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Großbatteriespeicher in Norddeutschland Interview mit Dieter Niewierra, Corporate Communications bei ECO STOR

Der Batteriespeichermarkt ist noch sehr jung, hat aber bereits eine beachtliche Dynamik erreicht. Im Norden, wo es ein Überangebot an Erneuerbaren Energien gibt, sind die ersten Großanlagen bereits am Netz. Wie so oft bei jungen Branchen ist die Pionierzeit noch geprägt von regulatorischem Optimierungsbedarf und Unsicherheiten vor Ort. Das Unternehmen ECO STOR hat sich trotz dessen erfolgreich etabliert und gibt einen Einblick in eines seiner jüngsten Projekte und die Herausforderungen im Umgang mit Kommunen, Netzbetreibern und den üblichen Anforderungen an große Infrastrukturprojekte.

Großbatteriespeicher in Norddeutschland

Moin Herr Niewierra, Sie haben im Mai einen Großbatteriespeicher in der Gemeinde Bollingstedt im Ortsteil Gammelund im Norden Schleswig-Holsteins in Betrieb genommen. Würden Sie uns die technischen Daten und Betriebsweise verraten?
Es handelt sich um einen Standardspeicher aus zwei Containerblöcken mit 103,5 MW Leistung und 238 MWh Kapazität auf 1,2 Hektar Fläche. Die Container sind in zwei Reihen mit 64 Containern mit den Batterien und weiteren 32 Containern mit Konvertern und weiterer Technik aufgestellt. Durch die Modul-in-Modul-Bauweise ist ein blockweiser Austausch einzelner Batterieelemente möglich, ohne dass gleich der gesamte Container gewechselt werden müsste.

Wir verstehen das Modell als Blaupause für weitere Projekte. Nicht weit entfernt vom Standort errichten wir in Schuby einen baugleichen Speicher. In Förderstedt haben wir dieses Jahr zudem mit dem Bau eines dreimal so großen Projekts begonnen, das über eine Leistung von 300 MW und Kapazität von 714 MWh verfügen wird.

Mit wie vielen Ladezyklen wird pro Jahr gerechnet?
Wir fahren täglich mit bis zu zwei kompletten Zyklen, mit Ein- und Ausspeisungen in der Regel früh am Morgen als auch abends, also bis zu ca. 730 mal pro Jahr.

 

Was können Sie zu den Batteriezellen und zur Zellchemie sagen? Spielt second life eine Rolle?

Die Lithium-Ionen-Batterien am Standort Bollingstedt kommen vom Hersteller BYD. Insgesamt sind dort 212.992 Batteriezellen in 512 Batterieschränken verbaut, gebündelt je zu acht in 64 Batteriestationen.

Second-Life-Batterien sind einzeln betrachtet durchaus sicher und zuverlässig. In Großspeichern arbeiten jedoch wie oben erklärt tausende Zellen zusammen, die möglichst identisch sein müssen. Schon kleine Unterschiede im Alterungszustand oder in der Leistung können hier zu Effizienzverlusten oder Ausfällen führen. Weil gebrauchte Batterien sehr unterschiedlich sind und ihre Restlebensdauer schwer vorhersehbar ist, fehlt die nötige Einheitlichkeit. Deshalb setzen wir bei Großbatteriespeichern nicht auf second life Batterien.

Wie sieht es mit der Effizienz und der Lebensdauer der Zellen aus?

Wir erreichen einen Wirkungsgrad von 90 Prozent. Mit dem zuvor erwähnten Lastprofil erwarten wir, dass die Zellen insgesamt zehn bis 15 Jahre halten. Ab einer Restkapazität von unter 70 Prozent würden wir über eine Erneuerung nachdenken. Um das zu beurteilen, gibt es im Betrieb ein enges Monitoring mit verschiedener Sensorik.

Welche Aspekte gibt es zu beachten bei der Erstellung eines Batteriespeichers?

Die Errichtung eines Speichers ist generell immer abhängig davon, dass ein Netzanschluss vorhanden ist. Im Falle von Bollingstedt wird dieser durch Schleswig-Holstein Netz bereitgestellt.

Abgesehen davon geht es natürlich auch um die Wahl des bestmöglichen Standorts. Bei diesem Projekt war das unproblematisch, aber die topographische Ortsbeschaffenheit kann grundsätzlich ein Thema sein, etwa wenn man mit Höhenunterschieden an Hanglagen umgehen muss.

Ist ein passendes Gelände identifiziert und sind die formellen Maßnahmen wie Grundstückssicherung und Anträge sowie Netzanschlussvertrag genehmigt, gibt es noch eine Reihe weiterer Schritte, ehe wir mit dem eigentlichen Bau beginnen können.

Dazu zählen diverse Voruntersuchungen, die geleistet werden müssen, sowie bei allen Infrastrukturprojekten auch Prüfungen bezüglich Tier- und Umweltschutz sowie Immissionsschutz. Wir haben in Bollingstedt eine sechs Meter hohe Schallschutzmauer errichtet. Die Geräuschkulisse im inneren der Anlage kann man als leises Brummen beschreiben – in einer Lautstärke vergleichbar mit dem Straßenverkehr. Außerhalb der Anlage ist die Umgebung aber tatsächlich lauter.  

Insgesamt ist zu betonen, dass wir hier ja von einem wichtigen Bestandteil der Versorgungsinfrastruktur sprechen. Das bringt große Verantwortung mit sich, die wir durch größtmögliche Sorgfalt, Expertise und unser langjähriges Knowhow beantworten wollen. Bei Projekten in dieser Größenordnung kommt es auf das reibungslose Zusammenspiel einer Vielzahl von Akteuren an – Dienstleister und Partner bei Planung, Bau und auch beim Betrieb bzw. der Vermarktung der Anlage.

Eine Herausforderung für Speicherstandorte im Allgemeinen kann aber auch sein, dass manche Netzbetreiber unvorbereitet sind auf die Anforderungen durch Energiespeicher, obwohl diese nachweislich eine netzstabilisierende Funktion haben. Sie fordern dann Maßnahmen von uns, die Leistung der Speicher abzubremsen, zum Beispiel durch zeitliche Verzögerung - sogenannte Rampen – beim Hochfahren des Speichers beziehungsweise bei der Netzeinspeisung.

Welche konkreten Akteure müssen eingebunden werden? Wo gibt es normalerweise Widerstände?
Das kommt insbesondere auf die regionale politische Zusammensetzung an. Die geografische Situation vor Ort spielt auch dahingehend hinein, als beispielsweise bereits vorhandene Windparks bei der Akzeptanz helfen können, weil es dann schon Vorerfahrung mit Erneuerbaren Energien gibt. Zumindest, wenn diese gut angenommen sind und die hiesige Bevölkerung davon profitiert. Und auch bei Batteriespeichern profitieren Kommunen finanziell seit 2025, da 90 % der anfallenden Gewerbesteuern von Energiespeicheranlagen direkt an die Standortgemeinden abgeführt werden. Für die dafür notwendige Gesetzesänderung hatten wir uns federführend stark gemacht. Davon abgesehen müssen im Dialog mit den Menschen vor Ort auch Sicherheitsbedenken genommen werden.

Wie war der Prozess der Beantragung für die Netzanschlussleistung?

Wir hatten es beim Speicherprojekt Bollingstedt mit einer günstigen Ausgangssituation zu tun. Der Netzbetreiber Schleswig-Holstein-Netz war grundsätzlich daran interessiert, netzdienliche Speicher anzuschließen, um die im Netz befindlichen Erneuerbaren wie Windparks und Solaranlagen nicht abregeln zu müssen und den so erzeugten Strom vor Ort zwischenzuspeichern. Solche progressive Offenheit ist nicht immer selbstverständlich.

Unabhängig davon sind es umfangreiche Verfahren, beginnend mit der Antragstellung und diversen darauffolgenden Prüfungen bis hin zur Planung und technischen Klärung von Aspekten wie Trassen, Übergabestationen, Steuerbarkeit etc.

Wie kommen die Projekte normalerweise zustande? Wie bahnt sich das an?

Wir kundschaften selbst nach guten Standorten in der Nähe von Umspannwerken und natürlich muss ausreichend Anschlusskapazität vorhanden sein. Teilweise kommen aber auch Anfragen direkt von Kommunen, Projektentwicklern oder einzelnen Unternehmen, die wir nach strengen Kriterien prüfen und evaluieren.

Wie viel Abwärme produzieren die Batterien? Ließe sich die Abwärme für die angrenzende Gemeinde nutzbar machen?
Aus Sicht von Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit kann es absolut sinnvoll sein, solche Optionen mitzudenken. In der Praxis ist das aber aktuell noch nicht umsetzbar, wenn die Speicher abseits von Ortschaften stehen. Dort fehlen schlicht Verbraucher oder Infrastrukturen, die die Wärme aufnehmen könnten. Der Transport über weite Strecken wäre unwirtschaftlich. Hinzu kommt, dass die Abwärme meist nur auf einem niedrigen Temperaturniveau anfällt, was die Nutzung weiter einschränkt. Auch wenn sie perspektivisch interessant bleibt, können wir diese Option derzeit noch nicht nutzen.

Der Spatenstich erfolgte noch unter der Ampel-Regierung. Wie ist die Situation für Ihr Geschäft in der neuen Legislaturperiode?

Wir haben aktuell einen offenen Markt, der noch nicht reguliert ist, der aber weiter wachsen und sich entwickeln wird. Die Notwendigkeit dafür ist klar, denn wir sehen aktuell eine deutliche Speicherlücke, unter der unsere Strominfrastruktur leidet. Dies führt zu Fieber im System, das sich in stark schwankenden Preisunterschieden und einem oft an Überhitzung leidenden Markt zeigt. Perspektivisch bräuchten wir ca. 500 Anlagen des Typs “Bollingstedt”. Es müssen daher unbedingt neue Regelungen getroffen werden, die so gestaltet sind, dass alle Akteure darin ihr Auskommen haben können. Aus unserer Sicht darf es dabei nicht um einzelne Gewinnmaximierung gehen, sondern um ein verträgliches Auskommen im Sinne der allgemeinen Wohlfahrt. Leider wurden seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aus unserer Sicht in der Interpretation des Monitoringberichts die falschen Schlüsse gezogen, die technisch und marktlich nicht begründbar sind. Wir werden uns weiterhin aktiv dafür einsetzen, dass es hier zu Regelungen kommt, die uns technisch, marktlich und nachhaltig in die Zukunft bringen.

 

Was halten Sie von unterschiedlichen Strompreiszonen (Nord / Süd)?
Grundsätzlich sind regionale Preissignale zu begrüßen. Sie machen Engpässe und Überangebote im Stromnetz sichtbar und zeigen dabei auch, wo Flexibilität besonders gebraucht wird. Dadurch entstehen gezielte Anreize für Speicher und flexible Verbraucher, ihr Verhalten am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Ohne solche Signale würde Flexibilität oft unkoordiniert und weniger wirksam eingesetzt. Deshalb sind regionale Preissignale ein zentraler Baustein und eine Voraussetzung für einen funktionierenden Flexibilitätsmarkt, wie sie bereits in der Studie zur Netzdienlichkeit des Analystenhauses NEON erklärt sind.

Zusätzlich verweise ich auf unser Positionspapier DIE 7 BRÜCKEN ZUR SPEICHER-ZUKUNFT, die wir zwischen dem bestehenden Strommarkt und dem aufstrebenden Speichermarkt aufbauen möchten. Wir machen darin Angebote, aber auch eigene Abstriche im Sinne des Wohlfahrtsgedankens, etwa indem wir die netzdienlichen Rampen bei der Einspeisung fahren.

Geben Sie uns bitte einen Ausblick: Sind Energiespeicher hier im Norden die Zukunft, oder werden langfristig Energiespeicher eher im Süden von Deutschland entstehen (vorausgesetzt die Trassen sind gebaut)? Macht es mehr Sinn Speicher dort zu bauen, wo der Storm auch benötigt wird?
Speicher entfalten den größten Nutzen, wenn sie in der Nähe der Verbraucher stehen, weil sie dort direkt zur Netzstabilität beitragen und Übertragungsverluste vermeiden. Allerdings können Speicher auch an Orten sinnvoll sein, wo besonders viel erneuerbarer Strom erzeugt wird und sonst abgeregelt werden müsste. Der Standort hängt also vom jeweiligen Ziel ab: Versorgungssicherheit, Integration erneuerbarer Energien oder Entlastung von Netzengpässen dazwischen. Wirtschaftliche Faktoren wie verfügbare Flächen, Netzanschlüsse und regionale Preissignale spielen ebenfalls eine große Rolle. Da wir insgesamt noch wesentlich mehr Speicher benötigen, kann jeder neue Speicher grundsätzlich als wichtiger Beitrag zum Gelingen der Energiewende und ihrer unumkehrbaren Etablierung angesehen werden. Der Idealfall wäre somit eine Gleichverteilung von Speichern über die gesamte Fläche der Republik hinweg.

Im Interview

Dieter Niewierra verantwortet den Bereich Corporate Communications bei ECO STOR. Der Kommunikationsprofi verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Erneuerbare Energien und Batteriespeicher, sowie Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Zu seinen Stationen vor ECO STOR gehören der Batterieentwickler VoltStorage, der Klimazertifizierer ClimatePartner oder die Nachhaltigkeits-Ratingagentur oekom Research sowie verschiedene Kommunikationsagenturen und Redaktionen.

Dieter Niewierra hat an den Universitäten Regensburg und Arizona State University in Tempe/Arizona studiert und trägt den Titel Magister Artium in den Bereichen Germanistik, Politik und Geschichtswissenschaft.

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

von Oliver Schenk