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Nach der Ebbe kommt die Flut? Ein Rückblick auf die politischen Fortschritte der Erneuerbare Energien Branche 2022

Rekordhohe Energiepreise, verfehlte Klimaziele, Gasknappheit, unterzeichnete Ausschreibungen für Erneuerbare Energien, ein dank Regulatorik-Diskussionen verlorenes Jahr für den Wasserstoff und darüber hinaus eine mediale Dauerbeschallung zu Blackouts und Atomkraftwerken - 2022 war ein schwieriges Jahr für die Energieversorgung. Warum dennoch die Weichen für eine bessere Zukunft gestellt wurden und warum diese 2023 anbrechen kann, fassen wir in unserem Jahresrückblick zusammen.

Nach der Ebbe kommt die Flut?

Ausbau der Erneuerbaren Energien

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss dringend beschleunigt werden, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Dazu wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Osterpaket novelliert. Wichtigste Änderung neben den geplanten Ausbaumengen ist die Einordnung von Errichtung und Betrieb der Anlagen als überragendes öffentliches Interesse. Auf diese Weise soll die oftmals schwierige Genehmigungslage verbessert werden. Darauf einigte sich im November auch die Energieminister/innen der EU. Für Repowering Vorhaben soll eine Genehmigungsfrist von höchstens sechs Monaten gelten, für Solarenergieanlagen sind maximal drei Monate veranschlagt. Damit es genügend Flächen gibt verpflichtet das Windenergie-an-Land-Gesetz die Bundesländer 1,4 Prozent der Landesflächen bis 2027 und zwei Prozent bis 2032 für Windenergie auszuweisen. Durch die Abstandsanpassung zu Funkanlagen werden ebenfalls neue Flächen verfügbar. Ob die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes eine, wie vom Gesetzgeber beabsichtigte, Beschleunigung der Genehmigung darstellt, muss sich wie alle anderen angesprochenen Aspekte in der (Genehmigungs-) Praxis erst beweisen. An ambitionierten Zielen mangelt es nicht, denn auch für Freiflächen-PV-Anlagen wurden im EEG 2023 neue Flächen im Bereich der Agri-PV definiert. Die Ausbauziele im Bereich Offshore wurden zudem durch das „Windenergie auf See Gesetz“ deutlich erhöht auf 30 GW bis 2030 und 70 GW bis 2045.

Ausschreibungen & EEG Umlage

Die stark unterzeichneten Ausschreibungen in 2022 hingen auch mit der niedrigen Gebotsobergrenze zusammen, die nach gestiegenen Rohstoff-, Energiepreisen sowie höheren Zinsen auf Krediten nicht mehr dem realwirtschaftlichen Umfeld entsprachen. Die im EEG 2023 verankerte Möglichkeit, diesen Höchstwert, um bis zu 25 Prozent anzupassen hat die Bundesnetzagentur für kommenden Februar bereits vollumfänglich genutzt. Genau darauf dürften einige Projektentwickler gewartet haben, weshalb die erste Ausschreibungsrunde ein guter Indikator für die weitere Dynamik sein wird. Auch wenn es angesichts der aktuellen Energiepreise kaum ins Gewicht fällt, ist die Finanzierung der EEG-Umlage für Verbraucher aus Bundeshaushaltsmitteln eine weitere Maßnahme, die langfristig positive Auswirkungen haben dürfte.

Emissionshandel

Auf EU-Ebene gab es im Dezember einen wichtigen Durchbruch zur Reform des Emissionshandels. Die freie Mengenzuteilung für Unternehmen im internationalen Wettbewerb wird bis 2034 sukzessive abgebaut. Darüber hinaus werden Zertifikate aus dem Markt entnommen. Eine Importsteuer auf Produkte mit hohem CO2-Fußabdruck (Grenzausgleichsmechanismus) soll dem Abwandern der Industrie vorbeugen. Die Preissignale für Industrie und Energiewirtschaft dürften sich auf diese Weise weiter ausprägen. Experten sprechen bereits vom marktgetriebenen Kohleausstieg bis 2030. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die komplexe Gemengelage an den Energiemärkten entwickeln wird.

Wärmesektor

Mit den gestiegenen Gaspreisen ist die Nachfrage nach Wärmepumpen explodiert. Wer die langen Wartezeiten für neue Wärmepumpen kritisiert, darf nicht verkennen, dass die Unternehmen in der Lage waren, einen Marktzuwachs von 40 Prozent (230.000 Einheiten) im Vergleich zum Vorjahr zu bedienen. Auf dem Wärmepumpenforum im Oktober zeigte sich die Branche zuversichtlich, die von der Regierung ausgerufenen sechs Mio. Wärmepumpen bis 2030 realisieren zu können. Die kommunale Wärmeplanung wird ein zentrales Werkzeug zur Dekarbonisierung des Wärmesektors. Nachdem das BMWK die Diskussion im August gestartet hat, kann die Erstellung der Wärmepläne seit November, im Rahmen der Kommunalrichtlinie mit bis zu 90 Prozent gefördert werden. Die Umsetzungspflicht für Kommunen bis 2026 wird voraussichtlich im Herbst 2023 verabschiedet. In der kommunalen Wärmeplanung sind Nah- und Fernwärmenetze ein wichtiger Baustein. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze ist seit September in Kraft und wird hoffentlich viele Vorhaben unterstützen. Eine neue Regelung gab es außerdem mit der Kostenaufteilung von Mieter/innen und Vermieter/innen in Bezug auf die CO2 Steuer für fossile Energieträger. Nachdem die alte Bundesregierung eine solche noch abgelehnt hat, gibt es jetzt eine gestufte Aufteilung bei der Vermieter/innen vor allem in unsanierten Gebäuden die Kosten mehrheitlich tragen müssen.

Verkehr

Auch im Verkehrssektor gab es mit dem Neun Euro-Ticket eine konkrete Maßnahme für günstigen ÖPNV, der wesentlicher Teil einer erfolgreichen Verkehrswende sein muss. Sein Nachfolger, das 49 Euro-Ticket, bleibt in sozialen Aspekten weit hinter seinem Vorgänger zurück. Zumindest wird es aber ein Angebot geben, das den ÖPNV auch in Hamburg deutlich erschwinglicher machen und einige zum Umsteigen einladen wird. Eine gute Basis, um politisch für weitere Vergünstigungen und Sozialtickets zu streiten.

Wasserstoff

Auch beim Wasserstoff gibt es Positives zu vermelden. Auch wenn die wirtschaftsdienliche Regulatorik und die IPCEI-Förderzusagen aus der EU auf sich warten lassen, gibt es Maßnahmen, die die Nachfrage stimulieren sollen. So wurde die Initiative H2-Global mit 900 Mio. Euro ausgestattet, um Wasserstoffderivate außerhalb der EU einzukaufen und innerhalb an den Meistbietenden zu versteigern. Kurz vor Jahresende wurde außerdem ein Pilotprogramm mit Contracts-for-Difference mit einem Fokus auf Stahl- und Chemieindustrie angekündigt, das diesen Unternehmen höhere Produktionskosten für nachhaltige Produkte erstattet. Dabei dürfte es im Wesentlichen um Investitionen in blauen und grünen Wasserstoff gehen. Weitere Importmengen werden in Zukunft aus Kanada, Quatar und anderen Nordseeanrainerstaaten kommen. 2022 wurden dazu einige Lieferabkommen unterzeichnet.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Rückblick auf positive Entwicklungen im Jahr 2022 die Zuversicht zu geben, sich 2023 wieder gemeinsam mit uns mit ganzer Kraft für die Energiewende einzusetzen, damit wir Ende des Jahres 2023 noch bedeutendere Erfolge feiern können.

Über Steffen Bechtel

Profilbild zu: Steffen Bechtel

Im Cluster EEHH bin ich seit Februar 2022 für die Themenbereiche Sektorenkopplung und erneuerbare Wärme zuständig. Ich bin Ingenieur mit dem Schwerpunkt Energietechnik und arbeite mit großer Freude daran, die Energiewende in Hamburg voranzubringen.

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