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"Produktion von Wasserstoff in Offshore-Parks wird sich durchsetzen" Interview mit Dr. Ursula Prall

Im folgenden Interview gibt Expertin Dr. Ursula Prall, Partnerin bei BBH und Vorstandsvorsitzende Stiftung Offshore-Windenergie eine rechtliche Einschätzung des deutschen Offshore-Marktes.

Dr. Ursula Prall

EEHH: "Wo liegt das Limit für den deutschen Offshore-Ausbau in Nord- und Ostsee? Gibt es möglicherweise unterschiedliche Annahmen? Wenn ja, warum?"

Dr. Ursula Prall: "Der Entwurf einer Raumordnungskonzeption sieht im „Klimaschutzszenario“ 40 bis 50 GW in Nord- und Ostsee vor. Andere Studien kommen zu höheren Annahmen, es werden bis zu 70 GW genannt. Es ist eine Frage der Prioritäten, welcher Nutzung man wie viel Raum geben will – es müssen verschiedene Interessen in Ausgleich gebracht werden. Eine Priorisierung ist aber zulässig - und nach unserem Dafürhalten ist Klimaschutz so dringend, dass die Raumnutzung bei der Windenergie einen deutlichen Schwerpunkt setzen muss. Der Prozess, in dem die traditionellen Nutzungen sich an die Offshore-Windenergie „gewöhnen“, muss fortgesetzt werden und wird auch weiterhin veränderte Sichtweisen fordern.  

EEHH: "Sehen Sie eine realistische Chance, die Realisierungsdauer von Offshore-Parks in deutschen Gewässern unter Mithilfe zuständiger Behörden zu verkürzen?"

Dr. Ursula Prall: "Das WindSeeG enthält klare Schritte, die abgearbeitet werden müssen, sowohl durch Behörden als auch durch die Betreiber bzw. die Unternehmen, die bei der Ausschreibung einen Zuschlag erhalten haben. Für die Langwierigkeit des Prozesses – immerhin zehn Jahre vom „Strich auf der Karte“ bis zur Inbetriebnahme –  ist es nicht entscheidend, wer die einzelnen Handlungen vornimmt. Allerdings sollte angesichts dieser Dauer und angesichts der mittlerweile existierenden Erfahrungen und der angewachsenen Kenntnisse das gesamte Regelwerk (Gesetz, Verwaltungspraxis, Planungspraxis)  überprüft werden: Es sollten die „Zeitfresser“ identifiziert werden und dann evaluiert werden, ob Möglichkeiten der Straffung bestehen.

Allerdings muss man sich auch klarmachen: Wir verkraften gerade einen fundamentalen Systemwechsel. Sobald dieses System läuft und der Zeitversatz bewältigt ist, der durch die Umstellung bedingt ist, ist der Gesamtablauf pro Fläche immer noch zeitintensiv, doch wird dann ein jährlicher Zuwachs im vorgesehenen Umfang entstehen und gute Teile der vorbereitenden Planung werden für die Entwickler und Betreiber gar nicht mehr wirklich sichtbar und spürbar sein."

EEHH: "Worin sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Offshore-Windindustrie im Bereich Naturschutz in der Nord- und Ostsee?"

Dr. Ursula Prall: "Windenergienutzung und Naturschutz sind kein Gegensatz. Die Windenergie, als Instrument des Klimaschutzes, nützt dem Naturschutz, und der Naturschutz erleichtert durch funktionierende Ökosysteme den Klimaschutz. Durch konsequente Entwicklung und sodann Anwendung von Naturschutzstandards konnte in den letzten Jahren bei ganz wesentlichen Fragen, wie etwa dem Schallschutz, Naturverträglichkeit erreicht werden. Die Herausforderung entspricht derjenigen mit anderen Nutzungsinteressen: Wie kann ein angemessenes Gleichgewicht bei den Raumansprüchen erreicht werden? Wie können Raumwiderstände reduziert werden, wie eben durch Schallschutzmaßnahmen? Es ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll, bei einer solchen Frage nur zwei Nutzungen zu betrachten, sie subkutan gar als ein Gegeneinander in Stellung zu bringen. Es müssen alle miteinander in den Blick genommen  werden und es muss dort angesetzt werden, wo in einer solchen Gesamtschau die beste Kosten-Nutzen-Bilanz zu erwarten ist. Und das nicht nur im wirtschaftlichen Sinne, sondern bezüglich der Vereinbarkeit der Nutzungen."

EEHH: "Wird die Produktion von Wasserstoff in Offshore-Parks sich künftig durchsetzen oder eine Randerscheinung bleiben?"

Dr. Ursula Prall: "Derzeit ist die Produktion von Wasserstoff in Offshore-Windparks noch nicht einmal eine Randerscheinung – so wie Offshore-Windparks im Jahr 2000 nicht einmal eine Randerscheinung waren. Es gibt einen starken Bedarf nach neuartigen Energieträgern, die „grün“ sind, und Offshore-Windparks liefern grünen Strom. Dieser Bedarf wird daher auch unter Nutzung von Strom aus Offshore-Windparks gedeckt werden. Also ein ganz klares Ja, die Produktion von Wasserstoff in Offshore-Windparks oder mit Strom aus solchen Windparks wird sich durchsetzen. Innovationen und kreatives Denken und Gestalten sind dringender denn je. Daher: Anders als einige vielleicht bis vor noch gar nicht allzu lange Zeit gedacht haben: Die Welt der Energiewirtschaft ist noch lange nicht „aus-konstruiert“!

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre spannende Einschätzung!

 

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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