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„Karoline“ dank EnWG-Novelle endlich in Betrieb Der regulatorische Hintergrund
Eine regulatorische Einordnung zur Inbetriebnahme der Hamburger "Karoline" bietet EEHH-Sektorkoppungs-Experte Felix Fresen.

Die „Karoline“ stand bis März 2025 im Schatten des Hamburger Fernsehturms, nun kommt sie wieder ans Licht und kann zu der Pilotanlage werden, für die sie im Jahr 2018 errichtet wurde. Unter dem Namen „Karoline“ verbirgt sich eine Power-to-Heat-Anlage (P2H-Anlage) am Standort des Umspannwerkes Karoline im Hamburger Karolinenviertel. Die P2H-Anlage wurde errichtet, um flexiblen Windstrom aus Norddeutschland in grüne Fernwärme für Heizung und Warmwasser umzuwandeln. Durch die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im vergangenen Herbst kann sie das nun auch. Die Hamburger Energiewerke berichteten bereits auf dem EEHH-Blog.
Um zu verstehen, warum „Karoline“ 6 Jahre größtenteils ungenutzt mitten in Hamburg stand und nun die deutschlandweit erste P2H-Anlage ist, die im Rahmen des neuen Instruments §13k EnWG „Nutzen statt Abregeln“ zur Stromnetz-Entlastung eingesetzt wurde, muss der regulatorische Hintergrund betrachtet werden:
Im Jahr 2022 wurde der § 13 Abs. 6b EnWG a. F. eingeführt und war ein wichtiger erster Schritt zur Flexibilisierung des Stromnetzes. Allerdings konzentrierte sich der Paragraph hauptsächlich auf vertraglich vereinbarte ab- oder zuschaltbare Lasten und schränkte somit die Nutzung anderer Flexibilitätsoptionen (bspw. P2H-Anlagen) ein. Auch die Abregelung von Strom aus erneuerbaren Energien aufgrund von Netzengpässen konnte der Paragraph nicht ausreichend reduzieren und erhöhte damit sogar die Kosten für das Netzmanagement.
Eine weitere regulatorische Feinheit machte den Betrieb der „Karoline“ fast unmöglich: Der § 13 Abs. 6b EnWG a. F. zielte auf Flexibilisierungskapazitäten im Übertragungsnetz ab, die P2H-Anlage im Herzen Hamburgs ist allerdings an das Verteilnetz und nicht direkt an das Übertragungsnetz angeschlossen. Dies bedeutet, dass die Anlage auf die Verfügbarkeit von überschüssigem Strom im lokalen Verteilnetz angewiesen war. Netzengpässe, die zur Abregelung von Windkraftanlagen führen, treten allerdings häufiger im Übertragungsnetz auf. Da im örtlichen Verteilnetz in Hamburg nur sehr selten ein Überangebot an Strom vorhanden ist, wurde die P2H-Anlage eher als Reservekraftwerk und nicht als Sektorenkopplungspilot genutzt.
Der Mechanismus des neuen Paragraphen 13k EnWG ermöglicht es den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) nun, überschüssigen erneuerbaren Strom gezielt an P2H-Anlagen zu verteilen, um Netzengpässe zu reduzieren und die Effizienz des Stromnetzes zu erhöhen. In der Praxis läuft der Mechanismus wie folgt ab:
Im ersten Schritt identifizieren die ÜNB die geografischen Gebiete, in denen häufig Netzengpässe auftreten und in denen daher ein hoher Bedarf an Flexibilität besteht. Diese Gebiete werden als „Entlastungsregionen“ bezeichnet. Die ÜNB prognostizieren dann die Mengen an erneuerbarem Strom, die aufgrund von Netzengpässen voraussichtlich abgeregelt werden müssten. Auf Grundlage der prognostizierten Abregelungsstrommengen pro Gebiet, können sich P2H-Anlagen für die Teilnahme am 13k-Mechanismus registrieren. Die ÜNB teilt diesen Anlagen dann Strommengen zu – dies kann im Rahmen von Ausschreibungen oder durch andere Zuteilungsverfahren erfolgen. Die P2H-Anlagen nutzen den zugeteilten überschüssigen Strom, um Wärme zu erzeugen. Dadurch wird die Abregelung von erneuerbaren Energien reduziert und die Netzstabilität erhöht. Damit sich möglichst viele P2H-Anlagen (und auch weitere Power-2-X-Anlagen) an dem Mechanismus beteiligen, schafft der Paragraph 13k EnWG wirtschaftliche Anreize, indem er ihnen den Zugang zu günstigem überschüssigem Strom ermöglicht. Dies verbessert die Rentabilität der Anlagen und fördert ihre Teilnahme am Netzmanagement. Dabei ist ein reibungsloser Datenaustausch zwischen ÜNB und P2X-Anlagen entscheidend für die effiziente Steuerung des Mechanismus. Dies umfasst Informationen über verfügbare Strommengen, Netzengpässe und Aktivierungsanforderungen.
Im Moment befindet sich der Mechanismus in einer zweijährigen Erprobungsphase, dessen Ziel es ist den Mechanismus zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Während der Erprobungsphase gibt es ein vereinfachtes Zuteilungsverfahren. Danach ist ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren geplant. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit der Novelle des EnWG und der Einführung des neuen Paragraphen 13k ein wichtiger Schritt für den rentablen Betrieb von Flexibilisierungsanlagen geschaffen wurde und es nun endlich möglich ist auch mit einer P2X-Anlage am Verteilnetz von überschüssigem Strom im Übertragungsnetz zu profitieren.