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Fernwärme nach dänischem Modell – übertragbar für Deutschland? From Hamburg to the World: EEHH-Wärmeexkursion nach Süddänemark

Dänemark ist europäischer Vorreiter der Wärmewende. Um von unserem Nachbarland zu lernen, organisierte das EEHH-Cluster (Jingkai Shi, Internationale Kooperation erneuerbare Energien und Felix Fresen, Projektleitung Sektorenkopplung) in Kooperation mit dem Königlichen Dänischen Generalkonsulat in Hamburg und dem Danish Board of District Heating eine Fachexkursion vom 20.-21. Mai 2025 nach Süddänemark. Zur Delegation gehörten 12 Vertreter*innen, u.a. von der Hamburger Behörde für Umwelt, Energie und Agrarwirtschaft, Ingenieurdienstleistern und Universtäten.

Fernwärme nach dänischem Modell – übertragbar für Deutschland?
EEHH-Delegation, Copyright: EEHH

Klare Richtungsvorgabe durch Politik

Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist entscheidend für die Erreichung der Klimaziele Deutschlands. Etwa 40% der CO2-Emissionen in Deutschland entstehen im Wärmesektor. Kommunale Wärmeplanung gilt als wichtige Säule der Wärmewende; momentan wird jedoch überwiegend mit Gas geheizt.

Im Vergleich ist Dänemark Deutschland bei der Wärmewende weit voraus. Die Ölkrise in den 1970er Jahren beeinflusse die dänische Wirtschafts- und Energiepolitik massiv. Um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, setzte die dänische Regierung auf alternative Energiequellen und den Ausbau der Fernwärme. Bereits 1979 wurde in Dänemark das Wärmeversorgungsnetz beschlossen, um die Wärmeplanung für alle Städte verpflichtend zu machen. Seit 2013 sind fossile Heizungen im Neubau verboten und seit 2016 in bestehenden Gebäuden. Heute sind ca. 70% der Haushalte in Dänemark mit Fernwärme versorgt. (Zum Vergleich: der Anteil der Wärmeversorgung in Deutschland liegt bei ca. 15%.)

Als Reaktion auf die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs wurde das Reform-Programm „Denmark Can Do More II“ 2022 etabliert, das den Ausbau der Fernwärmeversorgung als eines der zentralen Ziele im Rahmen der dänischen Klima- und Energiepolitik definiert. Demnach müssen die Kommunen in ihren Wärmeplanungen Gebiete identifizieren, die auf Fernwärme umgestellt werden bzw. an Fernwärmenetzte angeschlossen werden können.

Luftwärmepumpe, Copyright: EEHH

Integration von vielfältigen technischen Lösungen

Biomasse, Wärmepumpe und Abwärme: Das dänische Fernwärmesystem ist technologisch breit aufgestellt, und der Einsatz von Power-to-X Technologien spielt eine wichtige Rolle. So werden nicht nur erneuerbare Energien wie Windstrom und Solarthermie ins Netz zur Wärmeerzeugung eingespeist, sondern auch industrielle Abwärme. Dänemark ist weltweit führend in der Förderung großer Solarthermie-Anlagen, die in die Fernwärmesysteme integriert sind. Der Anteil von Biomasse bei der Wärmeerzeugung liegt derzeit bei 25%. In Zukunft soll er auf etwa ein Drittel sinken; die Versorgungslücke soll schrittweise durch industrielle Abwärme und Wärmepumpen gefüllt werden.

Besuch bei Project Zero, Copyright: EEHH

Fernwärme in Genossenschaft und zur Gemeinnützigkeit

In Sønderborg, Egtved, Horsens und Vojens war die EEHH-Delegation besonders beeindruckt von der starken kollaborativen Kultur und der Organisation der Wärmewende in Form von Genossenschaften. In Dänemark werden etwa 85% der Fernwärmenetze genossenschaftlich betrieben. Die Fernwärmebetreiber dürfen keinen Gewinn machen, müssen aber ihre Kosten decken. Etwaige Überschüsse fließen entweder in Form von niedrigen Wärmepreisen an die Verbraucher*innen zurück oder werden als Dividende ausgeschüttet. Die Fernwärmebetreiber gehören den Verbraucher*innen selbst. Sie kaufen die Genossenschaftsanteile und sind damit kollektive Eigentümer.

Nicht nur im Bereich der Fernwärme sind die Dänen einen Schritt voraus. In Sønderborg lernte die EEHH-Delegation die lokale Klimainitiative „Projekt Zero“ kennen. Die Gemeinde Sønderborg möchte bis 2029 CO2-neutral werden. 80% des Projektes sind bereits abgeschlossen, und das Netto-Null-Ziel wird fristgereicht erreicht. Effizienz und Reduktion des Stromverbrauchs standen hier an erster Stelle, und so konnten zwischen 2007 und 2023 die CO2-Emissionen bereits um zwei Drittel gesenkt werden. Ein Drittel davon ist auf Energieeffizienzmaßnahmen zurückzuführen. Wichtige Erkenntnisse waren hier, dass der Projekterfolg hier auf intersektoraler Zusammenarbeit sowie auf guter Kommunikation mit Bürger*innen und Stakeholdern basiert.

Fazit

Auf Deutschland ist das dänische Wärmekonzept ohne direkte Adaptierung sicherlich kaum übertragbar. Der kontinuierliche politische und gesellschaftliche Konsens über Klimaneutralität und die pragmatische Zusammenarbeit zwischen den Akteuren sind entscheidende Erfolgsfaktoren für die dänischen Wärmewende, die wir bei der Beschleunigung der Dekarbonisierung des Wärmesektors in Deutschland mehr denn je brauchen könnten.

Durch den großen Nutzen der Genossenschaften können in Dänemark auch in ländlichen Bereichen mit relativ geringer Wärmedichte Fernwärmenetze betrieben werden, was in Deutschland unrentabel wäre, obwohl die Ortschaften, mit denen in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen vergleichbar sind.

Ob finanzielle Anreize für eine geringe Rücklauftemperatur im Wärmenetz oder die Organisation der Fernwärme durch Genossenschaften – die Eindrücke der Reise werden bei uns und den Teilnehmer*innen der Delegationsreise noch lange nachklingen.

Das EEHH-Cluster bedankt sich bei seinen dänischen Partnern für die gute Zusammenarbeit und freut sich auf weitere gemeinsame Aktivitäten.

Über Felix Fresen

Profilbild zu: Felix Fresen

Im Cluster EEHH verantworte ich den Bereich Sektorenkopplung. Dabei liegt mein Fokus auf der Integration von Wärme und Batterietechnologien in ein nachhaltiges Energiesystem. Ich vernetze Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um innovative Lösungen für eine klimafreundliche Zukunft voranzutreiben und Hamburg als Vorreiter in der Energiewende zu positionieren.

von Felix Fresen