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Kurz-Essay zur Studie sozialgerechte Sanierungsförderung Einschätzung von Öko-e.V./Averdung für Deutscher Mieterbund e.V.

Bezahlbares Wohnen ist ein ohnehin aktuelles und brisantes Thema – wie sieht es da mit den zusätzlichen Kosten aus

Kurz-Essay zur Studie sozialgerechte Sanierungsförderung
Adobe Stock/Maksym Yemelyanov

Sozialgerechte Förderung energetischer Sanierungen

die durch klimapolitisch dringend notwendige Investitionen in energetische Sanierungen hinzukommen? Wie werden diese abgefedert, wie werden dabei soziale Aspekte berücksichtigt und wie kann der Status quo in Deutschland mit Blick auf Vermeidung von Energiearmut und EU-Vorgaben dazu verbessert werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Studie für den Deutschen Mieterbund e.V., die das Öko-Institut e.V. und Averdung im Sommer veröffentlicht haben.

Hintergrund

Im Gebäudesektor reichen die bisher umgesetzten Politikinstrumente nicht aus, um das Klimaziel für 2030 zu erreichen. Die Sanierungsrate muss deutlich gesteigert werden und der Umstieg auf erneuerbare Heizungen muss zügig erfolgen. Neben der klimapolitischen Perspektive sind energetische Sanierungen vor allem auch im Hinblick auf ihre sozialen Auswirkungen von zentraler Bedeutung. Energetische Sanierungen bieten nämlich im Gleichlauf mit der Emissionsreduktion im Gebäude für Bewohner:innen die Chance finanzieller Entlastung durch Energieeinsparung. Allerdings sind zur Umsetzung der energetischen Sanierung zunächst einmal Investitionen erforderlich.

Die Situation vulnerabler Haushalte bei der Transformation des Gebäudesektors ist auf EU-Ebene daher bereits seit Jahren im Fokus und ein wichtiger Bestandteil der im Rahmen des Fit-for-55-Pakets novellierten Richtlinien. Die EU-Energieeffizienzrichtlinie legt etwa fest, dass Energieeffizienzmaßnahmen vorrangig bei von Energiearmut betroffenen Menschen und solchen in Haushalten mit geringem Einkommen umgesetzt werden müssen. Die EU-Gebäuderichtlinie sieht ebenfalls vor, dass vulnerable Zielgruppen in den Förderprogrammen für energetische Sanierungen priorisiert werden sollen.

In Deutschland ist das Mittel der Wahl zur Steigerung der Sanierungsrate im Gebäudesektor ist in Deutschland seit jeher die Sanierungsförderung. Auch wenn dieser Ansatz bislang keine relevante Erhöhung der Sanierungsrate auf ein für die Klimazielerreichung erforderliches Niveau hervorgebracht hat, wurde bislang von der Einführung einer Sanierungspflicht für Wohngebäude abgesehen. Die Studie legt daher einen besonderen Fokus darauf, welche sozialen Effekte mit der bestehenden energetischen Sanierungsförderung auf Bundesebene verbunden sind.

Soziale Perspektive der aktuellen Sanierungsförderung

Im Gegensatz zu den EU-Anforderungen, berücksichtigt die Förderlandschaft für energetische Sanierungen in Deutschland die soziale Perspektive bisher kaum: So wird in der Bundesförderung für Effiziente Gebäude (BEG) erstmals ab dem Jahr 2024 mit dem Einkommensbonus eine Differenzierung nach Einkommen der Gebäudeeigentümer:innen eingeführt, die sich allerdings auf das Segment der Heizungsförderung beschränkt und lediglich selbstnutzende Eigentümer:innen adressiert. Einkommensschwächere Haushalte leben jedoch oft in Mietwohnungen. Sie sind auch am stärksten davon betroffen, wenn sich die Kosten des Wohnens erhöhen, weshalb der vermietete Bestand von besonderer Bedeutung für die sozialgerechte Ausgestaltung der Förderung für energetische Sanierungen ist.

Die Analysen im Rahmen der BEG-Evaluierung belegen, dass die Bundesförderung effizienter Gebäude im Neubau und in der Sanierung derzeit einkommensschwachen Haushalten wenig zugutekommt. Mehrheitlich profitieren überdurchschnittlich gutverdienende Eigentümerhaushalte. Die aktuell geltende Ausgestaltung der Sanierungsförderung enthält - anders als die Förderung des Heizungstausches - keine Regelung, die zum Beispiel das Einkommen der Haushalte oder das Mietniveau der Gebäude berücksichtigt.

Vorschläge zur Anpassung der Sanierungsförderung

Die Studie erarbeitet Vorschläge für zielgerichtete, sozial-gerechte Fördermechanismen für energetische Sanierungen mit Fokus auf dem vermieteten Bestand. Dafür werden Daten zur tatsächlichen Wohnsituation und dem Mietmarkt in Deutschland unter Berücksichtigung sozialer Indikatoren ausgewertet. Auch wird betrachtet, wie sozialer Aspekte energetischer Sanierung derzeit in den Rechtsgrundlagen der drei Hauptförderschienen für den Gebäudebereich Berücksichtigung finden – BEG, Soziale Wohnungsbauförderung und Städtebauförderung.

Die bestehende Förderlandschaft bietet dabei bereits Ansatzpunkte, Haushalte mit geringem Einkommen zielgerichtet zu unterstützen, diese werden aber derzeit nur in geringem Umfang genutzt, um diese Zielgruppe bei der energetischen Sanierung der Gebäude zu unterstützen. Das muss sich – nicht zuletzt mit Blick auf die erforderliche Umsetzung der EU-Vorgaben – zukünftig verbessern.

Anpassungsvorschlag im Rahmen der BEG

Im Rahmen der BEG wird eine Verknüpfung eines neu einzuführenden Förderbonus mit einer temporären Mietpreisobergrenze vorgeschlagen. Diese kann beispielsweise in Prozent zur ortsüblichen Vergleichsmiete definiert werden. Die Zielgruppe wäre dadurch zumindest indirekt priorisiert, da sich eine Deckelung der Miete infolge einer energetischen Gebäudesanierung in Relation zur ortsüblichen Vergleichsmiete positiv auf einkommensschwache Haushalte auswirken kann. Denn so besteht die Möglichkeit, dass reale Einsparungen bei den Energiekosten infolge der Sanierung den Haushalten direkt zugutekommen, und nicht von Mieterhöhungen im Nachgang der Sanierung kompensiert werden.

Anpassungsvorschlag im Rahmen der Bundesfinanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau

Im Rahmen der Bundesfinanzhilfen für den Sozialen Wohnungsbau wird vorgeschlagen, dass zusätzliche Finanzhilfen für energetische Sanierung im sozialen Wohnungsbau in einer gesonderten „VV Energetisch Sanierter Sozialer Wohnraum“ zwischen Bund und Ländern vereinbart werden. Ein zentrales Element dieser Vereinbarung wäre, dass die zusätzlichen Mittel für den Gebäudebestand zur Verfügung stehen und für dessen energetische Sanierung genutzt werden.

Ein Vorteil dieses Ansatzes liegt in dem deutlichen Fokus auf Sanierungen, der eine Steigerung der Sanierungsquote im sozial gebundenen Wohnraum ermöglicht. Zusätzlich kann durch die Erneuerung von Sozialbindungen im Rahmen von Sanierungen verhindert werden, dass Sozialwohnungen ihre Bindung verlieren und es wird neuer sozial-gebundener Wohnraum geschaffen. Dies trägt zum Erhalt und zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bei.

Anpassungsvorschlag für die Quartiersebene

Sowohl die Städtebauförderung als auch die Energetische Stadtsanierung sind quartiersbezogene Förderansätze und prinzipiell gut geeignet, besonders Quartiere mit einem hohen Anteil eher einkommensschwacher Haushalte zu fördern und dort energetische Sanierungen von Wohngebäuden anzureizen. Es gibt Beispiele, in denen das erfolgreich umgesetzt wurde. Ein möglicher Ansatz wäre – ganz allgemein – die Aufstockung der Mittel in dieser Förderschiene. Ein weiterer möglicher Ansatz wäre die Schaffung einer speziellen Programmsäule mit Fokus auf Sanierung ebensolcher Gebiete. Die Erhöhung der Mittel sind dabei keine an sich neuen Ideen, sie sind als Ziel der aktuellen Bundesregierung im Koalitionsvertrag niedergelegt.

Fördermittelbedarfe

Die beschriebenen Ansätze zielen darauf ab, die energetische Sanierung in Wohnungen von Haushalten mit geringem Einkommen zu unterstützen und einen Beitrag zur dauerhaften Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu leisten. Exemplarisch für die Vorschläge schätzt die Studie den Förderbedarf auf 5 bis 8 Mrd. Euro pro Jahr, der notwendig ist, um alle Worst Performing Wohnungen mit einkommensschwachen Mietenden bis 2030 zu sanieren. Dabei werden soziale Fördersätze angenommen, die die Wirtschaftlichkeit von Sanierungen für Vermietende trotz Mietpreisbindungen über 20 Jahre steigern sollen und gleichzeitig Mietende schützen.

Sofern die benötigten Mittel nicht als zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden können, wird empfohlen, die sehr auskömmliche Förderung im Bereich der Heizungsanlagen nach Einkommen zu staffeln und die Fördersätze für Haushalte mit hohem Einkommen zu verringern. Würden Haushalte mit hohem Einkommen ganz von der Förderung ausgenommen, ließe sich der Fördermittelbedarf noch einmal deutlich reduzieren.

Einordnung im Kontext mietrechtlicher Regelungen

Um die Nutzung der vorgeschlagenen Förderprogramme zu steigern und eine faire Transformation im Mietsektor zu fördern, wäre es darüber hinaus ratsam, die Möglichkeiten zur Mieterhöhung durch die Modernisierungsumlage (§ 559 BGB) sowie insbesondere die Anpassung an die ortsüblichen Vergleichsmieten (§ 558 BGB) zu beschränken. Die wirtschaftliche Attraktivität der vorgeschlagenen Anpassungen und somit die voraussichtliche Inanspruchnahme der entsprechenden Förderprogramme hängt nämlich nicht nur von den konkreten Förderbedingungen der Programme selbst ab – solange als Alternative zur Förderung weitreichende Spielräume zur Mieterhöhung infolge einer Sanierung bestehen, hemmt dies die Wirksamkeit der Sanierungsförderung.

Gastautor:

Jonathan Claas-Reuther berät bei der Averdung Ingenieure & Berater GmbH Städte und Gemeinden zum Rechtsrahmen der Wärmewende und Umsetzungsstrategien der kommunalen Wärmeplanung.

von EEHH Gastautor