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„Innovationen haben bei uns einen sehr hohen Stellenwert“ Blogserie “From Hamburg to the World” – Interview mit Alexander Ohff, Executive Vice President Renewables bei TÜV NORD GROUP
In der Blogserie „From Hamburg to the World” stellen wir Mitglieder des EEHH-Netzwerks mit dem Fokus auf ihre internationalen Aktivitäten bzw. ihre Aktivitäten, die für internationale Energiewirtschaft von großer Bedeutung sind, vor. Die TÜV NORD GROUP ist ein weltweit führender Technologiedienstleister mit Standorten in über 50 Ländern. Seit 150 Jahren bietet das Unternehmen Prüfung, Inspektion, Zertifizierung, technische Gutachten und Ausbildung für unterschiedliche Branchen, von Erneuerbare Energien, IT bis hin zur Mobilität.
EEHH: Hallo Herr Ohff, seit 2020 leiten Sie das Segment Erneuerbare Energien bei TÜV NORD. Ihren beruflichen Werdegang haben zwei Dinge stark geprägt: Erneuerbare Energien und Bezug zu Asien. Können Sie das näher erläutern?
In der Tat sind das Asiengeschäft und die Erneuerbaren Energien die prägenden Elemente in meiner Karriere und das nicht zufällig. Aufgewachsen bin ich in der schönen Stadt Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, damit ist die asiatische Industrie für mich ein natürliches Interessenfeld. Während meines Studiums entwickelte ich eine wachsende Begeisterung für Wind und PV Solar und habe nun seit 15 Jahren berufliche Aufgaben in den Erneuerbaren Energien. In meinen Augen ist die Transformation der Stromerzeugung von Konventionellen hin zu Erneuerbaren eine Generationenaufgabe, bei der ich tatkräftig unterstützen möchte.
EEHH: TÜV NORD bietet Prüf- und Zertifizierungsservice von Windkraftanlagen. Über die letzten drei Jahrzehnte wurden große technologische Fortschritte in der Windindustrie erzielt: Die Windturbinen wurden immer größer und intelligenter; die Erzeugungsleistung der Windparks stieg an. Was bedeutet diese Entwicklung für TÜV NORD und welche neue Technologie wird angewendet, um dem sich stetig ändernden Anspruch an Aufgaben wie Begutachtung und Inspektion gerecht zu werden?
Innovationen haben bei TÜV NORD einen sehr hohen Stellenwert; einige Dinge sind aber auch gleichgeblieben: Was uns immer wichtig ist und war, ist die Genauigkeit bei der Arbeit und unser eigener Qualitätsanspruch für die von uns durchgeführten Leistungen. Denn das ist schließlich das, wofür wir als TÜV NORD stehen. Was sich stetig weiterentwickelt, sind unsere Produktbereiche und Dienstleistungen. Immer wichtiger werden beispielsweise die Digitalisierung von Prozessen und Produkten sowie der Einsatz softwaregestützter Berechnungen, inklusive Machine Learning und AI. So können wir kontinuierlich und stabil wachsen im Bereich der Erneuerbaren Energien.
Ein konkretes Beispiel aus unserer Produktentwicklung ist das Thema Remote Inspection, das für uns inzwischen zum Arbeitsalltag gehört. Hier unterstützen virtuell zugeschaltete TÜV NORD-Expert:innen von anderen Kontinenten die Fertigungsüberwachung vor Ort. Das Thema entwickeln wir weiter zur Drone Inspection: Hier setzen wir aktuell für die End of Warranty-Begutachtung von Betontürmen für einen großen europäischen Hersteller erfolgreich Drohnen ein. Der nächste Schritt ist der Einsatz von KI bei der Auswertung des von der Drohne gesammelten Bildmaterials, um so schon einmal vorzuselektieren, bevor unsere Sachverständigen die Bilder auswerten.
EEHH: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere Windenergie, wird zunehmend in Verbindung mit der Produktion von grünem Wasserstoff betrachtet und umgesetzt. Wo sehen Sie die Rolle von TÜV NORD in der Schnittmenge zwischen Wind und Wasserstoff und können Sie ein beispielhaftes Projekt vorstellen?
Wir sehen die Produktion von Wasserstoff insbesondere aus großen Offshore-Wind-Projekten als sehr spannendes Zukunftsfeld an. Deshalb engagieren wir uns in verschiedenen technischen Gremien und bei ersten Demo-Projekten.
Aktuell erarbeiten wir mit einem großen europäischen Energieversorger eine H2-Zertifizierungsstrategie. Unser Kunde plant den Betrieb einer Prototyp-Windenergieanlage, auf der ein Elektrolyseur für die Erzeugungen von Wasserstoff installiert ist. Dazu gibt es aktuell mehrere interessante Projekte in Europa – ein passendes Zertifizierungsschema gibt es dafür jedoch noch nicht. Deshalb erarbeiten wir gemeinsam mit unserem Kunden eine H2-Zertifizierungsstrategie in Anlehnung an die IECRE-Norm OD-502.
Unsere Rolle bei der Erzeugung von Wasserstoff durch Windprojekte sehe ich darin, dass wir mit unserer technischen Kompetenz aus beiden Bereichen für Qualität und Sicherheit sorgen.
EEHH: TÜV NORD hat mehr als 50 Standorte in der Welt und ist in über 100 Ländern tätig. Das internationale Geschäft hat ein großes Gewicht in der strategischen Ausrichtung. Welche Märkte stehen gegenwärtig bzw. perspektivisch ganz oben auf Ihrer Agenda und warum?
Unser Renewables-Geschäft bei TÜV NORD ist geprägt durch hohe Internationalisierung und weltweite Teams. Eine unserer Fokusregionen ist Asien – in China beispielsweise sind wir einer der Marktführer für die Prüfung und Zertifizierung von PV-Modulen. Ich war vor kurzem erst dort zur Eröffnung unseres großen neuen PV-Labors. In diesem spannenden und dynamischen Markt erweitern wir stetig unsere Kompetenzen und Organisation vor Ort.
Für den afrikanischen Kontinent haben wir unseren Regional Hub in Kairo, Ägypten. Dort haben wir ein Team, das sich insbesondere um Großprojekte auf der Arabischen Halbinsel und in Nordafrika kümmert. Unser Regional Hub für Osteuropa sitzt in Griechenland, unser Team für Südamerika in Brasilien.
Gleichzeitig sehen wir, dass überall auf der Welt im Renewables-Bereich viel passiert und dass selbst eine breit aufgestellte Organisation wie TÜV NORD das nicht alles alleine bewerkstelligen kann. Daher haben wir für internationale Großprojekte im Bereich Owner’s Engineering eine strategische Kooperation mit COWI gestartet, um mit unseren komplementären Organisationen den komplexen Kundenanforderungen noch besser entsprechen zu können.
EEHH: Was bedeutet Energiewende für Sie persönlich, und welche Ziele verfolgen Sie für die Zukunft?
Wie schon erwähnt, ist die Energiewende in meinen Augen kein Auftrag für die nächsten drei Jahre, sondern ein zentrales Thema für unsere jetzige und für zukünftige Generationen. Die Herausforderung unsere Stromerzeugung zu dekarbonisieren wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen, insbesondere wenn wir an den Punkt kommen, dass intelligente Netze, emissionsarme Regelkraftwerke und Speicher immer mehr an Bedeutung gewinnen. Und die Dimension und den Aufwand für die Transformation unserer gesamten Energielandschaft, zum Beispiel durch Power-to-X, kann sich wohl heute noch kaum jemand richtig vorstellen. Die Relevanz dieser Thematik und auch die technischen Herausforderungen sind ein tolles Feld, um sich inhaltlich auszutoben und die Infrastruktur für die Zukunft nachhaltig zu gestalten.
Ich glaube, dass uns dieses Thema aufgrund der hohen gesellschaftlichen Relevanz noch eine ganze Zeit in vielerlei Hinsicht begleiten wird – und ich freue mich, aktiv daran mitarbeiten zu können!