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Wie Abwärmenutzung von Rechenzentren funktionieren kann
Über kaum ein anderes Thema wird mittlerweile so viel gesprochen, wie das Wachstum der Digitalwirtschaft.
Und mit diesem kommt zunehmend die Realisierung, dass dazu auch eine digitale - physische - Infrastruktur gehört - Rechenzentren, Glasfasernetze und IT-Equipment, die wiederum große Mengen Energie verbrauchen. Aus dieser Infrastruktur kommt Abwärme, auch ein Thema, was mittlerweile selbst im Europäischen Parlament angekommen ist. Denn Computer-Chips sind Wärmewandler - aus Strom wird Wärme und das mit einer Effizienz von 98% bei einer Temperatur von bis zu 95C auf dem Chip unter Volllast.
Das Thema Abwärme aus Rechenzentren ist seit einigen Jahren in der Diskussion. Amsterdam zwingt neu geplante Rechenzentren, diese "abwärmefähig” zu machen, Frankfurt bindet Rechenzentren in die Stadtplanung mit ein. Aber bis auf Einzelfälle warten wir weiterhin auf eine großflächige Nutzung der Abwärme aus Rechenzentren. Die Gründe dafür lassen sich auf drei Schwerpunkte reduzieren: Temperatur, Vertragslaufzeit und Bindung. Ganz einfach gesagt: Ein Rechenzentrum will nicht dafür verantwortlich sein, für fünf bis 15 Jahre zuverlässig Wärme zu liefern und zusätzlich in eine Infrastruktur investieren, um die Temperatur zu erhöhen. Was fehlt, ist ein einfaches Geschäftsmodell und eine klare Schnittstelle zwischen dem Rechenzentrum als Abwärme-Erzeuger und potenziellen Abnehmern. Genau hier setzt die SDIA-Arbeitsgruppe zur Abwärmenutzung an.
Die Schnittstelle und das Preismodell für die Abwärme
Ein Rechenzentrum will sich nicht binden und ein Wärmeabnehmer braucht einen planbaren Zeithorizont für die Wärme. Ein Rechenzentrum will nicht in eine Infrastruktur investieren, um die Wärme zu speichern oder aufzuwerten, weil es nicht wirtschaftlich ist. Denn im Moment wird die Wärme z.B. in Amsterdam und Frankfurt einfach verschenkt. Beide Herausforderungen deuten auf dieselbe Problematik hin: Unwissenheit, Kommunikation und Wirtschaftlichkeit.
Denn: Wärme hat einen Wert, und für eine zuverlässige Wärmequelle sind viele Wärmenetze auch bereit zu bezahlen. Durch den Umsatz aus der Wärme lassen sich effektiv die Stromkosten reduzieren, gerade bei den zukünftig immer höheren Strompreisen in Deutschland, eine attraktive Opportunität, um die Attraktivität für die Kunden der Rechenzentren zusteigen und sich zu differenzieren.
Um die Kommunikation zwischen potenziellen Wärmeabnehmern und dem Rechenzentrum zu verbessern, sowie gleichzeitig ein wirtschaftliches Geschäftsmodell zu entwickeln. Die SDIA hat eine Kostentabelle für Rechenzentren entwickelt, die Kommunikation der Wärmeerzeugungskosten transparent macht und es potenziellen Abnehmern ermöglicht, die Wärme in die eigene Planung zu integrieren.
Mithilfe dieser Tabelle kann ein Rechenzentrum die Erzeugungskosten für Wärme auf verschiedenen Temperaturniveaus, mit unterschiedlichen Vertragslaufzeiten und mit garantierte Verfügbarkeiten darstellen. Gekoppelt mit einem Referenzmodell für die Kalkulation der Erzeugungskosten, welches für die verschiedenen Gegebenheiten des Rechenzentrums parametrisiert werden kann, kann jedes Rechenzentrum seine Wärme dem Markt verfügbar machen - wirtschaftlich, nachhaltig und planbar.
Wärmeabnehmer bekommen durch die Kostentabelle eine klare und zuverlässige Kalkulationsbasis und können damit eine Integration der Abwärme wirtschaftlich abwiegen und z.B. den Ausbau eines Wärmenetzes oder die Ansiedlung von koppelbaren Sektoren rechtfertigen. Unsere Kostentabelle wird damit zum Kommunikationswerkzeug für die Sektorenkopplung zwischen Rechenzentrum und dem Wärmesektor, welches die Einbindung der Abwärme möglich macht.
Eine Referenzarchitektur für die Auskopplung der Wärme
Um die Kosten kalkulieren zu können, ist es sinnvoll Standardszenarien für die Auskopplung der Wärme zu definieren und auf dieser Basis einige Referenzarchitekturen zu definieren, z.B. mit einer Wärmepumpe, Speichersystem oder Flüssigkühlung. Viele Rechenzentren verfügen bereits über eine ähnliche Infrastruktur und können diese Referenzmodelle mit einfacher Parametrisierung für sich anpassen.
Hierfür zieht die SDIA bestehende standardisierte Lösungen für Rohrsysteme, Wärmepumpen und Speichersysteme heran, unteranderem von unseren Mitgliedern und definiert einige einfache Modelle, die für verschiedene Größen- und Altersklassen von Rechenzentren angewandt werden können. Auf Basis dieser Referenzarchitekturen, lassen sich auch die entsprechenden Erzeugungskosten für die Abwärme errechnen.
Die Referenzarchitekturen, die von der SDIA und Ihren Mitgliedern entwickelt werden, sind lizenzfrei (“Open source”) verfügbar und jeder kann sich in Ihrer Entwicklung über die Steuerungsgruppen einbringen um z.B. neue Technologien, Produkte oder Lösungen einzubringen.
Regulierung, die Transparenz schafft und Sektorenkopplung fördert
Ein weiterer wichtiger Baustein ist eine sinnvolle Regulierung von Rechenzentren. Im Green Deal der EU wurde bereits das Ziel definiert, das bis 2030 alle Rechenzentren klimaneutral sein müssen. Eine erste konkrete regulatorische Implementierung findet sich in der Überarbeitung der Energieeffizienz-Direktive (EED) der EU, die in 2022 finalisiert wird. Hier wird die Abwärmenutzung konkret eingefordert, zusammen mit erhöhter Transparenz von Rechenzentren hinsichtlich der Umweltwirkung.
Anstatt jedoch konkrete Technologien und Herangehensweisen bei der Abwärmenutzung zu fordern, wie es in der aktuellen EED der Fall ist, muss der Fokus darauf liegen die Wärmeerzeugungskosten transparent zu machen. Dies stellt sicher, dass die Integration der Abwärme auch ökonomisch sinnvoll ist und nicht zu unnötigen Investitionen auf Kosten der Gesellschaft kommt. Die Kostentabelle der SDIA bietet dafür einen ersten Ansatz, der auch in der deutschen Implementierung der EED bereits als Vorschlag eingebracht wurde. Auf EU-Ebene hat die SDIA gemeinsam mit dem Verband EPEE, welcher Klimasystem- und Wärmepumpenhersteller vertritt und Mitgliedern des Europaparlaments bereits mögliche Verbesserung an der EED diskutiert.
Zusammenfassung
Die Abwärme von Rechenzentren bleibt weiterhin eine attraktive Wärmequelle für Wärmenetze und Sektorenkopplung. Um die Abwärme besser nutzbar zu machen, hat die SDIA mit Ihren Mitgliedern eine Kostentabelle entwickelt, welche die Wärmeerzeugungskosten von Rechenzentren transparent darstellt und die Integration fördert.
Gastautor: Max Schulze, SDIA