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"Ich wollte entdecken, wie die Welt funktioniert" Interview mit Nobelpreisträger Prof. Dr. Klaus Hasselmann

Wir haben die Ehre, im folgenden Interview mit den Hamburger Nobelpreisträger Prof. Dr. Klaus Hasselmann zu sprechen.

Prof. Dr. Klaus Hasselmann (Bernhard Ludewig)

EEHH: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Nobelpreises der Physik! Klassische Frage: was ging Ihnen durch den Kopf, als das Telefon klingelte und Sie vom Gewinn erfuhren?

K. Hasselmann: "Ich konnte das nicht fassen. Es war für mich sehr irreal und ist es irgendwie noch. Im ersten Moment dachten wir, es wäre fake news, bis dann die E-Mail kam und die Reporter vor der Tür standen. Ich hatte nie daran gedacht, den Nobelpreis zu bekommen, zumal die Geowissenschaften nicht in den Nobelpreisen vorgesehen waren. Das hat sich offensichtlich gerade geändert."

EEHH: Sie sind einer der Pioniere der Klimaforschung. Warum hat dieses Gebiet Sie immer besonders begeistert? Wie hat sich die wissenschaftliche Disziplin auf diesem Gebiet seit den 1970er Jahren verändert?

K. Hasselmann: "Ich wollte immer entdecken, wie die Welt funktioniert. Ich war eben neugierig, und das ist wohl die Voraussetzung für jeden Wissenschaftler. Zunächst wollte ich das Turbulenzproblem lösen. Das war etwas hochgegriffen für einen jungen Mann. Aber wie so häufig in der Wissenschaft, ist eine Mühe selten umsonst; denn ich entdeckte dabei den Faktor in der Entwicklung der Meeresoberflächenwellen, der die Entwicklung von kurzen zu langen Wellen verursacht: die nichtlineare Energieübertragung von der Spitze des Spektrums zu niederen und zu höheren Frequenzen. Diese Technik habe ich auch auf anderen Gebieten anwenden können: planetarische und seismische Wellen. Als ich sie mit Feynman-Diagrammen darstellte, hatte ich die Idee einer deterministischen, vereinheitlichten Elementarteilchentheorie, indem ich zu den 4 Raum-Zeit-Dimensionen noch acht Wellendimensionen hinzufügte. Dies verfolgte ich noch weiter als Hobby. Inzwischen war durch ein Experiment JONSWAP meine Meeres-Wellentheorie bestätigt, und ich war weiter in die Luft-Meer-Wechselwirkung eingestiegen. Von da ist es nicht mehr weit zur Klimaforschung. Als mir der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Reimar Lüst, 1974 anbot, ein Max-Planck-Institut zu gründen, war meine Neugier nicht mehr zu halten. Zunächst wollte ich das Prinzip der Klimaschwankungen verstehen, was zu einer schwer zu lesenden Arbeit von 1978 führte: A stochastic climate model. Ich bin in der heutigen Forschung natürlich nicht mehr aktiv und weiß nicht viel darüber. Aber wie ich das mitbekomme, kann man heute auch durch die zunehmenden Computerkapazitäten sehr viel mehr Details über das Klima örtlich und auch zeitlich aussagen."

EEHH: Halten Sie die angestrebte Erreichung des 1,5-Grad-Ziels für realistisch? Welche Anstrengungen müsste die internationale Staatengemeinschaft Ihrer Meinung nach als erste unternehmen?

K. Hasselmann: "Das ist eine sehr komplexe Fragestellung. Die Internationale Gemeinschaft versucht seit Jahren, sich über gemeinsame Aktionen zu einigen. Das scheitert an vielen Details, auch daran, dass die Versprechungen nicht eingehalten werden und die Industriestaaten nicht gewillt sind anzuerkennen, dass sie die Verursacher sind und somit verpflichtet sind, den armen Ländern, die wiederum die Leidtragenden sind, zu helfen. Die technischen Möglichkeiten haben wir, um das Problem in den Griff zu bekommen, und es gibt eine Fülle von neuen Ideen. Man muss es nur tun."

EEHH: Seit einigen Jahren ist in den Klimaschutz durch Bewegungen wie Fridays for Future und German Zero wieder mehr Bewegung gekommen. Wie empfinden Sie den Beitrag dieser „jüngeren“ Gruppen?

K. Hasselmann: "Der Beitrag der Jugend ist immens wichtig, und ich bin dankbar für ihre Arbeit. Nur müssen auch sie begreifen, dass sie nicht nur das Bewusstsein der Menschen wachrütteln müssen, sondern es eben auch eine globale Realität gibt."

EEHH: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der neuen Bundesregierung?

K. Hasselmann: "Die neue Regierung hat sich sehr viel vorgenommen, und ich kann nur hoffen, dass sie erfolgreich sein werden. Es gibt einige Beispiele, die mich ärgern. Nehmen wir das Thema Atomkraft. Schaut man sich die Tabellen über den Stromimport an, so importiert Deutschland jede Menge Atomstrom aus Frankreich und anderen Ländern. Da lügt man sich doch hierzulande in die Tasche, wenn man die Atomkraftwerke abschaltet. Ich halte es mit dem berühmten Klimaforscher James Hansen: Erst schafft man die Kohle ab. Wenn man die Kohle kompensiert hat, schaltet man das Öl ab, dann das Gas und zuletzt die Atomkraftwerke. Sonst bekommen wir das CO2-Problem nicht in den Griff."

Vielen Dank für das spannende Interview und Alles Gute für Sie, Prof. Hasselmann!

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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