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„Vervielfachung von Offshore-Wind-Projekten in deutscher Nord- und Ostsee“ Interview mit Claas Hülsen, DNV GL, zum Potenzial von Wasserstoff und Offshore

Im Vorfeld der geplanten Offshore-Webseminar-Reihe "New Legal and Technological Trends in the European Offshore Wind Industry" gab uns Claas Hülsen, Business Development Director Advisory - Region CEMED DNV GL, ein Interview zu den deutschen Offshore-Perspektiven.

„Vervielfachung von Offshore-Wind-Projekten in deutscher Nord- und Ostsee“
Andrea Damm / Pixelio

EEHH: „Wie schätzen Sie das Potenzial der Wasserstoffproduktion in Offshore-Parks in der Nord- und Ostsee ein?

Claas Hülsen: „Ab 2025 sind in der Nord- und Ostsee allein aus Deutschland 800 MW pro Jahr im Ausschreibungsverfahren geplant. Auch in den Anrainerstaaten, zum Beispiel in Polen und den Niederlanden gibt es ähnlich umfangreiche Ausbaupläne. Wir werden also eine Vervielfachung von Offshore Wind Projekten in der Nord- und Ostsee in der Zukunft sehen. Gleichzeitig werden in Europa immer größere Mengen an konventionellen Kraftwerken aus dem Markt gehen, so dass der Anteil der Erneuerbaren Energien sich in den kommenden zwei Dekaden auf Europa bezogen kontinuierlich erhöhen wird. Die die notwendigen Bedingungen für mehr Projekte und höheren Ausbauzahlen sind also vorhanden der Engpass ist derzeit eher das Netz und der Zulieferer-Markt.

Die große Frage, die sich aber stellt, ist wie neben dem Stromsektor auch die anderen Sektoren und dabei insbesondere der Verkehrssektor dekarbonisert werden können. Gerade durch Offshore-Windprojekte erzeugter Wasserstoff kann dabei eine Brücke in der Systemintegration bieten und wird aus unserer Sicht eine tragende Rolle spielen, um die sektorübergreifende Dekarbonisierung weiter voranzutreiben.

Die Entwicklung dahin ist aber stark abhängig von politischen und regulatorischen Entscheidungen – z.B. der Abgabenthematik und der Raumordnung sowie insbesondere auch von den Kostenentwicklungen im Bereich der Wasserstoffelektrolyse. Letztere hängt von der Nachfrage nach entsprechender Infrastruktur ab.

Der wichtigste Vorteil einer Anwendung von Elektrolyseuren in Offshore-Windparks ist die relativ hohe Anzahl von Volllaststunden für die Elektrolyse. Dieser Aspekt allein reicht aber nicht als Treiber. Weitere Faktoren, die bei der Beurteilung des Potentials der Kombination aus Offshore-Wind und Wasserstoff berücksichtigt werden müssen, sind die folgenden:

Bedeutsam ist der Standort des Elektrolyseurs und die damit mögliche Transportlogistik für den Wasserstoff. Hierbei spielen der Standort des Parks, ggf. in der nähe gelegene Pipelines sowie auch die Vermarktungsoptionen des Wasserstoffs eine zentrale Rolle. Eine Betrachtung wird insofern immer projektindividuell durchzuführen sein. Insbesondere solange es keinen wirklichen volatilen Markt für grünen Wasserstoff gibt muss zudem die Absatzseite integriert betrachtet werden.

Unsere Modelle zur Analyse derartiger Optionen zeigen jedoch, dass sofern sich die Kapitalkosten der Wasserstofferzeugung durch Skaleneffekte weiter nach unten bewegen und bei zunehmender Einspeisung aus Erneuerbaren Energien und damit einhergehenden sich seitwärts entwickelnden Strommarktpreisen über eine Wasserstofferzeugung projektindividuell durchaus höhere Erträge erzielt werden können, als bei einer ausschließlichen Stromvermarktung.“

EEHH: „Wie beurteilen Sie in der Hinsicht das novellierte Windenergie-auf-See-Gesetz?

Claas Hülsen: „Zunächst sind die höheren Ausbauziele auch für die Wasserstoffthematik wichtig, da die benannten Skaleneffekte nur dann zum Tragen kommen, wenn auch genug Leistung installiert wird. Hier halten wir das Gesetz für eine deutliche Verbesserung mit der Benennung der Ziele 20GW für 2030 und 40 GW für 2040. Noch mehr Ambition wäre aber für ein Upscaling dennoch wünschenswert.

In Kombination mit der nationalen Wasserstoffstrategie, die insbesondere auch die Absatzmärkte anreizen wird, besteht aber ein deutliches Potential, dass der Wasserstofferzeugung in Offshore -Projekten Vortrieb geben wird.“

EEHH: „Erläutere bitte einige Beispiele für aktuelle Projekte, die Offshore-Wind mit Wasserstoffproduktion verbinden?“

Claas Hülsen: „Gerade in den letzten Monaten gab es viel Bewegung in dem Thema - insbesondere aus den Niederlanden u.a. mit den Projekten NorthH2 und HyNetherlands und mit dem Projekt Gigastack in UK sowie auch in Deutschland mit dem Projekt Westküste 100.

Allen diesen Projekten gemeinsam ist der Anspruch, bis Mitte dieser Dekade größere Elektrolyseleistung aus einem Offshore-Windpark zu speisen. Die in den Projekten geplanten Kapazitäten gehen dabei deutlich über die derzeit typischen Elektrolyseurgrößen hinaus – die Projekte sind also technisch sehr anspruchsvoll.

Die meisten der aktuell in der Diskussion befindlichen Projekte setzen auf dezidierte in einem Konsortium bereits definierte Anwendungen für den Wasserstoff und schließen so die Lücke zu dem derzeit noch fehlenden Absatzmarkt für grünen Wasserstoff. Daher bilden Partnerschaften zwischen den Parkbetreibern und potenziellen Abnehmern wie der Chemieindustrie aber auch Flughäfen die Basis dieser Projekte. Vielfach versprechen sich Entwickler und Finanzierer insbesondere einen zweiten Absatzmarkt, der mit einem möglichen Overplanting (Überbauen der Fläche mit mehr als der Netzkapazität) kombiniert wird.

Insbesondere die Niederlande gehen hierbei voran, was nicht zuletzt mit dem Auslaufen der Gasförderung sowie auch der Notwendigkeit, die Dekarbonisierung stärker als in der Vergangenheit voranzutreiben, zu tun hat. Unter der Mitwirkung von u.a. Gasunie, Shell und Engie, um einige Namen zu nennen, und auch unter Beteiligung von Häfen wie Rotterdam und sind hier sehr starke Player an der Umsetzung beteiligt. Man kann sich nur wünschen, dass die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung auch einen derartigen Schub an Projekten in Deutschland gibt.“

www.dnvgl.de

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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