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Hindernisse auf dem Weg zum erfolgreichen Markthochlauf Delegated Act der Europäischen Kommission

Nicht die Machbarkeit der Technik ist die größte Herausforderung für die Wasserstoffwirtschaft, sondern die politischen Rahmenbedingungen. In Bezug auf Anreize und Ausbauziele blickt man dieser Tage gespannt nach Berlin. Doch auch die EU-Regulatorik, die in Brüssel entschieden wird, wird erheblichen Anteil an einem erfolgreichen Aufbau der Wasserstoffwertschöpfungskette haben. Gastautor Hauke Siemens von Hansewerk erklärt die wichtigsten Stellschrauben aus Unternehmenssicht.

Hindernisse auf dem Weg zum erfolgreichen Markthochlauf
Hauke Siemens, Abteilung Partnerschaften & Politik der HanseWerk AG. Foto: Privat

Sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene nimmt der Kampf gegen den Klimawandel mittlerweile eine zentrale wirtschaftspolitische Rolle ein. Um das erklärte Ziel der Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2°C erreichen zu können, identifizieren die entsprechenden Absichtserklärungen und Programme dabei folgerichtig die Dekarbonisierung von Wirtschaftskreisläufen als essenzielle Stellschraube. Ein Eckpfeiler dieses Transformationsprozesses wird „grüner“ Wasserstoff sein. Zum einen zeichnet sich Wasserstoff als vielfältig einsetzbarer Energieträger aus, der u.a. in Brennstoffzellen die schadstofffreie Mobilität befördern und zukünftig als Basis für synthetische Kraft- und Brennstoffe genutzt werden kann. Zum anderen erfährt er durch seine hohe Speicher- und Transportierbarkeit auch eine zunehmende Bedeutung für die Systemintegration von erneuerbaren Energien. Darüber hinaus kann Wasserstoff durch die Verwendung als Grundstoff diverse industrielle und chemische Produktionsprozesse dekarbonisieren. In der Folge wird Wasserelektrolyse aus regenerativen Energien zu einer entscheidenden systemrelevanten Komponente werden, einerseits zur Erzeugung von Anteilen des benötigten Wasserstoffs, andererseits als Flexibilitätsoption im deutschen Stromnetz.

Um den effektiven Hochlauf einer solchen Wasserstoffwirtschaft über Planungs- und Investitionssicherheiten für potenzielle Betreiber gewährleisten zu können, ist die zeitnahe Einführung einer übersichtlichen Regulatorik unabdingbar, welche sich in der ersten Auflage insbesondere durch einen moderaten Anspruch an die „Grünwasserstoff“-Kriterien auszeichnet. Maßgeblich ist dabei der delegated act zur Renewable Energies Directive (RED II) der Europäischen Kommission für die Produktion von "Renewable Fuels of Non-Biological Origin (RFNBOs)" aus Erneuerbarer Energie, der zum Jahresende 2021 erwartet wird und zu dessen Inhalt bereits erste Informationen vorliegen.
Ein zu restriktiv formulierter Anforderungskatalog - wie ein erster Entwurf ihn vermuten lässt - birgt die Gefahr, den Produktionsprozess mit überproportional hohen Kosteneffekten zu belasten, was eine nicht unerhebliche Zahl an bereits geplanten Produktionsanlagen gefährden und gleichzeitig eine deutlich verringerte Produktionsmenge bedeuten würde. Hier sind speziell die angedachten Kriterien „Zusätzlichkeit“ (1. Strombezug entweder per Direktleitung zu EE-Anlage oder via Netzanschluss und PPA mit EE-Anlage, die keine Förderung erhält/erhalten hat; 2. Inbetriebnahme der EE-Anlage höchstens 12 Monate vor Elektrolyseur-Inbetriebnahme) sowie „Gleichzeitigkeit“ (EE-Erzeugung und Verbrauch innerhalb derselben 15 Minuten) hervorzuheben, welche die H2-Gestehungskosten ersten Analysen zufolge nahezu verdoppeln könnten.

Die erwartbaren Schwierigkeiten innerhalb des Planungsprozesses beschränken sich jedoch nicht allein auf rein monetäre Aspekte, sie spiegeln sich auch in der Komplexität der Umsetzung sowie in strukturpolitischen Dimensionen wider. So führt die Vermarktungskonkurrenz mit bereits heute schon unterzeichneten EEG-Ausschreibungen bspw. zu einer Limitierung des PPA-Marktes, während gleichzeitig unterschiedliche regionale Rahmenbedingungen für die systemdienliche Produktion von grünem Wasserstoff sowie Standortvorteile von Vorreiterregionen in der EE-Erzeugung ignoriert werden.

Auch wenn das inhärente Ziel der geplanten Maßnahmen im Kern nachvollziehbar und in der langen Frist auch wünschenswert ist, darf der regulatorische Rahmen die zu Beginn ohnehin schon fragile Wirtschaftlichkeit nicht zusätzlich gefährden und den von allen Seiten gewünschten Markthochlauf einer Wasserstoffwirtschaft behindern. Vielmehr bedarf es eines zielgerichteten, zunächst offeneren Entwurfes, welcher sich anhand vorab definierter Kriterien (bspw. bei Erreichung eines bestimmten Ausbaugrades an Elektrolyseleistung) kontinuierlich weiterentwickelt. Insbesondere in der ersten Stufe, sollte daher auf besonders drastische Einschnitte, wie die „12-Monats-Regel“ oder die „15-Minuten-Zeitgleichheit“ verzichtet werden. Gleichzeitig wäre es sowohl ratsam, die Regelung zumindest zunächst für einen Strombezug aus Bestands-/Altanlagen (insb. Ü-20) sowie für Herkunftsnachweise (idealerweise ohne Kopplung) zu öffnen, als auch eine Rechtssicherheit bzw. einen Bestandsschutz für Wasserstoffprojekte bereits ab ihrer Final Investment Decision zu schaffen.

Über den Autor

Hauke Siemens ist seit April 2021 als Projektmanager in der Unternehmensentwicklung innerhalb der Abteilung Partnerschaften & Politik der HanseWerk AG schwerpunktmäßig vor allem für die politische Begleitung verschiedenster Wasserstoff-Themen zuständig.

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