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Nachbericht 27. Sitzung Forum Wärme

Am 29.09.2025 fand das 27. Forum Wärme zum Thema Nutzung von Rechenzentren-Abwärme statt. In vier interessanten Vorträgen wurde das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Vom Potenzial niederkalorischer Prozesswärme bis hin zur „essbaren Abwärmenutzung“. Hier folgt der Nachbericht:
Der Bedarf an Rechenzentren steigt, nicht nur durch die steigende Menge an zu verarbeitenden Daten und neuen Technologien wie KI, sondern auch, da Deutschland unabhängiger und souveräner im Umgang und der Speicherung mit Daten werden möchte. Gleichzeitig soll durch das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) eingesetzte Energie in allen Sektoren möglichst effizient wirken, das betrifft in §11 auch Rechenzentren. Diese sollen ab dem 1. Juli 2027 eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,5 und ab dem 1. Juli 2030 eine Energieverbrauchseffektivität von kleiner oder gleich 1,3 im Jahresdurchschnitt dauerhaft erreichen. Rechenzentren, die ab dem 1. Juli 2026 in Betreib gehen, sollen eine Energieverbrauchseffektivität von 1,2 aufweisen und mindestens 10% ihrer Abwärme nutzbar machen. Der Prozentwert soll kontinuierlich steigen und ab 1. Juli 2028 bei mindestens 20% liegen.
Niederkalorische Abwärme birgt großes Potenzial
Dass es für die Abwärmenutzung von Rechenzentren durchaus ein großes Potenzial gibt, erläuterte Astrid Krösser, Referentin für Prozesswärme in der Wärmeplanung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA). Nach einer Analyse der BUKEA fällt nahezu die Hälfte des Gesamtprozesswärmeverbrauchs im niederkalorischen Bereich an, sodass diese Unternehmen im niederkalorischen Bereich mithilfe des Fernwärmesystems versorgt werden könnten. Die BUKEA hat in Aussicht gestellt, dass sich die AG Prozesswärme in den kommenden Monaten intensiv mit dem Thema Rechenzentren-Abwärmenutzung beschäftigen wird. Für Unternehmen (vor allem für KMUs) bietet die BUKEA am 06.11.2025 eine Online-Veranstaltung an, in der über den aktuellen Stand und die Bedeutung der Prozess- und Raumwärmeversorgung informiert wird.
Stadtwerke Norderstedt sind Vorreiter
Vor den Toren Hamburgs wird bereits Rechenzentren-Abwärme in der Fernwärmeversorgung genutzt. In Norderstedt wird seit Sommer 2024 die Abwärme aus einem bestehenden Rechenzentrum in die Fernwärme eingespeist. Robert Roß, Projektingenieur und Energiemanagementbeauftragter bei den Stadtwerken Norderstedt, berichtete, welche Erfahrungen das Stadtwerk mit der Abwärme aus Rechenzentren gemacht hat: Die Kühlung des Rechenzentrums erfolgt durch Kaltgangkühlung (CAC), wodurch die Server-Abwärme bei 28 °C liegt, dieses niedrige Temperaturniveau muss durch zwei Wärmepumpen auf 81 °C erhitzt wird, damit die Wärme ins Bestandsnetz eingespeist werden kann. Im ersten Betriebsjahr wurde u.a. die Hydraulik optimiert, sodass die Leistungszahl (COP) des Systems auf 2,5 gehoben werden konnte. Neuere Kühlmethoden, wie wassergekühlte Server („direct-to-chip cooling“), bieten mit 70 °C direkter Abwärme höheres Potenzial einer effizienteren Abwärmenutzung, räumt Roß ein. Dennoch leistet das Rechenzentrum 1 MW Abwärme für die Fernwärme und kann mit 9-10 GWh/a ca. 1.500 Wohneinheiten versorgen. Dadurch können ca. 15% fossiler Wärme substituiert werden und 3.800t CO2 im Jahr eingespart werden. Das Projekt erreichte im Jahr 2023 den ersten Platz der schleswig-holsteinischen Energie-Olympiade 2023 in der Kategorie „große technische Maßnahme“.
Wie Rechenzentren zu Heizkraftwerken und Energiespeichern werden
Christoph Wegner, Geschäftsführer der DataHall GmbH, nahm den Ball der wassergekühlten Server mit einer direkten Abwärme-Temperatur von 60-70 °C direkt auf und lenkte den Blick in die Zukunft: Laut Wegner sollen Rechenzentren zu Heizkraftwerken und Energiespeichern werden. Der Anspruch ist dabei die Nutzung von 100% regionaler erneuerbarer Energien (EE), die maximale Energie-Erhaltung, sowie die 100%ige EU-Datensouveränität. Um bei 100% EE eine konstante Stromzufuhr der Rechenzentren zu gewährleisten, werden Batteriespeicher vorgeschaltet. Das besondere daran ist, dass DataHAll GmbH dabei auf Solid-Flow-Batterien setzt. Diese Batterietechnologie hat den Vorteil, dass die Batterien bei einer überschaubaren Leistung viel Kapazität liefern, und diese Kapazität skalierbar ist. Dadurch ist es möglich sowohl die schwankende Einspeisung der EE zu glätten und durch die Einspeisung bei hohen Strompreisen Geld zu verdienen als auch (fossile) Notstromaggregate ersetzen zu können, so Wegner. Zur maximalen Energie-Erhaltung soll die Abwärme der wassergekühlten Server auf unterschiedliche Weisen genutzt werden: Es kann Abwärme mit ca. 45 °C direkt in Nahwärme für bspw. Quartiersheizungen genutzt, ca. 60 °C warme Abwärme für Nahkälte oder Prozesskälte ausgeleitet, oder mit Hilfe einer Wärmepumpe mit 100 °C ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Um die Machbarkeit dieses Projekts zu demonstrieren, entsteht am Hafen von Halle (Saale) das „DataEcoSystem“: Ein skalierbares Rechenzentrum von 4-80 MW mit entsprechender Daten-Wärme-Kopplung.
Lokale Abwärmenutzung durch Algenfarm
Die Veredelung der Server-Abwärme für Fernwärmeleitungen ist technisch also kein Problem, doch was, wenn kein Fernwärmenetz in der Nähe ist? Den Fall der rein lokalen Abwärmenutzung zeigte Stephan Sladek, Geschäftsführer der Windcloud 4.0 GmbH. Zwischen Flensburg und Niebüll in Schleswig-Holstein steht ein Rechenzentrum, das die Abwärme der Server für eine Algenfarm nutzt. Die Vision: Mit Überschuss Wind und CO2-absorbierender Algenfarm mehr CO2 einspeichern als ausstoßen. 2020 wurde die Pilotanlage auf dem GreenTEC Campus eröffnet. Seitdem produziert das Rechenzentrum Abwärme (ca. 32 °C), die ideal für das Algenwachstum ist. Mit den Mikroalgen wiederum lassen sich Lebensmittel herstellen (wodurch das gebundene CO2 wieder freigesetzt wird), die wertvolle Inhaltstoffe wie Eiweiß, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B12 enthalten. In Kooperation mit einer lokalen Bäckerei entsteht daraus ein Müsliriegel: praktisch essbare Abwärmenutzung.
Im Anschluss an die Vorträge vernetzten sich die Teilnehmer:innen bei Snacks und Getränken. Das EEHH bedankt sich bei den Referent:innen und freut sich auf die nächste Veranstaltung.