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Editorial Januar

Editorial Januar
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Viel und kontrovers wird derzeit über die neue EU-Taxonomie gesprochen, vor Allem im Kontext der Aufnahme der Kernenergie als nachhaltige Energieform. Es stellt sich aber für mich die Frage, ob nicht ein großer Teil der Diskussion am eigentlichen Thema vorbeigeht: die Taxonomie soll private Investitionen in „grüne“ Technologien nachvollziehbar machen und so fördern – aber was ist, wenn der Kapitalmarkt keine Lust auf Investitionen in Kernenergie hat und auch nicht bekommt?

Heut sehen wir weltweit und ziemlich einheitlich, dass ein Großteil der Investitionen im Energiesektor im Bereich erneuerbare Energien getätigt wird, Wind- und Solarenergie, Bioenergie, Geothermie. So machten im Jahr 2019 die erneuerbaren Energien einen Anteil von knapp 80% an der global neu installierten Leistung aus. Die Investoren mögen die erneuerbaren Energien, da sie die Risiken gut einschätzen können und für beherrschbar halten, weil die Vorlaufzeiten nicht extrem lang sind, das Kostenniveau derzeit alle konventionellen Energieformen erheblich unterbietet und die Projekte ein überschaubares Finanzvolumen haben. Nicht zuletzt mögen Investoren sie, da sie die Investitionen in diese Energieformen eindeutig als „grün“ verbuchen können. Keine Diskussionen.

Wo steht hingegen die Kernenergie heute? Wir haben es erstens mit Projekten zu tun, die schon regulär viele Milliarden verschlingen, aber sich bei den aktuellen Projekten zusätzlich regelmäßig um das Drei- bis Fünffache verteuern. Genauso verdoppeln und verdreifachen sich Bauzeiten auf zehn bis 15 Jahre, wie es in Frankreich und Finnland sichtbar wird. Nicht zuletzt ist die Technik extrem anspruchsvoll und wird geplagt durch Haarrisse und andere Serienprobleme. Wie in der letzten Woche in der FAZ nachzulesen war, wird aktuell zudem überlegt, ob der Kernanlagenbauer Framatom, der sich in starker Schieflage befindet, einen Kapitalnachschub erhalten oder ggf. gleich ganz verstaatlicht werden soll. Dabei schweigen wir an dieser Stelle besser von der ganzen ungelösten (und weitgehend nicht-finanzierten) Entsorgungsthematik oder davon, dass die Kraftwerke nicht versichert werden können, was bedeutet, dass Staaten – also die Steuerzahler - die Haftung komplett übernehmen müssen.

Daher schätze ich die Lage so ein, dass die Kapitalmärkte, sobald es bei den Investitionen konkret wird, es sich ganz genau überlegen werden, ob sie in diese Technologie investieren wollen. Wer beteiligt sich schon freiwillig an neue Projekte, die zweistellige Milliardenbeträge kosten, erst in 15 Jahren fertig sind und nicht versichert werden können - um dann Strom zu produzieren, der ein Vielfaches kostet von erneuerbarem Strom? Taxonomie hin oder her, ich glaube, dass das Thema sich von alleine erledigen wird.

Über Jan Rispens

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Seit Gründung in 2011 ist Jan Rispens, als gelernter Elektrotechnik-Ingenieur, Geschäftsführer der EEHH Clusteragentur und seit 20 Jahren aktiv im Bereich nachhaltige Energieversorgung und Klimaschutz.

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