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Farbenlehre des Wasserstoffs - wohin führen Wasserstofffarben? Chatham Partners erklären, welche Farben was bedeutet, und wann es auf die Farbe ankommt.

Der heutige Artikel beschäftigt sich mit der Farbenlehre von Wasserstoff und den damit verbundenen Begriffen.

Farbenlehre des Wasserstoffs - wohin führen Wasserstofffarben?
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In den vorherigen Artikeln haben sich die Expert:innen von Chatham Partners Marieke Lüdecke, Dr. Christos Paraschiakos, Hannah Randau und Jonas Versen mit dem Status quo des Rechtsrahmens für Grünen Wasserstoff, dem Import und der Zertifizierung sowie den Sektorzielen für Verkehr und Industrie in Bezug auf Grünen Wasserstoff befasst. Der heutige Artikel beschäftigt sich mit der Farbenlehre von Wasserstoff und den damit verbundenen Begriffen.

Warum wird Wasserstoff überhaupt nach Farben unterschieden? Grund hierfür sind die vielen Herstellungsverfahren, die gänzlich unterschiedliche Ausgangsstoffe und Nachhaltigkeitsbilanzen aufweisen, ohne sich auf die chemische Qualität des Endprodukts auszuwirken. Je nach angewandtem Verfahren kann Wasserstoff daher umweltverträglich oder auch umweltschädlich sein. Da natürliche Wasserstoffvorkommen (zurzeit) nicht zur Verfügung stehen, ist die Produktion die einzige Möglichkeit, Wasserstoff in Reinform zur Verfügung zu stellen.

Die Farbenlehre von Wasserstoff
Um zu zeigen, unter welchen Bedingungen und mit welcher Technologie Wasserstoff produziert wurde, wird auf eine mittlerweile weit verbreitete Farbenlehre zurückgegriffen. Die vier Grundfarben grün, grau, blau und türkis stehen dabei im Fokus. Grauer Wasserstoff wird im Wege der Reformierung von Erdgas gewonnen. Er nimmt auf dem bisherigen Wasserstoffmarkt den völlig überwiegenden Anteil ein. Die Herstellung Grauen Wasserstoffs läuft ohne die Nutzung erneuerbarer Energien ab und ist zudem sehr treibhausgasintensiv. Bei Blauem und Türkisem Wasserstoff werden ebenfalls fossile Ausgangsstoffe wie Erdgas oder andere Kohlenwasserstoffe eingesetzt. Allerdings werden Kohlenstoffabscheidungstechnologien (blau) oder hochthermische Aufspaltungsverfahren wie die Pyrolyse (türkis) eingesetzt, um das Entweichen von Treibhausgasen in die Atmosphäre möglichst zu verhindern. Der Erfolg dieser Technologien ist im Einzelnen umstritten. Doch sie werden als mögliche Brückentechnologien verstanden, die Grauen Wasserstoff so lange substituieren könnten, bis ausreichend Grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.

Erneuerbar und damit grün ist Wasserstoff dann, wenn er mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird und die Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien gespeist wird. Für die Elektrolyse gibt es eine Reihe weiterer Farbzuweisungen, die sich nach der Art der Stromerzeugung richten. Insbesondere Atomstrom nimmt dabei eine Sonderrolle ein. Wasserstoff aus Atomstrom wird zumeist als rot, pink oder violett bezeichnet.

Wasserstofffarben im Energierecht
Im deutschen und europäischen Energierecht findet sich diese Farbenlehre bisher kaum wieder. Die europäische Wasserstoffterminologie wird vom RFNBO-Begriff dominiert (hierzu unser Artikel zur Definition von Grünem Wasserstoff). Eine Erweiterung um den Begriff des kohlenstoffarmen Wasserstoffs wird mit der Reform der Gasbinnenmarktrichtlinie eingeführt werden. Kohlenstoffarmer Wasserstoff wird aus fossilen Ausgangsprodukten, aber unter Absenkung der Treibhausgasintensität gegenüber Grauem Wasserstoff produziert. Er entspricht (nach aktuellem Kenntnisstand) ungefähr der blauen und türkisen Wasserstofffarbe. Einzelne Abgrenzungsfragen über die Bestimmung und Berechnung der zu erreichenden Einsparungen sind noch nicht beantwortet. Sie sollen wie schon beim RFNBO-Begriff über Delegierte Rechtsakte geklärt werden.

Der Begriff „Grüner Wasserstoff“ wird mittlerweile auch vom deutschen Gesetzgeber aufgegriffen und soll demnächst weiter konkretisiert werden. So findet sich der Begriff im Energiefinanzierungsgesetz (EnFG), im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) und im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023). Damit soll diese Wasserstoffkategorie gezielt gefördert werden: So kann etwa nach § 25 EnFG bei der Produktion von Grünem Wasserstoff eine Umlagenbefreiung zur Absenkung der Stromkosten für die Elektrolyse beansprucht werden. Das WindSeeG sieht vor, dass gem. § 53 in den Ausschreibungsverfahren für voruntersuchte Offshore-Flächen den Einsatz von Grünem Wasserstoff als qualitatives Kriterium für die Zuschlagserteilung berücksichtigt werden soll und enthält in § 96 Nr. 9 eine Verordnungsermächtigung, um systemdienlich mit Elektrolyseuren erzeugtem grünen Wasserstoff auszuschreiben und zu fördern. Das EEG sieht zudem Ausschreibungsverfahren für Stromspeicherung oder Stromproduktion aus Grünem Wasserstoff vor.

Die dabei maßgebliche Definition für Grünen Wasserstoff wird der Bund demnächst festlegen. Hierfür beabsichtigt er, die Detailanforderungen an Grünen Wasserstoff in Anlehnung an die Vorgaben zum RFNBO-Begriff umzusetzen. Da der RFNBO-Begriff sich (noch) auf den Verkehrssektor bezieht, betrifft die Umsetzung zunächst die im Immissionsschutzrecht geregelte THG-Quote. Daher sollen die Anforderungen an Grünen Wasserstoff in der 37. BImSchV (Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes) festgelegt werden. Dies wird wahrscheinlich die Grundlage für die Begriffsbestimmung auch in anderen Sektoren sein. In Deutschland wird also Wasserstoff als grün gelten, wenn er den Anforderungen der Delegierten Rechtsakte entspricht – obwohl diese selbst keine Farbzuweisung vornehmen.

Für Grünen Wasserstoff sollen Letztverbraucher voraussichtlich Herkunftsnachweise erhalten. Die Detailumsetzung steht auch hier noch aus. Inwiefern Kunden die Nachweise auch nutzen können, um die eigene Wertschöpfungskette oder eigene Produkte (wie z.B. Stahl) grün zu „färben“, ist noch unklar.

Quo vadis Farbenlehre?
Die eingängige Farbenlehre von Wasserstoff ist insbesondere für Verbraucher oder öffentlichkeitswirksame Vorhaben zur Dekarbonisierung vielversprechend. Denn über eine farbliche Eigenschaft kann leicht verständlich die Nachhaltigkeit des Produkts oder Projekts kommuniziert werden. Bei der rechtlichen Festlegung von Wasserstoffkategorien hat das Tauziehen um die Delegierten Rechtsakte aber belegt, dass sich viele Fragen zu Details und Praxistauglichkeit stellen, die weit über die „einfache“ Farbzuweisung hinausgehen. Die ursprüngliche Aussagekraft der Farbenlehre gerät dann ins Wanken. Zudem sehen die Delegierten Rechtsakte auch Produktionsstile vor, die nicht oder nicht ausschließlich mittels erneuerbaren Stroms operieren. Das lässt die Farbzuweisung „grün“ teilweise fragwürdig erscheinen.

Ob sich die Farbenlehre langfristig durchsetzen wird oder eine andere Kategorisierung von Wasserstoff zukunftstauglicher ist, ist offen. Die Delegierten Rechtsakte zeigen, dass die Kategorisierung von nachhaltigem Wasserstoff farblich neutral anhand der Treibhausgasintensität pro erzeugter Energiemenge erfolgen könnte. Die noch ausstehende Definition von Kohlenstoffarmem Wasserstoff auf europäischer Ebene könnte die Weichen dafür stellen, wie künftig Wasserstoffarten unterschieden werden.

Fest steht bisher nur, dass nicht jede Wasserstofffarbe im Sinne einer erneuerbaren Energiewirtschaft wünschenswert ist und eine Transformation zu vollständig erneuerbaren Wertschöpfungsketten notwendig ist. Entscheidend ist dabei nicht, ob Wasserstoffkategorien einer bestimmten Farbenlehre entsprechen. Auf die inhaltliche Qualität und Nachhaltigkeit der Kategorien kommt es an. Es bleibt abzuwarten, welche Akzente die Bundesregierung mit der Wasserstoffstrategie 2.0 setzen wird.

Wir danken unserem wiss. Mit. Timo Pittau für seine wertvolle Unterstützung beim Verfassen dieses Beitrags.

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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