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„Wir wollen einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten“ Interview mit Timo Bollerhey, Geschäftsführer der H2Global Advisory GmbH und HINT.CO GmbH

Die Stiftung H2Global soll in Deutschland dazu beitragen, einen Markt für Wasserstoffprodukte zu schaffen.

„Wir wollen einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten“
Timo Bollerhey, Geschäftsführer der H2Global Advisory GmbH und HINT.CO GmbH

Über ein Auktionsmodell sollen in den kommenden Jahren die Differenzkosten zwischen Wasserstoffgestehungskosten und Nachfragepreis übernommen werden, um Unternehmen mehr Sicherheit bei der Investition in Wasserstofftechnik und -infrastruktur zu geben. Wie genau das funktioniert, erklärt Timo Bollerhey im Interview.

EEHH: Moin Herr Bollerhey, können Sie den Auftrag von H2Global kurz beschreiben und erklären, worin genau die Dienstleistung besteht?

Timo Bollerhey: „H2Global wurde als gemeinnützige Verbrauchsstiftung gegründet mit mittlerweile über 30 Stiftern entlang der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette. Die Stiftung versucht Modelle zu entwickeln, welche die nachhaltige Erzeugung und die Verwendung klimaneutraler Energieträger ermöglichen sollen. Ein zentrales Instrument der Stiftung ist hierbei die  ‚Hydrogen Intermediary Network Company‘, kurz HINT.CO, welche ein Geschäftsmodell bereitzustellen soll, um es Unternehmen zu ermöglichen, in grünen Wasserstoff und seine Derivate bereits heute zu investieren. Derzeit haben wir noch eine Henne-Ei-Situation, die wir überbrücken wollen – es gibt momentan keinen wirklichen Markt für grünen Wasserstoff,. Wir haben aktuell eine hohe Differenz zwischen Nachfragepreis und Gestehungskosten. Letztere werden künftig sinken und die Regulatorik ist noch unklar, ergo haben wir eine unsichere Investitionssituation für Unternehmen – obwohl die Industrie es gerne würde und die Politik es von ihnen fordert. Diese Investitionen wollen wir ermöglichen, indem wir langfristige Abnahmeverträge und einen solventen Abnehmer bereitstellen.“

EEHH: Welchen Akteuren stehen Ihre Leistungen zur Verfügung?

Timo Bollerhey: „Unsere Leistung gilt nicht der Anbieter- oder Abnahmeseite oder einer bestimmten Industrie, sondern dem Markt. Dadurch soll ein Stimulus gesetzt werden, damit sich der Markt überhaupt erst etablieren kann. Bisher wird Wasserstoff nur in homöopathischen Dosen gehandelt.“

EEHH: Wie funktioniert das Zusammenspiel der H2Global und der HINT.CO? Warum wurde das Konstrukt aus Stiftung und Intermediär gewählt?

Timo Bollerhey: „Die Stiftung H2Global ist die Muttergesellschaft, die HINT.CO ihr Tochterunternehmen. Sie ist Empfänger dieser Fördermittel und agiert als Kontraktpartner auf den Angebots- und Nachfrageseite. Auf klaren Wunsch des Bundes ist die die HINT.CO privatwirtschaftlich organisiert und  kauft die Produkte international ein und verkauft sie in Deutschland und Europa weiter.“

EEHH: Wann wird die erste Ausschreibung für Wasserstoffprodukte erwartet?

Timo Bollerhey: „Wir werden voraussichtlich Ende des zweiten oder Anfang des dritten Quartals dieses Jahres mit Ausschreibungen beginnen als wettbewerblicher Dialog und erwarten die erste Vertragsunterzeichnung Ende des Jahres.“

EEHH: Sind Sie bei der Beschaffung auf grünen Wasserstoff fokussiert?

Timo Bollerhey: „Das Instrument selbst ist farbenblind, allerdings richtet sich die Beschaffung nach den Vorgaben des Zuwendungsgebers, also dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK). Dieser definiert, welche Produkte eingekauft werden und welche Eigenschaften diese haben sollen.“

EEHH: Wie stellen Sie sicher, dass die benannten Derivate nachhaltig produziert werden? Welche Kriterien/Zertifizierungen werden dafür zu Grunde gelegt?

Timo Bollerhey: „Die Kriterien werden zunächst vom BMWK vorgegeben. Wir haben vor, mit etablierten Partnern zusammenzuarbeiten um einen Standard den Vorgaben entsprechend zu etablieren über Zertifikate, die beigebracht werden müssen. Wir erhoffen uns dadurch eine gewisse Signalwirkung bei der Standardisierung.“

EEHH: Wie hoch schätzen Sie die heimische Nachfrage für Wasserstoffprodukte ein, gibt es dafür Prognosen?

Timo Bollerhey: „Wir sind entspannt, da wir nicht reinen Wasserstoff einkaufen, sondern drei seiner Derivate: Methanol, Ammoniak und Jet Fuel und für die gibt es bereits einen liquiden Abnahmemarkt. Selbst wenn die Nachfrage nach grünen Produkten nicht so hoch sein sollte, können wir sie im bereits existierenden grauen Markt absetzen. Wir bleiben also nicht darauf sitzen.“

EEHH: Können sie schon abschätzen, um welche Mengen es gehen wird?

Timo Bollerhey: „Das ist spannende Frage. Wir haben 900 Millionen Euro an Mitteln bereitgestellt bekommen und werden für diesen Betrag auktionieren. Auktioniert wird aber nicht der Preis, sondern die Menge. Der Endpreis der Produkte lässt sich für eine Lieferung über einen längeren Zeitraum allerdings noch nicht abschätzen.“

EEHH: Wie lange wird H2Global tätig sein, gibt es einen Endpunkt?

Timo Bollerhey: „Aus der Perspektive der HINT.CO sage ich immer: 'Die HINT.CO ist das  dümmste Unternehmen Deutschlands – sie wird voraussichtlich nie Gewinn machen, sie plant bis zu 900 Millionen Euro Verlust zu generieren und will sich nach zehn Jahren selbst abschaffen'. Nach Ende der letzten Verkaufskontrakte wird sich die Hint.Co auflösen. Ob die Stiftung weiter Bestand haben wird, muss man sehen. Der primäre Stiftungszweck ist, einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten, hoffentlich werden wir daher weitere Ansätze entwickeln und umsetzen.“

EEHH: In der Anlaufphase soll H2Global nur in Ländern außerhalb der EU / EFTA-Region einkaufen – wie kam es zu dieser Festlegung? Ist eine Ausweitung auf weitere Länder geplant?

Timo Bollerhey: „Grundsätzlich ist H2Global nach dem Baukastenprinzip aufgesetzt. Der Fördermittelgeber, in diesem Falls das  BMWK, definiert welche Produkte mit welchen Eigenschaften und aus welchen Ländern weltweit eingekauft werden können. Es könnte in Zukunft weitere Auktionen mit weiteren Produkten und Bezugsländern geben. Es ist beispielsweise auch ein europäisches Binnenmarktmodell möglich.“

EEHH: Wie kam es, dass H2Global seinen Sitz hier in Hamburg bekam?

Timo Bollerhey: „Die fünf Küstenbundesländer haben sich dafür eingesetzt, das H2Global nach Hamburg kommt. Außerdem ist einer unserer Partner hier in Hamburg und so kam es dazu, dass die Stadt für den Stiftungssitz ausgewählt wurde. Es gab jedoch starke Bestrebungen von einigen Ministern in den südlichen und östlichen Bundesländern, dass unser Intermediär dort verortet wird. So gab es einen salomonischen Friedensschluss und die HINT.CO kam nach Leipzig. Das hat allerdings keine Auswirkungen auf unsere Arbeit – wir sind für ganz Deutschland tätig und die Abnahme der Wasserstoffprodukte ist europaweit möglich. Perspektivisch soll H2Global europäisch ausgebaut werden.“

EEHH: Wie kann H2Global dem Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft in der Metropolregion Hamburg helfen?

Timo Bollerhey: „Der Stimulus für den Markt schließt Hamburg mit ein. Darüber hinaus können Akteure am Dialog teilhaben. So können sie über uns als neutrale Plattform in den Austausch mit der Bundesregierung kommen, um zu sehen, wie man solche Modelle weiterentwickeln kann. Allerdings haben die Stifter keinen Einfluss auf die Auktionen. Wir sind überdies begeistert über die große Unterstützung aus Hamburg und Norddeutschland beim Aufbau von H2Global. Der Hafen könnte später auch für die Anlandung eine Rolle spielen.“

https://www.h2-global.de/

 

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

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