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"Hamburg ist einfach DIE deutsche Offshore-Hauptstadt schlechthin" Interview mit Karina Würtz zum neuen Forum Wind

Die Ausbauziele für Offshore-Wind sind derzeit nicht nur ein Deutschland hoch - eigentlich eine gute Nachricht für die Windbranche. Aber ein viel stärkerer internationaler Wettbewerb als noch vor ein paar Jahren, Probleme mit Rohstoffen und Lieferketten sowie eine unterentwickelte maritime Infrastruktur stellen die Industrie vor große Herausforderungen.

In den kommenden Jahren soll nicht nur die Windkraft im Hamburger Hafen ausgebaut werden, in der Hansestadt werden Offshore-Parks in der ganzen Welt geplant. Bild: Joerg Boethling

Moin Frau Würtz, Sie sind Teil des Lenkungskreises des neu gegründeten EEHH Wind Forums. Erläutern Sie den Lesern bitte kurz Ihre Motivation für die aktive Mitarbeit im und Ihrer Erwartungen an das Forum.


Moin Herr Lange. Ich habe mich sehr über die Initiative des EEHH gefreut, gerade zum jetzigen Zeitpunkt und in Hamburg ein Forum Wind neu zu gründen, welches Dimensionen der On- und Offshorebranche vereint. Dass es in Hamburg eine starke Onshore-Wind-Branche gibt, wissen ja viele. Was aber nicht immer so bekannt ist: Hamburg ist einfach DIE deutsche Offshore-Hauptstadt schlechthin, hier haben fast alle Betreiber, Hersteller und viele Zulieferer wichtige Niederlassungen.  Ich freue mich, in meiner Funktion als Geschäftsführerin der Stiftung Offshore Windenergie, die ich seit einem Jahr innehabe, die offshore-spezifischen Dimensionen in das neu gegründete Forum Wind des EEHH einbringen zu können. Ich lebe seit 2010 in Hamburg und arbeite auch seitdem in der Offshore Windbranche. Ich habe 6 Jahre in der Planung und im Bau von Offshore Windparks gearbeitet, und danach nochmal 4 Jahre den Offshore Windpark Nordsee Ost vor der Küste von Helgoland geleitet. Zumindest während der Sommermonate habe ich von den Landungsbrücken aus den Halunderjet nach Helgoland genommen. Die Senvion war unser Turbinenhersteller, die hatten ihr Bürogebäude vor ihrer Insolvenz bei uns gegenüber in der City Nord. Offshore Wind hat Hamburg schon sehr geprägt – und Hamburg prägt die Offshore Windbranche in Deutschland.

Hatten Sie zuvor bereits Berührungspunkte mit dem EEHH-Cluster?

Ja, immer wieder mal seit 2012. Das EEHH-Cluster hat vor Jahren eine Publikation zum Schnittstellenmanagement im Offshore Wind-Baubereich herausgegeben. Da war ich dran beteiligt. Zwischendurch ist der Kontakt weniger geworden, vielleicht weil Wind im Vergleich zu anderen erneuerbaren Themenstellungen bei EEHH etwas in den Hintergrund gerückt war. Aber das ändert sich ja gerade wieder.

Mit einem Zubauziel von 30 GW in 2030 und bis zu 70 GW in 2045 hat die Bundesregierung sehr ambitionierte Pläne für den Offshore-Ausbau in Deutschland formuliert. Erachten Sie aus Branchensicht diese Ziele als umsetzbar und wo liegen die größten Herausforderungen?

Wir als Stiftung Offshore Windenergie haben die neuen Ausbauziele der Bundesregierung sehr begrüßt. Nichtsdestotrotz halten wir die Ziele für sehr herausfordernd. Die Vorzeichen für einen gelingenden Offshore Zubau haben sich seit den 2010er Jahren geändert; damals waren neben Deutschland eigentlich nur UK und Dänemark stark im Offshore Windsektor aktiv. Das ist heute ganz anders: weltweit haben sich viele Länder mit Küstenlinie Offshore Ausbauziele gegeben oder sind dabei, dies zu tun. Neben USA, China, Taiwan und Japan kommen jetzt in Europa zum Beispiel Frankreich, Italien, Norwegen, Polen und die baltischen Staaten dazu. Global sehen wir Ausbauziele in Südkorea, Australien, Vietnam, Indien und Lateinamerika; ostasiatische Inselstaaten fangen auch langsam an. Das wird zu einem massiven Run auf die Fertigungskapazitäten führen, nicht nur bei den Turbinenherstellern, sondern auch bei Fundamenten, Kabeln und Konverterstationen. Bedingt durch die unstete Offshore- Ausbaupolitik der vergangenen Regierung sind in Deutschland viele Akteure aus dem Offshore Markt wieder ausgestiegen. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist allen jedoch wieder schmerzlich bewusst geworden, dass eigene Fertigungskapazitäten, zum Beispiel in Werften, auch Unabhängigkeit bedeuten können. Da sehe ich in Deutschland noch ziemlichen Nachholbedarf. Auch unsere Häfen müssen jetzt fit gemacht werden für den Offshore Ausbau in deutschen Gewässern und den hohen Lasten, die hierfür gelagert und bewegt werden müssen. Dazu gehören z. B. Investitionen in Schwerlastkajen, Krankapazitäten und Hinterlandanbindungen.

Wie bewerten Sie die Inhalte des unlängst verabschiedeten Energiepakets der Bundesregierung im Hinblick auf die Offshore-Windenergie?

Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Bei der Straffung der Genehmigungsverfahren hat der Referentenentwurf der Bundesregierung deutlich erkennbare Anstrengungen unternommen. Im darauffolgenden parlamentarischen Verfahren haben die Regierungsfraktionen zudem auch industriepolitischen Gestaltungswillen gezeigt, was wir im Grundsatz sehr begrüßen. Die auf den letzten Metern des Verfahrens beschlossene, konkrete Ausgestaltung der Auktionskriterien zur Dekarbonisierung und zur Steigerung der Ausbildungsquote halte ich persönlich auf den ersten Blick für sehr komplex und schwer umsetzbar für die Auktionsteilnehmer. Hier steht die konkrete inhaltliche Aufarbeitung mit den betroffenen Branchen jedoch noch aus.

Welche Themen sehen Sie von besonderer Relevanz für das Forum Wind?

Die Sicherung der Lieferketten ist ein Thema, was sicherlich sowohl für Onshore als auch für Offshore immer wichtiger werden wird. Auch die Straffung von Genehmigungsverfahren sehe ich für beide Branchen als wichtig an. Ich habe zudem immer gute Erfahrungen damit gemacht, aus den Entwicklungen der Onshore Branche auf zu erwartende zukünftige Entwicklungen der Offshore Branche zu schließen. Da sehe ich mir aktuell Themen im Bereich Co-Nutzung von Flächen, Bürgerbeteiligungsmodelle und das große Thema Sektorenkopplung ganz genau an.

Im Interview

Im neu gegründeten Forum Wind des EEHH-Clusters ist Karina Würtz Teil des Lenkungskreises. Seit dem 01.08.2021 ist sie Geschäftsführerin der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE. Zuvor war sie in führender Position im Offshore Windgeschäft bei RWE beschäftigt. Die studierte Diplom-Ökonomin und Politologin ist eine ausgewiesene Branchenkennerin und erfahrene Prokuristin mit einem internationalen Netzwerk im Offshore-Windbereich.

Über Constantin Lange

Profilbild zu: Constantin Lange

Beim Cluster bin ich für den Bereich Forschung und Innovation zuständig und bin damit die Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wind – und Solarenergie sowie im Themenfeld Wärme. Über unsere Fachforen und verschiedene Veranstaltungsformate verantworte ich u.a. direkte Informations- und Diskussionsformate für unsere Mitgliedsunternehmen.