letzten Endes auch notwendig ist, um einen gelingenden Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu ermöglichen. Jetzt kann der Grünstrom auch aus älteren und ausgeförderten Erneuerbaren Anlagen stammen; bisher sollte sie nur aus maximal 3 Jahre alte Anlagen stammen dürfen. Bisher war vorgesehen, dass die vertraglich eingekaufte Menge Grünstrom immer quasi Zeitgleich im Elektrolyseur für die Wasserstoffproduktion eingesetzt werden soll; jetzt soll eine Bilanzierung über drei Monate erfolgen. Dies hat zur Folge, dass die Elektrolyseure sehr viel gleichmäßiger ausgelastet werden können und damit weniger überdimensioniert werden müssen – was letzten Endes den ohnehin noch teuren Wasserstoff erheblich günstiger macht. Insgesamt kann so einen Markthochlauf – mit noch vielen Unwägbarkeiten – vernünftig ermöglicht werden.

Etliche Kreise in Brüssel und anderswo machen sich Sorgen um die genaue Herkunft des Netzstroms, wenn die Wind- oder Solaranlagen die den Strom liefern sollen, Wetter bedingt kein Strom liefern. Dann wird letzten Endes Graustrom aus dem Netz genutzt, und damit wäre der Wasserstoff nicht grün. Hierzu sage ich: bei geplanten 80 Prozent Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor 2030 in Deutschland (und 100 Prozent 2035) wird dies keinen großen Einfluss haben. Die Hochlaufphase der Wasserstoffwirtschaft wird sicher mit vielen Pilotprojekten und Skalierungsstufen noch bis 2030 brauchen – erst danach ist von einer massiven Marktdurchdringung mit Wasserstoff in Industrie, Luftfahrt und Logistik auszugehen. Die Konsequenz daraus: wir müssen die Erneuerbaren Energien massiv und mit höchster Konsequenz ausbauen, damit diese Stromanteile auch wirklich realisiert werden. Darin liegt die eigentliche Aufgabe!

Über Jan Rispens

Profilbild zu: Jan Rispens

Seit Gründung in 2011 ist Jan Rispens, als gelernter Elektrotechnik-Ingenieur, Geschäftsführer der EEHH Clusteragentur und seit 20 Jahren aktiv im Bereich nachhaltige Energieversorgung und Klimaschutz.

von