Details

Windkraft mit Weitblick

Über Dänemarks größten Offshore-Windpark „Thor“ und den Einsatz von recyclebaren Rottorblättern, Türmen aus grünerem Stahl und ein neues Leben für Fundament-Abdeckungen, sprach EEHH mit Thomas Michel, COO der RWE Offshore Wind GmbH.

Windkraft mit Weitblick
Thomas Michel, Copyright: RWE

Über Dänemarks größten Offshore-Windpark „Thor“ und den Einsatz von recyclebaren Rottorblättern, Türmen aus grünerem Stahl und ein neues Leben für Fundament-Abdeckungen, sprach EEHH mit Thomas Michel, COO der RWE Offshore Wind GmbH.

EEHH: RWE baut derzeit in Dänemark den Offshore-Windpark „Thor“. Können Sie einen Einblick in den Projektverlauf und die Besonderheiten dieses Windparks geben?

Michel: Unser Offshore-Windpark Thor entsteht 22 Kilometer vor der Westküste Jütlands in der dänischen Nordsee. Mit einer installierten Leistung von über einem Gigawatt wird er nach seiner Inbetriebnahme in 2027 nicht nur der größte Offshore-Windpark Dänemarks sondern in ganz Skandinavien sein. Thor wird genug Strom erzeugen, um rechnerisch den Jahresbedarf von über einer Million dänischer Haushalte klimafreundlich zu decken.

In den kommenden Wochen werden wir damit beginnen die Fundamente zu installieren. Diese lagern derzeit in Eemshaven und werden von dort aus auf die Baustelle auf See gebracht. Die Monopile-Fundamente sind bis zu 100 Meter lang und wiegen jeweils bis zu 1.500 Tonnen. Das entspricht in etwa dem Gewicht von 1.000 Kleinwagen. Ab 2026 werden auf diesen Fundamten die 72 Windturbinen errichtet, jede mit einer Kapazität von bis zu 15 Megawatt. Die Turbineninstallation werden wir vom dänischen Hafen in Esbjerg aus durchführen.

Gefertigt werden die Turbinen von der Firma Siemens Gamesa. Besonders ist, dass wir die Hälfte der Windturbinen mit sogenannten GreenerTowern ausstatten lassen. Diese Stahltürme haben einen geringeren CO2-Fußabdruck. 40 Anlagen erhalten recycelbare Rotorblätter.

 

Recyclebare Rotorblätter beim Offshorepark Kaskasi, Copyright: RWE/Siemens Gamesa

EEHH: Das Offshore-Windprojekt „Thor“ erhält also recyclebare Rotorblätter und GreenerTower. Welche Technologien stecken dahinter und welches Ziel verfolgt RWE damit?

Michel: Im Bereich Offshore-Wind gehört RWE zur Weltspitze. Als Teil der Gesellschaft und als weltweit agierender Offshore-Akteur sind wir uns aber auch der Verantwortung bewusst, die damit einhergeht: Etwa beim Schutz der Meeresumwelt während des Baus und Betriebs unserer Anlagen, oder auch der Wiederverwendung von Materialien und Ressourcen am Ende der Betriebsdauer sowie der Vermeidung von Abfällen. Auch hier ist unser Anspruch, Vorreiter zu sein.

Bereits heute haben Offshore-Windkraftanlagen eine der besten CO2-Bilanzen unter den Stromerzeugungstechnologien. Allerdings ist die Produktion der Türme für etwa ein Drittel aller lebenszyklusweiten CO2-Emissionen von Windkraftanlagen verantwortlich. Die Verwendung von umweltfreundlicherem Stahl ist also ein wichtiger Schritt hin zu einer noch nachhaltigeren Stromerzeugung aus Windenergie. Deshalb freuen wir uns, dass RWE als erstes Unternehmen weltweit die GreenerTower von Siemens Gamesa einsetzt. Die Stahlbleche dieser Türme sind aus umweltfreundlicherem Stahl gefertigt, der im Vergleich zu herkömmlichem Stahl rund 63 Prozent weniger CO2-Emissionen verursacht. Um die Stahlproduktion zu dekarbonisieren, wird Ökostrom eingesetzt und Stahlschrott anstelle von Eisenerz verwendet.

Für viele Komponenten einer Windturbine existieren bereits etablierte Recyclingverfahren. Die in den Rotorblättern verwendeten Materialien waren allerdings bisher schwieriger zu recyceln. Dank eines neuartigen Harzes mit einer speziellen chemischen Struktur können die in den recyclebaren Rotorblättern von Siemens Gamesa eingesetzten Materialien nun wieder voneinander getrennt werden. Dies geschieht in einem Prozess, der die Eigenschaften der einzelnen Materialien schützt und ihre Wiederverwendung ermöglicht, zum Beispiel in der Automobilindustrie oder in Konsumgütern. In unserem deutschen Offshore-Windpark Kaskasi haben wir die weltweit ersten vollständig recycelbaren Rotorblätter bereits im Einsatz und werden sie nicht nur bei Thor sondern auch bei Sofia, unserem Offshore-Projekt vor der britischen Küste, installieren.

Wiederverwendbare Fundament-Abdeckungen, Copyright: RWE

EEHH: Gibt es weitere innovative Ansätze, die im Rahmen von Thor berücksichtig werden, um diesen Windpark noch nachhaltiger umzusetzen?

Michel: Wir wollen mit unseren Offshore-Projekten zur Nachhaltigkeit beitragen – und zwar nicht nur durch die Erzeugung von Strom. So nutzen wir bei Thor neben den recyclebaren Rotorblättern und GreenerTowern beispielsweise wiederverwendbare Fundament-Abdeckungen in der Bauphase. So reduzieren wir Abfälle und steigern die Recyclingfähigkeit.

Die Abdeckungen dienen als vorübergehende, aber unverzichtbare Lösung zum Schutz vor Meerwasser, Regen und Vogelkot, bis die Türme der Windturbinen auf den Monopile-Fundamenten installiert sind. Normalerweise werden die Abdeckungen nach Gebrauch entsorgt, da sie für ein bestimmtes Offshore-Projekt maßgeschneidert sind. Die Abdeckungen der niederländischen Firma Circular Covers B.V., die wir bei Thor einsetzen, sind aus glasfaserverstärkten Verbundplatten gefertigt, die mit einem Stahlrahmen verschraubt sind. Dieses Design erlaubt es, die Platten für verschiedene Monopile-Größen anzupassen und wiederzuverwenden. Darüber hinaus kann der Stahl am Ende seiner Lebensdauer recycelt werden.

EEHH: Plant RWE die wiederverwendbaren Fundament-Abdeckungen auch in zukünftige Offshore-Windprojekte einzusetzen?

Michel: Die einzelnen Verbundplatten der Abdeckungen können rund 15 Jahre oder gegebenenfalls sogar länger halten, je nachdem, wie oft der Durchmesser angepasst werden muss. Die 72 Abdeckungen für Thor wurden bereits in einem Offshore-Windpark vor der niederländischen Küste installiert. RWE ist das erste Unternehmen weltweit, das diese Abdeckungen wiederverwendet. Und da wir auch künftig Ressourcen schonen und Abfälle vermeiden wollen, streben wir an diese Abdeckungen auch bei weiteren Offshore-Projekten von RWE einzusetzen.

EEHH: Qualitative Kriterien sollen anstatt oder in Ergänzung zum reinen Preiskriterium bei der Flächenvergabe für Offshore-Windparks eine größere Relevanz bekommen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein und worin sehen Sie Herausforderungen?

Michel: Als RWE unterstützen wir den Net-Zero Industry Act der EU, der den Aufbau belastbarer und nachhaltiger Lieferketten für die europäische Energiewende sowie die Anwendung von qualitativen Kriterien in zukünftigen Erneuerbaren-Auktionen vorsieht. Allerdings muss die Energieversorgung erschwinglich und sicher bleiben. Auch der Offshore-Ausbau darf nicht ausgebremst werden. Bei der Einführung qualitativer Kriterien sollte deshalb die Kosteneffizienz sowie benötigte Flexibilität bei der Beschaffung von Komponenten berücksichtigt und der bürokratische Aufwand auf ein Minimum reduziert werden. Auch ist es wichtig zusätzliche Kosten, die durch die Einführung von qualitativen Kriterien entstehen können, zu kompensieren – zweiseitige Differenzverträge, sogenannte Contracts for Difference (CfDs), und ausreichend hohe Gebotsobergrenzen können dabei helfen.

Im Interview

Dr. Thomas Michel, Chief Operating Officer (COO), RWE Offshore Wind GmbH

- 1999-2008 Promotion (Dr. Ing.) in Elektrotechnik, Technische Universität Berlin, Vordiplom in Wirtschftsingenieurwesen, Technische Universität Darmstadt, Diplom in Wirtschftsingenieurwesen, Technische Universität Dresden

- 2009-2023 verschiedene (Leitungs-)Funktionen bei Vattenfall, E.ON und RWE im Bereich Offshore-Wind

- Seit 09.2023, COO bei RWE Offshore Wind

Über Jingkai Shi

Profilbild zu: Jingkai Shi

Hamburg ist die Modellregion der Energiewende und deutsche Windhauptstadt mit Verbindungen in die ganze Welt. Die lokale Erneuerbare Energien-Branche ist damit ein zentraler Partner für die internationale Energiewirtschaft. Als Ansprechpartner für internationale Kooperation im Bereich Erneuerbare Energien betreue ich die Beziehung des EEHH-Clusters zu internationalen Branchenetzwerken, unterstütze die EEHH-Mitglieder bei ihren Auslandsaktivitäten und trage mit Social-Media-Aktivitäten zu einer stärkeren Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Hamburg auf der Weltbühne bei.

von Jingkai Shi