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Wassersparen und Wasserstoff Interview mit Stephan Jakobs, OSMO Membrane Systems GmbH
Elektrolyse benötigt viel Energie und viel Wasser. Doch viele Regionen in Deutschland leiden bereits heute unter Wasserstress. Welche weiteren Wasserquellen es gibt und wie Elektrolysebetreiber dabei noch Betriebskosten sparen können, erklärt Stephan Jakobs im Interview.

Herr Jakobs, Sie sind Experte für Wasseraufbereitung. Können Sie kurz sich und Ihr Unternehmen vorstellen?
Die OSMO Membrane Systems GmbH ist Lieferant für Wasseraufbereitungsanlagen mit über 40 Jahren Erfahrung. OSMO Membrane Systems GmbH, ein hochspezialisiertes Unternehmen der GAW Gruppe, entwickelt und realisiert industrielle Filtrations- und Membrantrennverfahren für anspruchsvolle, kundenindividuelle Separationsaufgaben. Dabei umfassen die Verfahren von OSMO Membrane Systems GmbH eine Vielzahl von Prozessen zur Behandlung von Wasser und Prozessflüssigkeiten. Die Verfahrensentwicklung der OSMO Membrane Systems GmbH führt in vier einfachen Schritten zur leistungsfähigen Separationstechnologie. Vom Verfahrens- und Membranscreening im hauseigenen Labor über die industrielle Pilotierung im Teilstrom bis hin zur großtechnischen Anlage sowie deren Optimierung und Instandhaltung. Dabei bedient das 1980 gegründete Unternehmen in den Industriesegmenten Pulp & Paper, Chemicals & Polymers, Power & Water, Surface & Coating, Metals & Recycling, Biotech, Cosmetic & Sugar eine Vielzahl an Applikationen. Wichtig ist uns dabei, CAPEX und OPEX für unsere individuellen Kunden zu optimieren.

Beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wird sehr viel über den Einsatz (grüner) Energie, aber wenig über Wasser gesprochen. Welche Risiken sehen Sie dabei?
Das Thema wird tatsächlich kaum besprochen. Wenn ich mir die Ausschreibungen für große Elektrolyseprojekte anschaue, beabsichtigen diese oft Trinkwassernutzung. Das ist wenig nachhaltig und teuer für die Unternehmen, trotzdem wird wenig nach Alternativen geschaut.
Es ist ein beklagenswert, dass vor allem bei großen Projekten wenig alternative Wasserquellen wie Flüsse, Brunnen, Meer und gereinigte Abwässer berücksichtigt werden.
Ich finde, man muss sich fragen: Wie grün ist Wasserstoff, wenn zwar Strom aus regenerativen Energien, aber wertvolles Trinkwasser genutzt werden soll? Man muss zudem genau schauen, wofür das Wasser benötigt wird, und unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Wasserverbrauch und Wassergebrauch. Beim Verbrauch wird das Wasser dem lokalen Kreislauf entzogen. Beim Gebrauch wird das Wasser kontrolliert dem lokalen Kreislauf wieder zugeführt. Für die Kühlung, aber auch für die Elektrolyse selbst, kann Gebrauchswasser oft einfacher und günstiger aus Flüssen entnommen werden. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch, denn Wasserstoff muss günstig produziert und angeboten werden, sonst findet er keinen Abnehmer.
Können Sie uns eine Beispielrechnung zeigen?
Pro Kilogramm produziertem Wasserstoff benötigt man ungefähr die zehnfache Menge an hochreinem Wasser, also ca. 10 l. Hinzu kommt noch der Bedarf für die Kühlung, das sind nochmal ca. 9 l.
Bleiben wir zunächst beim Trinkwasser: Als H2-Hersteller zahlen Sie nicht nur die Wasserentnahme, sondern auch für die Entsorgung des Abwassers. Das fällt bei der Elektrolyse ebenfalls in nicht geringem Maße an, da immer etwas Wasser aus dem Elektrolyseur zurückfließt, teilweise belastet mit Schwermetallen aus den Stacks. Sie zahlen regional unterschiedlich, aber sagen wir im Schnitt für das Trinkwasser 2,35 €/m3 und nochmal 2,85 €/m3 für die Abwasserentsorgung. Aber auch Trinkwasser muss hochrein aufbereitet werden, um den Elektrolyseur nicht zu schädigen.
Flusswasser können Sie – wo verfügbar – zu den reinen Förderkosten für wenige Cent/m3 entnehmen und je nach den örtlichen Gegebenheiten teilweise ohne Entsorgungskosten zurückleiten. Hier ist wohlgemerkt eine Einzelfallbetrachtung notwendig, eine Garantie gibt es nicht. Grundsätzlich gilt: Eine Wasserentnahme aus einem Oberflächengewässer oder aus dem Grundwasser zum Zwecke der Wasserstofferzeugung ist ebenso erlaubnispflichtig gemäß Wasserhaushaltsgesetz wie die Einleitung des genutzten Wassers. Im Rahmen der Erteilung einer solchen wasserrechtlichen Erlaubnis werden die Auswirkungen der Wasserentnahme und der Einleitung des genutzten Wassers umfassend geprüft, um sicherzustellen, dass es zu keinen nachteiligen Gewässerveränderungen kommt. Hierbei sind insbesondere die Anforderungen der Oberflächengewässerverordnung und die Vereinbarkeit mit den Bewirtschaftungszielen gemäß der Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten. Des Weiteren sind die Anforderungen des Natur- und Artenschutzes zu erfüllen. In den vergangenen Jahren haben wir bereits viele Anlagen mit unseren Kunden realisiert, welche Flusswasser anstelle von Brunnen- oder Trinkwasser nutzen. Ein wesentlicher Vorteil unserer Aufbereitungstechnik ist, dass wir fast chemikalienfrei arbeiten, so dass die entstehenden Abwässer minimale, teilweise keine Umweltauswirkungen haben.
Der initiale Invest ist aufgrund der aufwendigeren Aufbereitung zunächst höher, da man ja die Prozessschritte eines Trinkwasserwerks vorschalten muss, Sie haben aber höchstens die Hälfte der Betriebskosten im Vergleich zum Trinkwasser.
Ungeachtet dessen, wo Sie Wasser entnehmen, sollten Wassersparstufen verwendet werden. Damit können Sie Ausbeuten von 90-95 Prozent statt normalerweise 60-70 Prozent erreichen. Wasser zu sparen ist immer kostenreduzierend und nachhaltiger.
Wie erklären Sie sich, dass das Wasserthema oft vernachlässigt wird?
Viele Projektbeteiligte sind nicht so tief in dem neuen Thema drin. Auch wird die Wasserplanung oft an den lokalen Wasserversorger ausgelagert, statt sich ein eigenes Konzept zu überlegen oder dieses auszuschreiben. Mein Appell insbesondere an Regionen, die bereits heute mit Wasserstress kämpfen, ist dass diese insbesondere auf andere Quellen gucken sollten, wie beispielsweise auch Abwässer von Kläranlagen.
Können Sie den Wasserrücklauf bei der Elektrolyse genauer erklären?
Eine hundertprozentige Trennung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff funktioniert technisch nicht, übriges Wasser sammelt sich bei jedem Elektrolyseur an. Der Rücklauf ist abhängig vom verwendeten Elektrolyseurtyp und den Produktionsbedingungen, daher kann ich Ihnen dazu keine genauen Angaben über dien Mengen und die Zusammensetzung machen. Was ich aber sagen kann, ist, dass diverse Institute aktuell dazu forschen, was genau in den Abwässern angereichert ist – wahrscheinlich sind Schwermetallabtrag und Transformationsprodukte. Bei der alkalischen Elektrolyse dürfte es etwas vielschichtiger sein durch den hohen pH-Wert. Auch die Größenordnung ist noch unklar. Die Entsorgung ist jedenfalls auch eine Kostenfrage für die Projekte. Demnach sehen wir als Wasseraufbereiter ein Anwendungsfeld in der Behandlung und „Unschädlichmachung“ dieser Abwässer, jedoch ist dies schwer zum jetzigen Zeitpunkt zu definieren. Die aktuelle rechtliche Regelung für bereits laufende Projekte sieht vor, dass diese ihre Abwässer ins kommunale Abwassernetz entsorgen oder die Schadstoffe lokale Vorbehandlung neutralisieren.
Im Rekordsommer 2022 hatten wir ein bundesweites Wasserproblem – Flüsse fielen trocken, Wälder und Felder verdorrten. Haben wir derzeit noch ein Wasserproblem und wird es durch die Wasserstoffwirtschaft verschärft?
Selbst bei einer Umsetzung aller aktuell angekündigter Elektrolyseprojekte wird die Vor-Ort-Produktion maximal 30 Prozent des inländischen Bedarfes abdecken. Dies verbraucht kein Wasser in einer Größenordnung, dass dies eine allgemeine Verschärfung für die Wassersituation in Deutschland zur Folge hätte – insgesamt ist es ein geringer Prozentsatz des inländischen Gesamtjahresverbrauchs. Laut Statistischem Bundesamt stehen in Deutschland pro Jahr 176 Mrd. m3 Wasser zur Verfügung. Genutzt wurden von der deutschen Wirtschaft im Jahr 2022 12,75 Mrd. m3. Bei 10 GW Elektrolyseleistung würde der für die Wasserstofferzeugung anfallende Wasserverbrauch den gesamten Wasserverbrauch in Deutschland nur um rund ein Drittel Prozent der jetzt genutzten Menge ansteigen lassen.
In bereits trockenen Regionen kann es aber zu Problemen führen. Dort wird der Wasserstress um ein Vielfaches höher, wenn mehrere hundert Kubikmeter am Tag entnommen werden.
Mit welchen Verbräuchen ist regional zu rechnen?
Schauen wir uns ein Großprojekt wie den 100 MW-Elektrolyseur des Hamburg Green Hydrogen Hub an – der wird den Wasserverbrauch einer Kleinstadt haben. Ich schätze, dass der dortige PEM-Elektrolyseur unter Volllast 19 m3 pro Stunde benötigt, also für die Elektrolyse plus Kühlung, um damit 1,9 Tonnen Wasserstoff pro Stunde herzustellen. Bei der Aufbereitung der 19 m³ Prozesswasser aus Süßwasser – in diesem Fall aus der Elbe – werden zusätzliche 5 m³ Wasser pro Stunde für die Prozesswasseraufbereitung benötigt. Dieses zusätzliche Wasser nimmt die Reststoffe auf, die dem Prozesswasser entzogen wurden; es wird kontrolliert in den lokalen Wasserkreislauf zurückgeführt. In diesem Projekt wird die Wasseraufbereitungsanlage aus dem alten Kohlekraftwerk Moorburg genutzt, das ist ein richtiger Schritt in Hamburg.
Bei der Kühlung gibt es unterschiedliche Varianten, je nachdem ob beispielsweise die Wärme ausgekoppelt und weiterverwendet wird. Die Initiative GetH2 hat hierzu ein gutes Factsheet Wasserhaushalt Elektrolyse erstellt.
Wie steht die Wasserstoffproduktion in Bezug auf den Wasserverbrauch im Vergleich zu anderen Sektoren wie der Förderung und Aufbereitung von konventionellen Energieträgern da?
Schauen wir uns vergleichsweise die Prozesskette der Kohleverstromung an, ist der Verbrauch dort deutlich höher. Alleine für die Kühlung von Kraftwerken werden gigantische Mengen benötigt. Allerdings nutzt kein Kraftwerk dafür Trinkwasser, warum sollte man es also für die Wasserstoffproduktion tun?
Wie können wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit bei der Wasserplanung Hand in Hand gehen?
Sie muss optimiert sein auf die lokal vorhandenen Ressourcen. Es gibt keine Art von Wasser, dass nicht für die Elektrolyse aufbereitet werden kann. Die Technologien sind erprobt und auch für andere Branchen im Einsatz, wie etwa in der Medizintechnik oder der Halbleiterproduktion.
Kleine Anlagen unter 100 MW werden oft mit einer klassischen Konfiguration geplant, die sehr teuer ist. Es macht beispielsweise einen großen Kostenunterschied, ob die Enthärtung vor oder nach der Umkehrosmose geplant wird. Mit dem nötigen Know-How, wie die Anlage konzipiert wird, sind große Kostenersparnisse möglich.
Können wir in Anbetracht all dessen guten Gewissens landesweit Großprojekte umsetzen?
Wir brauchen in Deutschland mittelfristig eine Wasserstoffwirtschaft, das ist wichtig für die Dekarbonisierung und die Industrie. Die Nachfrage nach „grünem“ Stahl wird voraussichtlich in Zukunft steigen.
Beim Wasser müssen wir die Mengen für Verbrauch und Gebrauch berücksichtigen und soviel wie möglich in die lokalen Kreisläufe rückführen.