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Was wir aus der Energiekrise über die CO2-Bepreisung für Wärme und Verkehr lernen können Inside Energiewende – Der (un)aufgeregte Realtalk

Wie funktioniert die CO2-Bepreisung, wie entfaltet sie die größte Lenkungswirkung für die Dekarbonisierung und welche Risiken gehen damit einher?

Was wir aus der Energiekrise über die CO2-Bepreisung für Wärme und Verkehr lernen können

Im politischen Berlin führt man gerne Grundsatzdebatten über den richtigen Weg in der Energiewende. Neben hitzigen Diskussionen zur Technologieoffenheit, die im Dezember Thema dieser Reihe waren, stellt sich natürlich die Frage, welche Instrumente die richtigen Investitionsanreize schaffen können, damit eine schnelle Defossilierung aller Sektoren möglich wird. Die CO2-Bepreisung ist in den meisten Argumentationen ein zentrales Element, das Marktakteuren gleichzeitig größtmöglichen Spielraum bei der Umsetzung der Energiewende lässt. Sie wird deshalb auch gerne rhetorisch als Gegenspieler anderer politischer Handlungsoptionen in Stellung gebracht, die diesen Spielraum einschränken könnten. Gegenwärtig erleben wir diese Diskussion bei der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes und der Frage, ob der Einbau neuer Erdgas- und Ölheizungen ab 2024 noch zulässig sein soll.

Die Idee, dass hohe CO2-Preise fossile Technologien zunehmend verteuern und auf diese Weise nachhaltige Investitionen anreizen, ist naheliegend und zunächst einmal richtig. In der Praxis ist die Gemengelage jedoch komplexer. Die Energiekrise sowie die im Dezember 2022 beschlossene Reform des europäischen Emissionshandels ermöglichen Rückschlüsse auf die zukünftige Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass Deutschland nationale und europäische Verpflichtungen zu Emissionsminderungen eingegangen ist.

Bestandsaufnahme

In Deutschland gibt es seit 2021 mit dem nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz einen CO2-Preis für Gebäude- und Verkehrssektor, der gegenwärtig bei 25 Euro pro Tonne liegt. Bis 2025 soll dieser Preis schrittweise jährlich ansteigen und sich ab 2026 in einem Korridor von 55 bis 65 Euro pro Tonne bewegen. Danach dürfte er im europäischen Emissionshandel ETS-2 aufgehen. Auf die Einführung des ETS-2 einigten sich EU-Parlament und Mitgliedsstaaten im Dezember und führen auf diese Weise einen europaweiten Emissionshandel für Gebäude- und Verkehrssektor ein, der ab 2027 startet. Dazu später mehr.

Welches Preisniveau benötigt die Energiewende?

Wird auf flankierende politische Maßnahmen, wie Förderprogramme, EE-Vorgaben oder Brennstoffquoten, weitestgehend verzichtet, ist der Anspruch an die CO2-Bepreisung, die Kostendifferenz zwischen den oftmals günstigeren fossilen und erneuerbaren Technologien umzukehren. Dabei ist nicht nur das Verhältnis der Betriebskosten maßgebend, es sind darüber hinaus Lock-In Effekte zu berücksichtigen. Die Mehrheit der Öl- und Gasheizungen sind deutlich älter als 20 Jahre. Die 653.000 Gasheizungen, die beispielsweise in 2021 verbaut wurden, haben also gute Aussichten jenseits von 2045 noch technisch betriebsfähig zu sein. Der CO2-Preis müsste daher den Austausch der Heizungstechnik oder den des Brennstoffes vor 2045 anreizen und dementsprechend hoch sein.

Das Umweltbundesamt sieht durchaus beachtliche Emissionsreduktionspotenziale, wenn der Preis in Richtung 2030 auf 125-180 Euro pro Tonne ansteigt. Eine Studie des ARIADNE Projekts rechnet für die Klimaneutralität mit langfristig notwendigen Preisen von 275 bis 355 Euro pro Tonne.

Werden wir solche Preise sehen?

Dass wir solche Preise in naher Zukunft erleben werden, ist jedoch extrem unwahrscheinlich. Der ETS-2 wird sie jedenfalls nicht bringen, da die EU die Situation in allen Mitgliedsstaaten berücksichtigen muss. Um soziale Verwerfungen zu vermeiden, wird bereits ab einem Preis von 45 Euro pro Tonne mit preisstabilisierenden Maßnahmen begonnen, d. h. weitere Zertifikate in den Markt gebracht. Genau hier liegt ein zentrales Problem der CO2-Bepreisung: Unabhängig davon, ob sie als Handelssystem mit Mengenbegrenzung oder als Steuer umgesetzt wird, müssen politische Akteure bereit sein, hohe Preise – wie in den Studien veranschlagt – und die damit verbundenen Belastungen durchzusetzen. Dass die Versuchung groß ist, in die Bepreisung einzugreifen, hat die Bundesregierung gezeigt, indem sie die Anhebung für 2023 mit Verweis auf die Belastungen der Energiekrise ausgesetzt hat. Anreize für politisches Eingreifen und nachträgliche Anpassungen an der Bepreisung werden dauerhaft gegeben sein. Die Argumente dafür können stichhaltig und nachvollziehbar oder populistischer Natur sein. Letztere sind wahrscheinlicher, da es für langsame Preisentwicklungen, die sich sukzessive über mehrere Jahrzehnte aufbauen, zu spät ist.

Somit ist auch die Planbarkeit dieser Preisentwicklungen begrenzt. Studien zur Lenkungswirkung unterstellen einen kontinuierlichen Anstieg der CO2-Preise und daraus resultierend, kontinuierlich steigende fossile Energiepreise. In der Tendenz ist das richtig, denn die Verknappung der Zertifikate wird den Preis verteuern. Auf dem Weg dahin werden wir jedoch Schwankungen sehen, sowohl bei den CO2-Preisen als auch bei fossilen Energiepreisen, wie im letzten Jahr. Diese können beispielsweise dazu führen, dass die Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung von sinkenden Öl- oder Gaspreisen kompensiert wird. Im entgegengesetzten Fall, den wir derzeit erleben, ist der Wärmemarkt zu träge, um adäquat auf die gestiegenen Preise zu reagieren. Die Lenkungswirkung ist folglich begrenzt und es kommt primär zu finanziellen Belastungen für Verbraucher/innen. Die bereits erwähnte ARIADNE Studie stellt analog dazu auch fest, dass ein rapider Anstieg des CO2-Preises bis 2025 mehr Belastung als Lenkungswirkung darstellt.

Bei der Bewertung von Lenkungswirkungen ist stets zu beachten, dass weitere Aspekte wie die Informationslage der jeweiligen Verbraucher/innen oder ideologische Präferenzen einen Einfluss auf Investitionsentscheidungen darstellen. Im Gebäude- und Verkehrssektor dürfte dieser Aspekt stärker ausgeprägt sein als bei größeren Unternehmen. Hinzu kommt, dass finanzielle Mehrbelastungen beispielsweise beim Benzinpreis nicht notwendigerweise eine Lenkungswirkung im Mobilitätsverhalten entfalten. Viele Menschen haben in der jetzigen Krise Energie gespart, die Mehrbelastung aber auch über die Reduktion anderer Ausgaben bei Lebensmitteln, Restaurantbesuchen oder Kulturveranstaltungen kompensiert. Ähnliche Ausweichbewegungen sind auch mit hohen CO2-Preisen zu erwarten und dämpfen den emissionsmindernden Effekt[OS1] [SB2] .

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass eine sozialverträglichere Ausgestaltung über pauschale Rückzahlungen an Verbraucher/innen immer möglich ist. An dieser Stelle tut sich im Moment allerdings wenig, denn die bisherigen Einnahmen, die in den Klima- und Transformationsfond fließen sind bereits verplant, u. a. für die Übernahme der EEG-Umlage aus dem Staatshaushalt.

Was bedeutet das für die Klimaziele 2030?

Deutschland hat sich auf verschiedenen Wegen, sei es über die EU oder nationale Gesetze wie das Klimaschutzgesetz, dazu verpflichtet, seine Emissionen zu reduzieren und den Anteil der Erneuerbaren Energien in allen Sektoren signifikant zu steigern. Während die Ziele jeweils mit konkreten Zahlen benannt sind, dreht sich die öffentliche Diskussion oftmals um rein qualitative Handlungsoptionen, ohne dass daraus resultierende Emissionsminderungswirkungen quantitativ untermauert werden. Bei der CO2-Bepreisung ist die Lage in Richtung 2030 eindeutig: Sie wird eine Lenkungswirkung für klimafreundliches Heizen und Mobilität entfalten, diese haben die o.g. Studien nachgewiesen. Er kann aber lediglich ein Baustein zum Erreichen der Klimaziele sein, der durch andere Maßnahmen flankiert werden muss, sei es soziale Ausgleichsmechanismen, Förderinstrumente oder eben auch ordnungsrechtliche Vorgaben. Die CO2-Bepreisung als reiner Ersatz staatlichen Handelns sollte, im Hinblick auf die existierenden Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden quantifizierbaren Emissionsminderungen, kritisch hinterfragt werden.

Über Steffen Bechtel

Profilbild zu: Steffen Bechtel

Im Cluster EEHH bin ich seit Februar 2022 für die Themenbereiche Sektorenkopplung und erneuerbare Wärme zuständig. Ich bin Ingenieur mit dem Schwerpunkt Energietechnik und arbeite mit großer Freude daran, die Energiewende in Hamburg voranzubringen.

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