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Editorial August
Wenn die aktuelle Energiekrise Probleme unserer künftige Energieversorgungslage ausleuchtet, dann stechen wohl drei darunter hervor. Erstens, wir brauchen einen sehr viel deutlich stärkeren Fokus auf einer Wärmewende. Zweitens, die heutigen Preise auf dem Erdgas- und Strommarkt sind ein Vorgeschmack auf zukünftige Zeiten, in denen eine verursachergerechte CO2-Bepreisung durchschlägt. Und drittens: die Erneuerbaren können einen wichtigen Teil der künftigen Versorgungssicherheit darstellen.
Viel ist schon über die bisher viel zu zaghafte Wärmewende gesagt und geschrieben worden. Fakt ist, dass hier bereits mit Wärmepumpen, Pelletheizungen und Fern- und Nahwärmenetze viele umweltfreundliche Technologien für die Wärmeerzeugung verfügbar sind. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass bei vielen Wohnungen aus dem Bestand zunächst eine Sanierung und ordentliche Wärmedämmung erforderlich sind, weil ansonsten effizient und grün erzeugte Wärme in rauen Mengen durch die Gebäudehülle verschwinden würde. Diejenigen, die die Reduzierung der Förderquoten für solche Maßnahmen von KfW und Bafa im August bemängeln, sei an dieser Stelle noch einmal gesagt, dass die Amortisationszeiten solcher Wärmedämmmaßnahmen bei den jetzigen Energiepreisen, auch bei etwas gesunkenen Förderquoten, sehr viel kürzer sind als vor der Krise.
Mit oder ohne Gaskrise werden die CO2-Preise weiter anziehen, damit die Klimaziele erreichbar bleiben. Auch jetzt kostet an den europäischen Handelsplätzen eine Tonne CO2 etwa 90 Euro. Die Kosten dieser CO2-Umlage werden seit letztem Jahr zwischen Immobilienvermieter und Mieter, nach dem energetischen Zustand des Gebäudes, aufgeteilt. Es führt hier aus meiner Sicht kein Weg daran vorbei, dass auch die gesamten Wärmekosten (und nicht nur die CO2-Mehrkosten) mittel- und langfristig ähnlich verteilt werden. Damit würde sich der Sanierungsstau im Mietmarkt deutlich zügiger auflösen.
Seit unserem FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner die Erneuerbaren Energien „Freiheitsenergien“ nannte, ist das Bewusstsein gestiegen, dass nur ein massiver Ausbau der Erneuerbaren die Versorgungssicherheit verbessert und die Importabhängigkeit verringert. Auch wenn Sonnen- und Windenergie durch das Wetter fluktuieren, sind es heimische und sehr günstige (!) Energien, die technologisch künftig auch zunehmend in größeren Mengen gespeichert werden können.
Allen Politiker*innen, die stattdessen - mehr oder weniger verklausuliert - für die Reaktivierung der Kernkraftwerke plädieren, sei empfohlen, im Nachbarland Frankreich zu schauen, wie es dort mit der vermeintlichen „Renaissance“ der Kernenergie aussieht. Die Hälfte der Anlagen befindet sich dort wegen schwerwiegender Haarrisse am Reaktor in der Revision; die andere Hälfte läuft stark gedrosselt, da kein Kühlwasser in den Flüssen vorhanden ist, die Betreiberfirmen mussten verstaatlich werden, und es müssen große Mengen Strom aus anderen Ländern importiert werden.
Daher ist meine Hoffnung, dass - wie schwerwiegend und unangenehm die Krise aktuell auch ist - sie hoffentlich auch dabei hilft, den Blick für‘s Wesentliche zu schärfen.