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Strom oder Wasserstoff: wie sollten sich Gewerbe und Industrie zukünftig aufstellen?

Strom oder Wasserstoff: wie sollten sich Gewerbe und Industrie zukünftig aufstellen?
Das letzte Forum Wasserstoff vor der Sommerpause fand in den Stereo Event Studios in Eppendorf statt

Unter der Fragestellung „Strom oder Wasserstoff oder doch beides? – was Gewerbe- und Industrieunternehmen bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen sollten“, hatte das Cluster Erneuerbare Energien zum letzten Forum Wasserstoff vor der Sommerpause in die Stereo Event Studios in Eppendorf eingeladen.

Mit Impulsen aus Netzplanung, Wissenschaft und Industrie bot das Forum einen vielseitigen Überblick: Sprecher der Hamburger Energienetze berichteten über den aktuellen Aus- und Umbau von Strom- und Wasserstoffinfrastrukturen. Die Helmut-Schmidt-Universität präsentierte eine datenbasierte Projektion der Energiebedarfe in den Hamburger Stadtteilen im Jahr 2050. Und das Unternehmen tesa SE gewährte Einblicke in seine Dekarbonisierungsstrategie, die sowohl auf Elektrifizierung als auch auf den gezielten Einsatz von Wasserstoff basiert. Neben den fachlichen Beiträgen bot die Veranstaltung reichlich Raum für Diskussion und Vernetzung. Eine intensive Abschlussdiskussion rundete das Forum ab.

Bedarfe früh für die Versorgungsprognose identifizieren

Sven Leyers, Leiter Netzanschluss, Hamburger Energienetze GmbH, erklärte den Dreiklang von Versorgungsprognose, Netzausbauplan, stetigem Austausch und letztendlich Umsetzung. Grundlage der Versorgungsprognose seien Ist-Daten auf Quartiers- oder Stadtteilebene, die regelmäßig überprüft und an veränderte Bedarfe angepasst würden. Aus diesen Prognosen leiten sich konkrete Maßnahmen für den Netzausbau ab.

„Der Netzausbau braucht Zeit“, so Sven Leyers. Deshalb plädiere er für ein gestuftes Vorgehen: Statt sofort die gesamte angefragte Leistung zuzubauen, solle über eine Ramp-up-Phase die Versorgung sukzessive dem wachsenden Bedarf angepasst werden. Da die Unternehmen zum Zeitpunkt des Netzanschlusses oft nicht die Volllast benötigten, täten diese gut daran, sich mit Nachbarn abzusprechen, um Synergien zu nutzen und gemeinsam hochzuskallieren. Entscheidend für die Energienetze sei es daher „früh in den Austausch [mit der Industrie] zu gehen, um Energiebedarfe für die Versorgungsprognose zu identifizieren und gemeinsam einen Plan zu entwickeln.“

Die anschließende Fragerunde war dominiert von der Kostenfrage für Energie und die Entwicklung der Netzentgelte.

Wasserstoffkernnetz löst Henne-Ei Problem?

Jan Schwartz, Key Account Manager Industrie Hamburger Energienetze, gab einen tiefen Einblick in den Ausbau des Wasserstoffkernnetzes. Vier Kilometer seien bereits gebaut, eine Sieben-Kilometer-Leitung konnte von Gas auf Wasserstoff umgerüstet werden und weitere 15 Kilometer befinden sich im Bau. Ziel sei es, das viel zitierte Henne-Ei-Problem – fehlende Nachfrage bremst Infrastruktur, fehlende Infrastruktur bremst Nachfrage – aktiv zu durchbrechen. Ankerkunden seien vorhanden, allerdings sei es besonders wichtig, dass Industrieabnehmer an einer Bedarfsabfrage der Bundesnetzagentur im Herbst dieses Jahres teilnehmen, damit Anschlüsse an das Kernnetz sinnvoll geplant werden könnten.

Die anschließende Fragerunde konzentrierte sich insbesondere auf die Reinheit des transportierten Wasserstoffs im Kernnetz und Anwendungsszenarien dieses Wasserstoffs.

 

Studie zeigt: Energiebedarfe müssen auf Stadteilebene gedacht werden

Studie zeigt: Energiebedarfe müssen auf Stadteilebene gedacht werden
Dr. Amra Jahic gab einen Einblick in die Energiebedarfe der Stadt Hamburg auf Stadtteilebene für 2050

Dr. Amra Jahic, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Helmut-Schmidt-Universität, präsentierte eine datenbasierte Projektion der zukünftigen Energiebedarfe für Mobilität in Hamburg für das Jahr 2050. Mit 103 Stadtteilen (ohne Neuwerk), die sich in ihrer Lage sowie ihrer gewerblichen, wohnwirtschaftlichen oder industriellen Prägung stark unterscheiden, zeige sich ein differenziertes Bild hinsichtlich der erwarteten Energiebedarfe im Verkehrssektor. Eine pauschale Betrachtung über die gesamte Stadt hinweg greife daher zu kurz. Die Bedarfe im Jahr 2050 müssten auf Stadtteilebene basieren.

Großes Interesse in der anschließenden Fragerunde fand die Methodik der Studie, welche das Leben der Hamburger mit Agenten simuliert. Außerdem wurde die Frage, wie sich Anreize, wie variable Strompreise, auf Energiebedarfe und Energiebezugszeitpunkte auswirkten.

„Im Vergleich mit dem Do-nothing Szenario schneidet unser Weg immer besser ab!“

Thomas Erfurth und Jannik Thiemann von der tesa SE stellten in ihrem Impuls nicht nur das ambitionierte Ziel vor, bereits bis 2030 klimaneutral zu produzieren, sondern auch den konkreten Weg, mit dem das Unternehmen dieses Vorhaben umsetzt. Derzeit entstünden die größten CO2 Emissionen im Unternehmen durch das Verbrennen von Gas für Wärme- und Dampferzeugung. Tesa setze in seiner Strategie darauf, Prozesse zu elektrifizieren, Primärenergien zu reduzieren, die Effizienzen zu erhöhen und selbst Strom zu erzeugen. Wärme werde in Zukunft elektrisch erzeugt und über entsprechende Speicher effizienter eingesetzt, Wasserstoff hingegen werde als Substitut für Gas genutzt, wo sich dieser Energieträger nicht durch Strom ersetzen ließe. Der ROI für tesa sei gut, auch weil das Unternehmen die Strategie mit einem „Do nothing-Szenario“ vergleicht und davon ausgeht, dass Kunden in Zukunft ein nachhaltiges Unternehmen auch finanziell wertschätzen.

Ein weiterer Baustein hin zur Klimaneutralität für tesa seien die Klimaschutzverträge („Contracts for Difference“) mit dem Bund, die es ermöglichten, einen Teil der Mehrkosten für die klimafreundliche Umrüstung kompensieren zu lassen.

Die anschließende Publikumsdiskussion zeugte von großem Interesse an tesas eingeschlagenem Weg. Neben Fachfragen zur Umsetzung der Umrüstung und Genehmigung der Contracts for difference wurde insbesondere betont, wie wichtig es sei, solche Positivbeispiele zu teilen, um als Industrie von den Erkenntnissen zu profitieren.

 

Die offene Abschlussdiskussion lieferte vielfältige Erkenntnisse zu Herausforderungen und Lösungsansätzen zukünftiger Energieversorgung

Abschlussdiskussion: Gemeinsame Planung statt Wettbewerb - Energy-Sharing als Zukunftsmodell?

Nach einer kurzen Pause mit Gelegenheit zum Networking wurde der Schlusspunkt des Forums durch eine intensive Abschlussdiskussion gesetzt. Im Mittelpunkt standen zentrale Fragen rund um die zukünftige Energieversorgung in Gewerbe und Industrie –insbesondere im Zusammenspiel von Strom- und Wasserstoffanwendungen, Netzausbau, -kapazitäten und regulatorischen Rahmenbedingungen.

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass für Klimaneutralität in Gewerbe und Industrie ein Zusammendenken von Bedarfen wichtig sei. Positiv hervorgehoben wurde u. a. das Projekt Klimaready, welches zeigt, wie Unternehmen von einer gemeinsamen Energieplanung profitieren.

Die Diskussion machte deutlich: Damit der Wandel zur Klimaneutralität in Gewerbe und Industrie gelingt, müssen Energiebedarfe, Netzkapazitäten und sektorübergreifende Zusammenarbeit künftig gemeinsam betrachtet werden. Unternehmen können davon sowohl ökonomisch als auch ökologisch profitieren.

 

Über Tim Zeige

Profilbild zu: Tim Zeige

Als Projektleiter Wasserstoffwirtschaft Norddeutsches Reallabor (NRL) & operative Begleitung der Norddeutschen Wasserstoffstrategie (NDWS) unterstütze ich das Team der EEHH vielfältig: (B2B) Kommunikation & Marketing, Redaktionelle Tätigkeiten Events uvm. Besonders treibt es mich an meine Fähigkeiten einzusetzen, um innovativen Technologien wie Wasserstoff eine Bühne zu bieten.