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H2 in der Luftfahrt: Welche Rolle kann grüner Wasserstoff zukünftig spielen? Interview mit Julian Klaaßen, Umweltingenieur am Hamburger Flughafen

Seit einigen Monaten ist der erste wasserstoffbetriebene Gepäckschlepper am Airport Poppenbüttel im Test-Einsatz. Der herkömmliche Gepäckschlepper wurde von der Firma HTM (Hydro Technology Motors) von einem Erdgasantrieb auf Wasserstoff umgerüstet. Vier Tanks fassen insgesamt 9,6 kg H2 – ausreichend für eine 9 Stunden Schicht bei einem Verbrauch von 1kg H2 pro Stunde mit Wasserdampf als einzigem Abfallprodukt. Julian Klaaßen, Umweltingenieur und zuständiger Projektleiter, gibt im Interview Einblicke in den Test im Rahmen des Norddeutschen Reallabors und einen Ausblick auf Wasserstoff als Energieträger für die Dekarbonisierungsziele des Flughafens.

H2 in der Luftfahrt: Welche Rolle kann grüner Wasserstoff zukünftig spielen?
Im Testbetrieb: Erster H2-Gepäckschlepper auf dem Hamburger Flughafen_ Foto: Oliver Sorg

EEHH: Im Rahmen des Norddeutschen Reallabors wird momentan am Hamburg Airport ein auf H2 umgerüsteter Gepäckschlepper am Flughafen getestet. Wie verläuft der Test und welche Vorteile bietet H2 in diesem Anwendungsszenario?

Julian Klaaßen: Tests mit Prototypen sind manchmal unberechenbar, insofern sind wir mit dem Verlauf dieses Tests sehr zufrieden. Natürlich gibt es immer noch viel zu lernen und herauszufinden. Die neuentwickelten Bauteile sind hier das erste Mal richtig im Einsatz und die Integrität ist daher nicht unbedingt selbstverständlich. Aber so weit sehen die Leistungsdaten alle gut aus und wir sind recht optimistisch, dass wir mit dieser Technologie auch über den geplanten Testzeitraum hinaus arbeiten könnten. Gegenüber elektrischen Antrieben bietet ein mit Wasserstoff betriebenes Bodenfahrzeug den enormen Vorteil ganztägig – mit kurzen Tankstopps statt längeren Ladezeiten – im Einsatz zu sein.

EEHH: Welche Rolle nimmt das NRL in dem Test ein?

Julian Klaaßen: Der Test wird im Rahmen einer Masterarbeit wissenschaftlich begleitet.

EEHH: Sind derzeit noch weitere Projekte im Kontext von Wasserstoff geplant?

Julian Klaaßen: Bei uns am Flughafen im Moment nicht. Aber der Bedarf an Praxistests ist zweifellos groß. Wir tauschen uns im Rahmen der verschiedenen internationalen Projekte laufend zu dort laufenden Praxistests aus und sind deswegen auch auf dem Laufenden, welche Tests uns einen Mehrwert bieten könnten.

 

EEHH: Als Airport Hamburg haben Sie sich das hohe Ziel, bis 2035 Null CO2-Emissionen zu produzieren, gesteckt. Wie soll Wasserstoff zukünftig dazu beitragen dieses Ziel zu erreichen?

Julian Klaaßen: Für unsere eigenen Emissionen wird Wasserstoff vor allem eine Rolle im Fuhrpark spielen, beispielsweise bei den Gepäckschleppern. Der Einsatz als Energieträger von Flugzeugen zählt zwar in unser Ergebnis (bzw. nur in Scope 3) nicht mit rein, bietet aber Riesenpotenziale zur Einsparung von CO2.

EEHH: Können Sie aus Sicht des Hamburg Airport einen Ausblick für das Zusammenspiel von SAF und H2 für die Zukunft der Luftfahrt abgeben? Mit besonderem Fokus auf den Standort Hamburg?

Julian Klaaßen: Sustainable Aviation Fuels (SAF), alternativer Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen, wären dazu geeignet, um Kerosin zumindest anteilig zu ersetzen und damit die CO2-Emissionen von Flügen deutlich zu reduzieren. Bis 2030 ist eine Beimischquote von fünf Prozent SAF bei Flügen, die von europäischen Flughäfen starten, vorgesehen. Langfristig sind noch höhere Quoten geplant. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass der gesamte Kerosinbedarf im Luftverkehr mit SAF gedeckt werden kann. Für Kurz- und Mittelstreckenflüge bietet Wasserstoff eine mögliche Alternative. Kleinere Flugzeugtypen könnten auf der Kurzstrecke mit gasförmigem Wasserstoff, auf der Mittelstrecke (bis 2000 nautische Meilen) neue Flugzeugtypen mit flüssigem Wasserstoff betrieben werden. Beides wäre nahezu CO2eq-emissionsfrei und würde dazu führen, dass mehr SAF für die Langstrecke verfügbar wäre, für die nach aktuellem Stand der Technik Wasserstoff keine Option ist. Für die Versorgung mit Wasserstoff brauchen wir eine komplett eigene Infrastruktur am Flughafen. Und da es so etwas bislang noch nicht gibt, sind wir in verschiedenen Netzwerken und Projekten aktiv, um diese selbst zu entwickeln.

Im Interview

Julian Klaaßen verantwortet als Projektleiter die Abteilung Umwelt am Hamburg Airport. Der studierte Umweltingenieur verfügt über jahrelange Projekterfahrung am Flughafen und ist neben den Tests im Rahmen des Norddeutschen Reallabors auch in das ambitionierte Projekt NetZero 2035 involviert, welches darauf abzielt die Bodenflotte bis zum besagten Jahr emissionsfrei zu gestalten. Julian Klaaßen hat an der HAW Hamburg studiert und einen Master in Engineering in Umweltschutztechnik/Umwelttechnik.

Über Tim Zeige

Profilbild zu: Tim Zeige

Als Projektleiter Wasserstoffwirtschaft Norddeutsches Reallabor (NRL) & operative Begleitung der Norddeutschen Wasserstoffstrategie (NDWS) unterstütze ich das Team der EEHH vielfältig: (B2B) Kommunikation & Marketing, Redaktionelle Tätigkeiten Events uvm. Besonders treibt es mich an meine Fähigkeiten einzusetzen, um innovativen Technologien wie Wasserstoff eine Bühne zu bieten.

von Tim Zeige