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Wasserstoffmobilität made in Hamburg Brennstoffzellensystemfertigung bei STILL

Der Hamburger Intralogistikanbieter STILL hat Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb in sein Portfolio aufgenommen. Welche Vorteile dies bietet und wie das Unternehmen auf den Wasserstoff kam, erklärt Fachpressesprecherin Jacqueline Poppe im Interview.

Wasserstoffmobilität made in Hamburg
Dr. Florian Heydenreich, Executive Vice President Sales & Service STILL EMEA, in der neuen Fertigungslinie für Brennstoffzellensysteme im Hamburger STILL Werk. Foto: STILL GmbH

Der Einsatz von Brennstoffzellen ist in der Intralogistikbranche weniger verbreitet als batterieelektrische Antriebe. Welche Vorteile hat ein Lagertechnikgerät, das mit Wasserstoff betrieben wird?

Ein entscheidender Vorteil von Wasserstoff in der Intralogistik liegt in der kurzen Betankungszeit eines Wasserstofffahrzeugs. Während ein batterie-elektrisches Fahrzeug je nach Typ – Li-ion oder Blei-Säure – und Kapazität zwischen 1,5 und 3,0 Stunden bzw. sogar 6 bis 12 Stunden Ladezeit benötigt, kann ein wasserstoffbetriebenes Flurförderzeug in nur 60 Sekunden betankt werden. Das schafft Vorteile in der Prozesseffizienz und kann zudem Einsparungen in der Anzahl der benötigten Flurförderzeuge bedeuten. Ein zweiter Vorteil von Wasserstofffahrzeugen ist der Aspekt der Sicherheit. Mögliche Risiken im Handling des Energieträgers entfallen, da das Brennstoffzellensystem im Fahrzeug verbleibt und nicht – wie zum Beispiel eine Blei-Säure Batterie – gewechselt werden muss.

 

Welche Erfahrungen haben Sie in dieser strategischen Ausrichtung bestärkt?

Jede große Industrienation hat eine Wasserstoffstrategie und speziell in der EU gibt es eine klare Vorgabe, was das Thema Klimaneutralität bis 2050 angeht.

Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein grüner Energie der Zukunft. Dauerhaft speicherbar ohne Leistungsverlust, leicht zu transportieren und auf vielfältige Art herstellbar – das sind nur einige Gründe, warum Wasserstoff eine wertvolle Chance ist, Deutschland und Europa energetisch unabhängiger vom Weltmarkt zu machen. Seine Bedeutung wird in vielen Industrien in den kommenden Jahren weiterwachsen – dabei ist die Intralogistik allerdings im Vergleich zu anderen Branchen ein Kleinstabnehmer. Bevor Wasserstoff also in der Intralogistik einen relevanten energetischen Platz erhält, wird es schon in verschiedenen anderen Branchen relevant werden.

 

Bieten Sie den Kunden auch eine Belieferung mit Wasserstoff an? Wenn ja, wie wird dieser hergestellt?

Wir bieten unseren Kunden innovative Fahrzeuge mit Brennstoffzellensystemen an und beraten sie passgenau und ganzheitlich. Darüber hinaus vermitteln wir auf Wunsch kompetente Partner zur Umsetzung einer Wasserstoff-Infrastruktur. Wir empfehlen jedoch ausschließlich die Verwendung von grünem Wasserstoff – sonst wäre das Ziel „Klimaneutralität“ verfehlt.

 

Was führte Sie zu der Entscheidung, die Fertigung am Standort Hamburg aufzubauen?

Mit den Center of Competence Mechatronik an unserem Hamburger Standort verfügen wir bereits über ein Kompetenzzentrum für die Fertigung zahlreicher Komponenten, die wir für unser Brennstoffzellensystem benötigen, zum Beispiel Wechselrichter und Platinen – und das in höchster Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen. Entsprechend lag es für uns nah, auch die Fertigung der Systeme inklusive des komplexen Prüfverfahrens am Hamburger Standort umzusetzen.

Dazu kommt, dass wir in der Ansiedelung eines so zukunfts- und innovationsrelevanten Themas wie der Wasserstofftechnologie in Hamburg eine attraktive Stärkung unseres hiesigen Produktionsstandorts sehen.

 

Was waren die größten Herausforderungen bei der Konzeption bzw. Umsetzung?  

Seit mehr als 100 Jahren gehören elektrische Antriebssysteme zu den Kernkompetenzen von STILL. In ihrer Auslegung abgestimmt auf die jeweilige Fahrzeugarchitektur – sind wir Profis. Und so konnten wir auf unzählige Einsatzprofile zurückgreifen und diese auswerten, um die optimale Betriebsstrategie für unsere Brennstoffzellensysteme festzulegen. Neu war die Abstimmung zwischen Brennstoffzellen-Stack, Batterie und Fahrzeug, sprich die elektrische Auslegung der Komponenten, um einen optimalen Betriebspunkt zu finden. Ein Brennstoffzellensystem ist letztendlich ein Hybridsystem: Der Stack produziert Energie und liefert diese an die Batterie, die Batterie versorgt das Fahrzeug. Die Kunst ist es, den Betriebspunkt so zu wählen, dass einerseits das Fahrzeug immer genug Energie bekommt, andererseits die Batterie in einem optimalen State-of-Charge Bereich gehalten wird (für eine lange Lebensdauer) und gleichzeitig der Stack in kontrollierten, ausreichend langen Phasen anspringt, um Energie zu liefern. Ein hektisches An und Aus würde zu einer schnellen Stack-Alterung führen.

 

Welche Abschnitte umfasst die Fertigungsanlage für 24-Volt-Brennstoffzellensysteme?

In unserer Fertigungslinie erfolgt zunächst die Montage des Wasserstofftanks und der Gegengewichte. In einem zweiten Schritt wird der Stack eingebaut und die Elektronik angeschlossen. Dann folgt die Verbindung der Außenelemente und die vollständige Prüfung des Systems im Prüfstand. Dies umfasst auch das Flashen der Betriebssoftware.

 

Sehen Sie für den Bereich Wasserstoff besondere lokale Standortvorteile, die über Ihr Unternehmen hinausgehen?

Hamburg als Innovationsstadt ist ein attraktiver Standort für Zukunftsthemen wie der Wasserstofftechnologie. Es bedeutet nämlich auch, dass hier sowohl benötigte Zuliefererfirmen als auch andere Experten angesiedelt sind – und das kann durchaus ein Standortvorteil sein. In unserem Fall war dies jedoch nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, unsere Brennstoffzellensystemfertigung in Hamburg aufzubauen.

Im Interview

Jacqueline Poppe ist Pressereferentin und Fachpressesprecherin und verantwortet den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei STILL seit 2011.

Zu ihren Aufgaben gehören die Koordination der internationalen Fachpressearbeit, die Organisation von Presseevents sowie das Handling des täglichen PR-Business.

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