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PVT-Anlagen: Nachhaltige Wärmeversorgung für die Stadt Die dezentrale Lösung für Hamburgs Energiewende

Wie können wir nachhaltig und dezentral unseren Gebäudebestand erwärmen?

In Innenstädten stehen wir vor besonderen Herausforderungen: Es fehlt der Platz für Außengeräte von Luftwärmepumpen oder Erdkollektoren, Tiefenbohrungen sind vielerorts nicht erlaubt, und die Fernwärme lässt auf sich warten – wenn sie überhaupt kommt. Gleichzeitig wollen wir weg von Gas und Öl, und die Dachflächen werden dringend für nachhaltige Stromerzeugung benötigt.

Hier können PVT-Module – Kombimodule für Photovoltaik-Strom und Solarthermie-Wärme – die Lösung sein. Sie vereinen beide Funktionen auf einer Fläche und arbeiten perfekt mit Erdwärmepumpen zusammen. Bei der PVI GmbH haben wir diese Technologie bereits in mehreren Hamburger Projekten erfolgreich umgesetzt. Aber was genau ist eigentlich PVT, wie funktioniert es, und warum ist es eine so interessante Lösung für die Stadt?

Was sind PVT-Anlagen und wie funktionieren sie?

PVT steht für Photovoltaik-Thermie. Diese Hybridkollektoren erzeugen zwei Energieformen gleichzeitig: Die Oberseite besteht aus herkömmlichen Photovoltaikzellen, die Sonnenlicht in Strom umwandeln. Direkt darunter befindet sich ein thermischer Kollektor mit einem Leitungssystem, durch das eine Wärmeträgerflüssigkeit, „Solarflüssigkeit“, zirkuliert.

Die Solarflüssigkeit (meist ein Wasser-Glykol-Gemisch) durchströmt die PVT-Module auf dem Dach und nimmt dabei zwei Arten von Wärme auf: die direkte Sonnenwärme sowie die Abwärme der Photovoltaikzellen. Diese erwärmte Flüssigkeit wird dann zur Erdwärmepumpe im Gebäude geleitet. Dort dient sie als Niedertemperatur-Wärmequelle für den Verdampfer – ähnlich wie bei einer klassischen Erdsondenanlage, nur dass die Wärmequelle vom Dach kommt.

Die Temperaturdifferenz zwischen der vom Dach kommenden erwärmten Solarflüssigkeit (typischerweise 5 bis 15 Grad Celsius) und der aus der Wärmepumpe zurückfließenden gekühlten Solarflüssigkeit ermöglicht einen kontinuierlichen Wärmefluss. Die Erdwärmepumpe hebt diese Niedertemperaturwärme dann auf das für Heizung und Warmwasser benötigte Niveau von 35 bis 55 Grad Celsius.

Ein Hamburger Mehrfamilienhaus mit drei Parteien in Eppendorf zeigt die Praxis: Die Familien hatte zuvor eine 20 Jahre alte Gasheizung. Auf dem ca. 90 verfügbaren Quadratmeter auf dem Dach installierten wir 18 PVT-Module mit insgesamt 22 Kilowatt thermischer Leistung und 7,7 Kilowatt-Peak („kWp“) elektrischer Leistung (dazu weitere PV-Module für in Summe 11,5 kWp). Diese Module versorgen nun eine kompakte Erdwärmepumpe mit Wärme – völlig ohne Tiefenbohrung oder Erdkollektoren. Für die kalten Tage wurde die alte Gasheizung als Zusatzheizung erhalten.

Vorteile insbesondere für Innenstadtlagen

Geräuschlos – außen und innen
Luftwasserwärmepumpen benötigen große Ventilatoren, deren Betriebsgeräusche in dicht bebauten Stadtquartieren oft zu Konflikten führen. PVT-Module arbeitet völlig geräuschlos. Auch innen läuft der Kompressor einer Erdwärmepumpe deutlich ruhiger als bei einer Luftwasserwärmepumpe, denn die wärmere Solarflüssigkeit bedeutet weniger Arbeit für die Wärmepumpe.

Kein Platzbedarf im Garten oder Tiefenbohrung
Während Luftwärmepumpen Platz für sperrige Außengeräte und Erdkörbe viel Rasenfläche benötigen, was in Innenhöfen oder kleinen Gärten oft nicht gegeben ist, nutzen PVT-Systeme die ohnehin vorhandene Dachfläche. Auch sind keine Bohrungen erforderlich, die in Hamburg in vielen Gegenden nicht gestattet sind, z. B. aus Wasserschutzgründen.

Höhere Effizienz bedeutet weniger Stromverbrauch
Die Jahresarbeitszahl (JAZ) gibt an, wie viel Heizwärme aus einer Kilowattstunde Strom erzeugt wird. Die Kombination aus PVT und Erdwärmepumpe erreicht JAZ-Werte von 3,7 bis 4,2 – das bedeutet, aus einer Kilowattstunde Strom werden über vier Kilowattstunden Heizwärme. Wichtig: hier spreche ich von echten und nicht Laborwerten. Bei Luftwasserwärmepumpen liegt dieser Wert häufig um die 3. Konkret heißt das: Eine Erdwärmepumpe verbraucht etwa 30 Prozent weniger Strom für dieselbe Heizleistung.

PVT-Module liefern selbst bei Minusgraden nutzbare Wärme durch Kondensation von Luftfeuchtigkeit und Aufnahme von Umgebungswärme, die bei Sonneneinstrahlung durch Abwärme der Solarzellen zusätzlich erwärmt wird.

Erdwärmepumpen leben länger

Erdwärmepumpen haben eine typische Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren, während Luftwärmepumpen aufgrund der höheren mechanischen Belastung meist nur 15 Jahre erreichen – ein Unterschied von fünf Jahren aufwärts.

Mehr Strom durch Kühleffekt der PVT-Module
Ein zusätzlicher Vorteil der PVT-Technologie: Photovoltaikzellen verlieren bei steigenden Temperaturen an Leistung – etwa 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte pro Grad Celsius. An heißen Sommertagen erreichen herkömmliche PV-Module 60 bis 80 Grad Celsius und verlieren dabei bis zu 20 Prozent ihrer Nennleistung. PVT-Module bleiben durch die aktive Kühlung deutlich kälter, was den Stromertrag im Jahresmittel um 10 bis 15 Prozent steigert.

Fernwärme: Lange Wartezeiten und Monopolstrukturen
Hamburg plant den Ausbau klimaneutraler Fernwärme, doch nicht alle Quartiere werden erschlossen. Selbst in geplanten Gebieten wird der Ausbau noch Jahre dauern. Zudem bindet sich ein Fernwärmekunde langfristig an einen Monopolisten ohne Wechselmöglichkeit. Eine PVT-Anlage mit Wärmepumpe macht dagegen unabhängig.

Flächenkonkurrenz auf dem Dach gelöst
Sobald man sich für eine nachhaltige Energieversorgung entschieden hat, wird die Dachfläche zur knappen Ressource. PVT-Module lösen diese Konkurrenz elegant auf: Ein typisches PVT-Modul mit knapp 2 Quadratmetern liefert etwa 450 Watt elektrische und 1.200 Watt thermische Leistung – auf derselben Fläche.

Aber vor allem: Raus aus Gas und Öl
Fossile Heizungen haben keine Zukunft. Gaspreise bleiben volatil, und die CO2-Bepreisung steigt kontinuierlich. Die Familien in Eppendorf zahlten mit ihrer alten Gasheizung über 8.000 Euro jährlich. Mit der PVT-Anlage haben sich die Energiekosten etwa halbiert – eine Einsparung von 4.000 Euro jährlich.

Erweiterte Systeme
Die Grundlösung – PVT-Module als Wärmequelle für eine Erdwärmepumpe – funktioniert in vielen Fällen bereits autark. Für spezielle Anforderungen und große Vorhaben können ergänzende Komponenten sinnvoll sein:

Eisspeicher: Ein unterirdischer Wassertank dient als saisonaler Wärmespeicher. Im Winter kann die Wärmepumpe dem Wasser Wärme entziehen, bis es gefriert. Im Sommer regenerieren die PVT-Module den Speicher. Dies lohnt sich insbesondere für sehr große Vorhaben.

Erdkollektoren: Flächenkollektoren im Garten können die PVT-Module ergänzen, wenn ausreichend Grundstücksfläche vorhanden ist. Immer dann, wenn die Bagger eh anrücken, ist dies eine sinnvolle und im Betrieb kostengünstige Variante.

Betrieb und Wartung

PVT-Anlagen sind außerordentlich wartungsarm. Die Module selbst benötigen keine regelmäßige Reinigung – Regen übernimmt diese Aufgabe. Empfohlen wird lediglich:

  • Jährliche Sichtprüfung der Module und Leitungen
  • Kontrolle des Wärmeträgermediums und der Regelungstechnik alle zwei bis drei Jahre
  • Erdwärmepumpen: Funktionsprüfung alle vier Jahre

Kosten und Wirtschaftlichkeit

Pro Quadratmeter PVT-Kollektor kann man mit 350 bis 450 Euro rechnen. HIer liegt der eine große Nachteil: eine Außeneinheit einer Wärmepumpe ich günstiger zu haben als 10 PVT-Module. Eine typische Anlage für ein Einfamilienhaus mit 30 Quadratmetern PVT-Modulfläche und Erdwärmepumpe kostet komplett zwischen 30.000 und 60.000 Euro – nach Förderung in Hamburg bleiben 10.000 bis 40.000 Euro Eigenanteil. Die Amortisationszeit gegenüber einer Luft-Wasser-Wärmepumpe liegt bei 4 bis 7 Jahren, gegenüber einer Gasheizung bei 10 bis 15 Jahren, stark abhängig von der tatsächlichen Gaspreisentwicklung. Nach der Amortisation fallen minimale Betriebskosten an.

Die PVT-Anlage deckt dabei etwa 50 bis 60 Prozent des Strombedarfs der Wärmepumpe durch Solarstrom ab – mit einem zusätzlichen Batteriespeicher lässt sich dieser Anteil auf bis zu 70 Prozent steigern. Der selbst erzeugte Solarstrom kostet nur 8 bis 12 Cent pro Kilowattstunde statt 35 Cent aus dem Netz. Seit Januar 2023 entfällt zudem die Umsatzsteuer auf Lieferung und Installation, und Erträge aus Anlagen bis 30 Kilowatt-Peak sind einkommensteuerfrei. Davon profitiert auch der Anteil der PVT-Anlage, der mit der PV-Anlage eh fällig geworden wäre.

KfW-Förderung und nur in Hamburg: IFB-Förderung für nachhaltiges Heizen

Die Grundförderung der KfW beträgt 30 Prozent der förderfähigen Kosten von maximal 30.000 €. Wichtig: Von den Gesamtkosten werden pauschal 1.500 Euro pro Kilowatt-Peak installierter PV-Leistung abgezogen.

Darüber hinaus:

  • Geschwindigkeitsbonus: 20 Prozent beim Austausch einer fossilen Heizung (bis Ende 2028)
  • Einkommensbonus: 30 Prozent bei zu versteuerndem Haushaltseinkommen unter 40.000 Euro jährlich
  • Maximale Förderung: 21.000 Euro (70 % von 30.000 Euro Förderdeckel)
  • Alternativ in Hamburg IFB-Förderung: wenn auf weder Geschwindigkeits- noch Einkommensbonus Anspruch besteht: max. 9.000 € Zuschuss zusätzlich zu der KfW-Basisförderung

So sah es für das Eppendorfer Mehrfamilienhaus aus:

  • Gesamtkosten: 90.000 Euro
  • KfW: Grundförderung (30 %) auf 60.000 € (drei Wohneinheiten): 18.000 Euro
  • IFB-Förderung: 27.000 Euro
  • Eigenanteil: 45.000 Euro

Unser Projektablauf

  • Erstberatung und Planung (3 bis 6 Wochen)
  • Begehung vor Ort und Dachvermessung und Analyse des Wärme- und Strombedarfs
  • Dimensionierung der PVT-Module und Wärmepumpe sowie hydraulische Gesamtanlage
  • Fördermittelberatung und Wirtschaftlichkeitsberechnung

Installation (3 bis 5 Wochen)

  • Hydraulische Anbindung im Gebäude
  • Montage der PVT-Module auf dem Dach, Anbindung
  • Installation der Wärmepumpe und Pufferspeicher
  • Elektrische Anbindung und Netzanmeldung

Abnahme (1 bis 2 Wochen)

  • Endabnahme mit ausführlicher Einweisung
  • Dokumentation und Förderabwicklung
  • Der gesamte Prozess dauert typischerweise zwei bis vier Monate.

Der gesamte Prozess dauert typischerweise zwei bis vier Monate.

Fazit

PVT-Anlagen sind eine ausgereifte Lösung für die Wärmewende in Hamburgs Stadtquartieren. Sie lösen gleich mehrere Probleme auf einmal: den Platzmangel für Luftwärmepumpen-Außengeräte, die Unmöglichkeit von Tiefenbohrungen, die lange Wartezeit auf Fernwärme und die Flächenkonkurrenz auf dem Dach.

Die Technologie ist erprobt, die Förderung attraktiv, und unsere Projekterfahrungen zeigen: Es funktioniert zuverlässig. Hausbesitzer profitieren von niedrigen Betriebskosten, hoher Unabhängigkeit und steigenden Immobilienwerten. Gleichzeitig leisten sie einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Energiewende in Hamburg.

Wer heute eine alte Gas- oder Ölheizung ersetzen muss und nicht auf die Fernwärme warten möchte, sollte PVT-Anlagen ernsthaft prüfen. Die Investition ist höher als bei konventionellen Lösungen, doch die langfristigen Vorteile sprechen eine klare Sprache.

Über die Autorin

Helen Lemm Bannister ist Gründerin und Geschäftsführerin der PVI GmbH, einem Hamburger Fachbetrieb für Photovoltaik, PVT-Anlagen und Energieberatung für Wohn- und Nichtwohngebäude, siehe auch die Marke HLB-energiewerk.de. Das Unternehmen plant und realisiert seit mehreren Jahren erfolgreich PV-, PVT- und Ladeinfrastruktur-Projekte in Hamburg und Umgebung und berät zu nachhaltigem Bauen in Haus, Gewerbe und Quartier.

von EEHH Gastautor