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Smart Metering made in Germany: Zwischen Vorreiterrolle und Aufholbedarf Rückblick Treffpunkt Erneuerbare Energien Juni 2025
Am 11.06. fand der 38.te Treffpunkt Erneuerbare Energien (kurz TEE), ausgerichtet vom Cluster Erneuerbare Energien im Hotel Hafen Hamburg zum Thema „Smart Meter“, statt. Zwei Impulsvorträge und eine lebhafte Podiumsdiskussion beleuchteten Best Practices im Smart Meter Rollout, die damit verbundenen Herausforderungen sowie die Zukunftsaussichten für ein smartifiziertes Energienetz.

Der Ausbau Erneuerbarer Energien wie Solar und Windkraft schreitet weiter voran, doch die Flexibilisierung des Stromverbrauchs kommt nicht hinterher, dementsprechend günstig lässt sich phasenweise Strom an den Börsen einkaufen, wenn Sonne und Wind „zu viel“ Energie liefern. Um diese günstigen Phasen optimal zu nutzen, ist eine zeitgenaue Verbrauchstransparenz jedoch unerlässlich – hier kommen Smart Meter ins Spiel. Welche Auswirkungen Smart Meter auf den Strommarkt und auf Verbraucher haben, wie Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland beim Ausbau abschneidet und was notwendig ist für einen schnellen Markthochlauf waren die zentralen Fragen beim TEE.
Smart Metering ist nicht nur für Abnehmer wichtig
Georg Baumgardt von Meterpan – ein Zusammenschluss der IVU Informationssysteme GmbH, Stadtwerke Norderstedt, Deutsche Netz Marketing GmbH und Deutsche Zählergesellschaft Oranienburg mbH – sprach in seinem Vortrag zu „Lessons Learned“ beim Smart Meter Ausbau ein zentrales Problem offen an: Smart Metering sei seit 2010 ein aktuelles Thema, bei dem seither aber wenig passiert sei. Dies veranschaulichte er sehr plakativ anhand einer Google Trends Analyse, die seit ihrem Höhepunkt in Suchanfragen zwischen 2010-2014 kontinuierlich abflachte. Entgegen dem abnehmenden Suchvolumen seien Smart Meter, bzw. Smart Meter Gateways (ein Modul am Stromzähler, das Verbrauchsdaten sicher an Netzbetreiber übermittelt) heute relevanter denn je.
Denn: Je höher der Anteil Erneuerbarer Energien im Netz, desto dynamischer ist die Preisfindung des deutschen Strommarktes. Daher seien Smart Meter neben den Abnehmern auch für Stromnetzbetreiber und weitere Akteure wie Lieferanten unerlässlich, um die nötige Transparenz für Verbräuche und prognostizierte Netzauslastung zu schaffen.
Ein schneller Smart Meter Ausbau sei daher integral, um dynamische Strompreise flächendeckend zu ermöglichen und Herausforderungen, wie unterschiedliche Netzauslastung zu meistern.
„Die Technik ist da, die Prozesse sind es nicht.“
Anhand von drei Projekten im Raum Norderstedt untersuchten Baumgardt und sein Team zusammen mit den Stadtwerken Norderstedt, wie Kunden auf dynamische Strompreise reagieren, welche Herausforderungen nach dem Einbau bestehen und welche gesetzlichen Hürden es zu überwinden gilt. Norderstedt hatte in diesem Fall gleich mehrere Standortvorteile für den Smart Meter Ausbau: Glasfaserausbau mit einer eigenen Faser nur für das Smart Meter, hohe Energieproduktion in Norddeutschland, gute Netzkapazitäten und ein frühzeitiger Smart Meter Gateway-Ausbau. Das Projekt zeigte, dass Kunden auf dynamische Preise anschlagen, auch wenn günstige Preise nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stünden. Eine eigens entwickelte App, die aktuelle Strompreise transparent macht, war der entscheidende Faktor, um Kunden für eine selektive und netzdienliche Stromnutzung z. B. beim Laden des E-Autos oder Einschalten der Wärmepumpe zu motivieren. Leider fehle es vielen Verbrauchern noch an technischem Verständnis, wodurch Potenziale unausgeschöpft blieben. Hinzu käme, dass, um den gesetzlichen Vorgaben und hohen Sicherheitsstandards zu entsprechen, ein intensiver Austausch zwischen verschiedenen Firmen notwendig sei, was den Prozess verlangsame.
In einem aktuellen Projekt wird derzeit das Szenario untersucht, wie Netzbetreiber bei Stromengpässen die Zulieferung drosseln können. Eine Möglichkeit, die nur dann Anwendung finden kann, wenn flächendeckend Smart Meter Gateways verbaut sind.
Letztendlich war Georg Baumgardt überzeugt, dass Hands on die bloße Theorie schlage und es viel Mut von Netzbetreibern brauche, um den notwenigen Markthochlauf zu schaffen, denn die Technik sei da, die Prozesse seien es aber noch nicht.
"Wir sind blind!"
André Hansen, Abteilungsleiter Beschaffung & Lieferantenmanagement bei E.ON Grid Solutions GmbH, betonte im zweiten Impulsvortrag der Veranstaltung die Notwendigkeit der „Smartifizierung“ der Netze, um Flexibilitäten zu steuern.
Große Mengen an erneuerbarer Energie würden in die Netze gespeist, jedoch seien Netzbetreiber größtenteils blind. Die notwendige Transparenz könne nur über eine schnelle Smartifizierung der Netze erreicht werden, denn nur so können Netzbetreiber Engpässe oder Überproduktion frühzeitig absehen und Maßnahmen einleiten. Die derzeit hohe Nachfrage nach Batterien helfe dabei flexibler zu werden, müsse aber zusammen mit Netzausbau und Smartifizierung gedacht werden.
„Smart Meter hat einige Rückschläge erhalten und kann sich keine weiteren leisten. Wir müssen ins Tun kommen.“, erklärte Hansen. Es gebe zwar einen guten Grund für den schleppenden Ausbau – die gesetzlich vorgeschriebenen erhöhten Sicherheitsanforderungen im Vergleich zum europäischen Ausland – doch der Ausbau müsse in den kommenden Jahren deutlich beschleunigt werden. Die Vorgabe des Gesetzgebers, dass ein Einbau von Smart Meter Gateways bei Neuanlagen verpflichtend sei, helfe bei der Skalierung.
Bedarfsorientierter Netzausbau dank Smartifizierung
Anhand von zwei Reallaboren in Lüneburg (75.000 Einwohner) und Arnsberg Sundern (100.000 Einwohner) hat Eon den Ausbau von Smart Metern getestet. „Das ist alles weit weg von Plug & Play“, betonte Hansen. Die Projekte zeigten die Komplexität des Netzes, dessen Spannungshaltung wichtig sei. Hierfür müssen sowohl Spitzenlastphasen als auch Phasen mit geringem Strombedarf, bspw. sonnige Feiertage gemanagt werden. Die Prognoseentwicklung habe sich geändert, das Standardlastprofil sei nicht mehr zeitgemäß, sondern wird zunehmend von dynamischen Verbrauchsmustern abgelöst. Daher sei die Smartifzierung auch sinnvoll, um Lücken im n Netzausbau zu identifizieren und den bedarfsorientierten Netzausbau weiter voranzutreiben.

Ganz Europa schaut nach Deutschland
Das anschließende Panel mit den Referenten, ergänzt um Denise Duday (Stadtwerke Geestacht GmbH) und Holger Graetz (Sagemcom Dr. Neuhaus GmbH), verglich den fortgeschritteneren Smart Meter Ausbau in anderen europäischen Ländern mit dem deutschen Ansatz.
Holger Graetz führte aus, dass ganz Europa nach Deutschland schaue unter dem Aspekt der Sicherheit und sich frage, ob man eine vergleichbare Sicherheit schaffen könne ohne die (deutsche) Komplexität.
Alle Panelisten waren sich einig: In anderen Ländern sei der Smart Meter Roll-out deutlich weiter vorangeschritten, wodurch eine höhere Verbrauchstransparenz vorhanden sei, allerdings sei die Sicherheit überschaubar und eine Steuerbarkeit nicht gegeben. Da die Steuerfähigkeit in Deutschland beim Einbau mitbedacht werden muss, sei die Bundesrepublik hier führend und könne perspektivisch relevante Verbraucher bei sich anbahnender Überlastung des Stromnetzes dimmen.
Auch im Bereich der Cybersecurity bei Smart Metern nehme Deutschland innerhalb Europas eine Vorreiterrolle ein. Das Smart Meter Gateway sei die derzeit sicherste Lösung, um aktuelle Verbraucherdaten an die Netzbetreiber zu übermitteln. Allerdings basiere diese Sicherheit im Deutschen Modell auf der Hardware. Das heißt, sobald die Sicherheitsinfrastruktur der deutschen Smart Meter einmal geknackt wird, müssten alle Smart Meter gleichzeitig ausgetauscht werden, um die Cybersecurity wieder herzustellen, ein „einfaches“ Softwareupdate sei nicht möglich. Dennoch bewerten die Diskussionsteilnehmer die deutschen Smart Meter als sehr sicher, vielmehr müsse man sich um die Sicherheit im Zusammenspiel mit den Verbrauchern im Eigenheim sorgen, bspw. der Wärmepumpe oder Wallbox. Hacker suchten sich immer den leichtesten Weg, deshalb sei es umso wichtiger, sichere Passwörter zu wählen. Aus Sicherheitsgründen könnten sich Turnaround-Zeiten, also Intervalle für den Hardwareaustausch, perspektivisch auf sechs bis acht Jahre zu verringern.
Blackout war gestern: Smart Meter in der Praxis angekommen
„Ist das so wie im Buch Blackout“, hätten anfänglich einige Verbraucher in Geestacht gefragt, als die ersten Smart Meter verbaut wurden. Im Jahr 2021 habe es eine große Unsicherheit in der Branche gegeben und viel Skepsis bei den Kunden, erklärte Denise Duday. Mittlerweile sei aber ein geändertes Verhalten zu beobachten: Dynamische Tarife fänden mehr Zulauf und die Use-Cases Wallbox und Wärmepumpen seien entscheidende Hebel für die Kundenakzeptanz, da diese Anwendungen das größte Einsparpotenzial durch dynamische Tarife böten. „Mittlerweile gibt es den Drang von Kunden einen Smart Meter zu bekommen“, berichtete Denise Duday aus Geestacht.
Dies bestätigten die anderen Podiumsteilnehmer und wagten einen optimistischen Blick in die Zukunft. In zehn Jahren sei ein Großteil der deutschen Haushalte mit einem Smart Meter und einer smarten Steuerungseinheit ausgestattet, ältere Geräte würden nachgerüstet werden.
Damit dieses Szenario 2035 eintrete, seien effiziente Gesamtstrukturen notwendig. Die Hoffnung liege auf einer Harmonie zwischen Markt und Netz.
Jan Rispens, Geschäftsführer EEHH, der die Diskussion leitete, resümierte: „Wir stehen an der Schwelle eine großen und sicheren Smartmeterausbaus in Deutschland.“
Neumitgliedervorstellung und Netzwerken
Im Anschluss an die fachliche Diskussion hatten die Neumitglieder Admi Kommunal GmbH, FiberCheck GmbH und die KODIAK GmbH die Chance sich auf der Bühne dem Plenum vorzustellen. Das nachgelagerte offene Buffet inklusive Drinks lud zum Diskurs und Netzwerken ein.
Der TEE zeigte: Für die erfolgreiche Energiewende braucht es mehr als nur Technik – es braucht Hands-on Mentalität, Zusammenarbeit und Kundennähe.