Details

Weniger ist nicht immer mehr - Zur Umsetzung der RED III im Bereich Offshore-Wind

Gastbeitrag von: Marieke Lüdecke, Partnerin bei Chatham Partners, und Celia Renz, Counsel bei Chatham Partners.

Am 4. Dezember 2025 hat der Bundestag den Gesetzentwurf „zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze“ (BT-Drs. 21/1491, 21/2075, 21/2146) in der vom Ausschuss für Wirtschaft und Energie geänderten Fassung (BT-Drs. 21/3078) angenommen. Mit dem Gesetz werden die Bestimmungen der sog. RED III in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze in nationales Recht umgesetzt – trotz Kritik aus der Branche. Ziel der beschlossenen Änderungen ist u.a. durch die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren den Ausbau der Offshore-Windenergie zu steigern. Ob dies tatsächlich gelingt, ist jedoch zweifelhaft.

RED III: Boost für Erneuerbare durch beschleunigte Genehmigungsverfahren

Als Teil des Europäischen Green Deal hat sich die EU das verbindliche Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Als Zwischenziel sollen die CO2-Emissionen in der EU bis 2030 um mind. 55%, bis 2040 um mind. 85% reduziert werden.

Die RED III sieht zu diesem Zweck vor, dass der Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch der EU bis zum Jahr 2030 auf mindestens 42,5% gesteigert werden muss. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden die Mitgliedstaaten u.a. zu Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren verpflichtet.

Die RED III trat im November 2023 in Kraft. Ihre Bestimmungen waren von den Mitgliedstaaten grundsätzlich innerhalb von 18 Monaten umzusetzen; spätestens seit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission im September 2024 stand der deutsche Gesetzgeber also unter Zugzwang.  

Änderung des WindSeeG: Schlanker, schneller, besser?

Mit dem „Gesetz zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze“ hat der Bundestag nun die (überfällige) Umsetzung der Bestimmungen der RED III für die Bereiche Offshore-Wind und Stromnetze beschlossen. Das Gesetz sieht neben Anpassungen des EnWG und des NABEG insbesondere Änderungen des WindSeeG vor.

Kern der Umsetzung der RED III im WindSeeG ist die Einführung der Kategorie der „Beschleunigungsflächen“. Zwar war schon zuvor eine Vielzahl von Flächen zu Beschleunigungsflächen erklärt worden (vgl. § 8a WindSeeG); bislang waren an diese Einordnung jedoch keine Rechtsfolgen geknüpft. Eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren konnte deshalb nur über § 72a WindSeeG erreicht werden, jedoch beschränkt auf Zulassungsanträge, die bis zum 30. Juni 2025 gestellt wurden.  

Mit dem geänderten WindSeeG werden die Rechtsfolgen der Einordnung einer Fläche als Beschleunigungsfläche nun geregelt und weitere Regelungen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren eingeführt:

·       Windenergieanlagen auf Beschleunigungsflächen werden künftig nicht mehr im Planfeststellungs-, sondern im schlankeren Plangenehmigungsverfahren zugelassen.

·       Die in der Praxis übliche Vollständigkeitsbestätigung wurde gesetzlich verankert. Im Plangenehmigungsverfahren ist die Vollständigkeit innerhalb von 30 Tagen, im Planfeststellungsverfahren innerhalb von 45 Tagen nach Eingang des Antrags zu bestätigen.

·       Die Verlängerung der Entscheidungsfrist ist nur noch „in durch außergewöhnliche Umstände hinreichend begründeten Fällen“ zulässig.

·       Für Windenenergieanlagen auf Beschleunigungsflächen wurde das umweltrechtliche Prüfprogramm beschränkt. An die Stelle der UVP, FFH-Verträglichkeitsprüfung und artenschutzrechtlichen Prüfung treten ein beschränktes Überprüfungsverfahren („Screening“) und ggf. weitere Anordnungen zum Umweltschutz.

Das Gesetz zur Umsetzung der RED III tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft – voraussichtlich Anfang 2026. Eine Übergangsregelung für bezuschlagte Vorhaben, für die ein Zulassungsantrag bereits vorbereitet oder sogar gestellt wurde, sieht das Gesetz nicht vor.

Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Änderung des WindSeeG geht an Bedürfnissen der Vorhabenträger und Marktrealität vorbei

Was vom EU- und vom deutschen Gesetzgeber sicher gut gemeint war, geht an den Bedürfnissen der Vorhabenträger und an der Marktrealität weitgehend vorbei. Es ist deshalb mehr als zweifelhaft, ob mit der Umsetzung der RED III – wie vom Gesetzgeber beabsichtigt – tatsächlich ein beschleunigter, rechtssicherer und robuster Ausbau der Windenergie auf See erreicht wird.

Offshore Wind-Projekte stehen aktuell vor großen Herausforderungen: (Teils erhebliche) Verzögerungen bei der Fertigstellung von Netzanbindungen, Engpässe in den Lieferketten, hohe Finanzierungskosten und schwierige Strompreisprognosen.

Bei den nun beschlossenen Änderungen im WindSeeG ist zweifelhaft, ob sie zu spürbarer Stabilisierung und Entlastung für die Vorhabenträger beitragen und für die dringend benötigte Investitionssicherheit sorgen. Im Gegenteil:

Obwohl zwischen Inkrafttreten der RED III und Umsetzung in nationales Recht mehr als zwei Jahre lagen, also ausreichend Zeit, um rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen, besteht hinsichtlich Auslegung und Anwendung des geänderten WindSeeG an vielen Stellen Klarstellungsbedarf. Der Klarstellungsbedarf betrifft unter anderem die Auswirkungen der neuen Regelungen auf den ersten Realisierungsmeilenstein (z.B.: Frist zur Einreichung der Genehmigungsunterlagen für Vorhaben auf nicht zentral voruntersuchten Beschleunigungsflächen) das Verhältnis zum besonderen Artenschutzrecht und den Umgang mit freiwillig eingereichten Umweltunterlagen.

Die Anwendung des schlankeren Plangenehmigungsverfahrens und der Wegfall der UVP bei der Genehmigung von Windparks auf Beschleunigungsflächen birgt weitere rechtliche Unsicherheiten. Denn mangels Öffentlichkeitsbeteiligung wird das Risiko von Einwendungen schlichtweg „nach hinten“ – auf die Ebene des nachgelagerten Rechtsschutzes – verlagert. Investitionen sind damit bis zur Bestandskraft der Plangenehmigung einem erhöhten Risiko von Klagen und den damit verbundenen (langjährigen) Verfahren ausgesetzt. Die angestrebte Verfahrensbeschleunigung könnte so ins Gegenteil verkehrt werden.

Let’s make the most of it: Gestaltungs- und Verfahrensspielräume nutzen

Für Vorhabenträger, aber auch das BSH geht es deshalb darum, das Beste aus dem neuen WindSeeG zu machen – und die vorhanden Gestaltungs- und Verfahrensspielräume sinnvoll und im Interesse eines effizienten Ausbaus der Offshore-Windenergie zu nutzen.

Vorhabenträger können insbesondere von der (nicht ausdrücklich geregelten, aber in der Gesetzesbegründung angelegten) Möglichkeit Gebrauch machen, freiwillig Umweltunterlagen einzureichen. Als „vorhandene Daten“ dürften diese im Rahmen des Screenings vom BSH zu prüfen sein, Teil der Plangenehmigung werden und von der Bestandskraft der Zulassungsentscheidung umfasst sein.

Das BSH sollte – wo immer die Umstände der Projektentwicklung dies erfordern – sein Ermessen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Plangenehmigungsverfahrens nutzen. Denkbar wäre es unter anderem, auch im Plangenehmigungsverfahren eine (ggf. beschränkte) Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.  

Und einen Lichtblick enthält das geänderte WindSeeG schließlich doch: So wurde der fünfte Realisierungsmeilenstein (Nachweis der technischen Betriebsbereitschaft von 95 % der Windenergieanlagen) kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens um sechs Monate nach hinten verschoben. Angesichts der Dimensionen der aktuell in Entwicklung befindlichen Windparks im Gigawatt-Bereich war diese Anpassung dringend erforderlich.

Nach der Änderung ist vor der Änderung: Konsultation für nächste WindSeeG-Novelle läuft

Die nächste Novelle des WindSeeG ist bereits auf dem Weg. Die entsprechende Stakeholder-Konsultation des BMWE läuft noch bis zum 23. Dezember 2025. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Warnungen aus der Branche dieses Mal hört – und alle Möglichkeiten ausschöpft, um den Rechtsrahmen für die Entwicklung von Offshore-Windprojekten rechtssicher und entsprechend den aktuellen Marktrealitäten zu gestalten. Das wäre mit Blick auf die ersten Nullrunden bei den Ausschreibungen unter dem aktuellen Regime nicht nur wünschenswert, sondern für das von RED III verfolgte Ziel des Ausbaus der Erneuerbaren auch erforderlich.  

 

 

 

von EEHH Gastautor