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Quo vadis, Energiewende in Hamburg? Interview mit Umweltsenatorin Katharina Fegebank
Die Zweite Bürgermeisterin und Senatorin der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Katharina Fegebank, gibt im Gespräch einen umfassenden Überblick zu den Plänen und besonderen Herausforderungen bei Wind- und PV-Ausbau im Stadtstaat, zur Erfüllung des Hamburger Klimaplans, der kommunalen Wärmeplanung und dem Wasserstoffhochlauf.

Moin Frau Fegebank, vielen Dank, dass Sie sich unseren Fragen zum status quo der Energiewende in Hamburg stellen. Starten wir gleich ins Thema: Stadtstaaten stehen bei der Energiewende vor anderen Voraussetzungen als Flächenstaaten. Welchen Fokus setzt die Freie und Hansestadt Hamburg beziehungsweise Ihre Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) und welchen besonderen Herausforderungen steht sie gegenüber?
Wir setzen in Hamburg bei der Energiewende auf Dekarbonisierung, mehr Effizienz und die Integration Erneuerbarer Energien in die urbane Infrastruktur. Städtische Unternehmen wie die Hamburger Energiewerke und Energienetze nehmen dabei eine zentrale Vorbildrolle ein.
Als Stadtstaat stehen wir vor der besonderen Herausforderung, dass Flächen knapp und stark nachgefragt sind und daher zum Beispiel Flächen für Windkraft oder Photovoltaik-Anlagen sehr begrenzt sind. Deshalb setzen wir einen klaren Fokus auf die Mehrfachnutzung von Flächen, wie zum Beispiel die Nutzung von Gebäudedächern für Photovoltaik. Zusätzlich unterstützen wir innovative Ansätze wie beispielsweise Parkplatz-PV und Agri-PV, um auch hier Flächen mehrfach zu nutzen.
Eine weitere Herausforderung ist die Umstellung der Wärmeversorgung in den Haushalten von fossilen Energien auf beispielsweise Wärmepumpen: Zwar sind im Neubau Wärmepumpen bereits heute weitestgehend Standard, und im Bestand sind deutliche Fortschritte bei der Umstellung erkennbar. Mit der im Bundeskoalitionsvertrag vereinbarten Abschaffung des „Heizungsgesetzes“ besteht allerdings Verunsicherung bei Verbrauchern und Betrieben. In Hamburg setzen wir uns daher für verlässliche Rahmenbedingungen bei der Wärmeversorgung ein. Und wir haben ein umfassendes Maßnahmenpaket an Beratungs-, Informations- und Förderangeboten geschnürt, um der Verunsicherung entgegenzuwirken.
Die Herausforderungen sind groß, aber die Vorbildfunktion bietet auch die Möglichkeit, die Transformation der Energieversorgung nachhaltig und sichtbar zu prägen – weit über Hamburg hinaus. Wir sind von unserem Weg überzeugt und investieren als Stadt massiv in die Energieinfrastruktur – allein in den nächsten fünf Jahren rund 4,5 Milliarden Euro.
Wenn wir auf die Hamburger Energiewende schauen, welche Meilensteine wurden auf dem Weg zur Klimaneutralität bislang erreicht?
Mit der Rekommunalisierung der Strom-, Gas- und des zentralen Fernwärmenetzes hat Hamburg nicht nur wirtschaftlich tragfähige Strukturen geschaffen, sondern vor allem eines gewonnen: energiepolitische Souveränität. Heute gestalten wir als Stadt die Energiewende mit unseren eigenen Unternehmen – und zwar aktiv. Der Rückkauf hat gezeigt, dass kommunale Steuerung ein echtes Erfolgsmodell in der Energiewende sein kann.
Weitere Meilensteine sind innovative Projekte wie die Power-to-Heat-Anlagen „Karoline“ und in Wedel, mittels derer erneuerbarer Strom direkt in die Fernwärmeversorgung integriert werden kann. Zu nennen sind auch der begonnene Umbau der Kraftwerke Tiefstack und Wedel sowie die Stilllegung und der nun fast vollendete Rückbau des Kraftwerkes Moorburg. Dadurch konnte mit Bau eines 100-MW-Elektrolyseurs im Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH) begonnen werden, ebenso sowie mit dem Bau des Wasserstofftransportnetzes. Ein Meilenstein, ist Hamburg dadurch doch ins Wasserstoffzeitalter eingestiegen und inzwischen bundesweiter Frontrunner bei dem Thema.
Wie wird sichergestellt, dass der Hamburger Klimaplan erfüllt bzw. eingehalten wird?
Die Klimaziele Hamburgs sind im Hamburgischen Klimaschutzgesetz und in unserem Koalitionsvertrag festgelegt: Bis 2030 wollen wir eine CO2-Reduktion um 70 Prozent gegenüber 1990 erreichen, die CO2-Neutralität soll bis spätestens 2045, möglichst schon früher erreicht werden. Entsprechend der gesetzlichen Regelung, berichtet der Senat der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit alle zwei Jahre über den Stand der Zielerreichung, das nächste Mal Ende 2025. Dabei werden wir analysieren, ob Hamburg auf dem richtigen Zielpfad ist. Falls nicht, werden wir Möglichkeiten der Nachsteuerung beraten.
Wie soll in den kommenden Jahren der Anteil Erneuerbarer Energien von weniger als einem Viertel bei der Stromproduktion zum Vergleichsjahr 2023 erhöht werden?
Wir planen im Rahmen unserer PV-Strategie einen massiven – intelligenten – Ausbau von PV unter Berücksichtigung von Speicherlösungen. Und im Bereich Windenergie planen wir die möglichst schnelle Ausweisung von neuen Windvorrangflächen und die Realisierung von Einzelstandorten im Hafengebiet. Wir wollen den Flächenbeitragswert aus dem Windenergieflächenbedarfsgesetz deutlich früher, nämlich bereits zum 31. Dezember 2027 statt 2032, erreichen.
Welche konkreten Pläne verfolgt die Behörde, um den Windenergieausbau in Hamburg voranzutreiben (gemäß Windenergiebedarfsgesetz: Bis 2032 0,5 % der Landesfläche) und welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
Die Herausforderung ist, wie bereits beschrieben: die Konkurrenz um mangelnde Flächen und vielfältige, oft divergierende Interessen. Hinzu kommt, dass auch die Änderung von Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm komplexe Verfahren sind. Hier gilt es, die verschiedenen Belange gut abzuwägen und gute Kompromisse zu finden. Konkret wurde beispielsweise der komplette Hafen über ein eigenständiges Gutachten untersucht und potenzielle Flächen sowie aktuelle Hemmnisse wie zum Beispiel im Bereich des Artenschutzes, des Denkmalschutzes oder auch des Störfallrechtes herausgearbeitet. Mit diesen Ergebnissen führt die Erneuerbare Hafenenergie GmbH intensive Gespräche mit den Hafenfirmen, um den weiteren Ausbau der Windenergie auch im Hafen voranzubringen.
Wie soll der PV-Ausbau in Hamburg beschleunigt werden?
Unsere Photovoltaikstrategie verfolgt neben dem deutlichen Ausbau drei Ziele: Synergien schaffen, Hemmnisse gezielt abbauen und Erfolge sichtbar machen – um zu zeigen, dass PV eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Um heutzutage etwa ein Balkonkraftwerk zu installieren, muss man längst nicht mehr so tief in die Tasche greifen. Wir bieten begleitend umfangreiche Beratungsangebote beispielsweise durch die Energielotsen, zielgruppenspezifische und praxisorientierte Informationen auf unserer zentralen Webseite, zeigen best-practice-Beispiele zum Nachahmen und werden weitere Maßnahmen entwickeln, auch in punkto Förderung.
Laut Koalitionsvertrag sind „bis 2030 mindestens 80 Prozent der für PV geeigneten Dachflächen auszuschöpfen“. Gibt es auf Seiten der FHH/BUKEA bereits ein Konzept, wie dieses ambitionierte Ziel in 5 Jahren erreicht werden kann?
Ja, das gibt es. Neben den bereits genannten Maßnahmen wird beispielsweise zum einen der Ausbau auf städtischen Gebäuden erstmals durch ein einheitliches Management vorangebracht, sichergestellt durch die Gründung des inhousefähigen Unternehmens HEnW KommunalEnergie GmbH (HKE). Des Weiteren fördern wir als Umweltbehörde gezielt die Vollbelegung von Dachflächen, um Dächer mit hohem Potenzial noch effektiver für die Solarstromerzeugung zu nutzen.
Gibt es Bestrebungen, PV-Projekte in Hamburg (z.B. Parkplatz PV) durch eigene Förderprogramme zu unterstützen?
Wie gesagt, wir bieten bereits Förderungen an. Wobei auch gesagt werden muss, dass viele PV-Projekte bereits wirtschaftlich attraktiv sind. Stellplatz-Photovoltaik nutzt versiegelte Flächen nicht nur clever, sondern auch effizient für die Stromerzeugung. Zudem bietet sich eine Kombination mit E-Ladesäulen an. Noch dazu schützen Solarmodule auf Stellplatzüberdachungen Fahrzeuge vor Witterung und bieten somit auch den Nutzer:innen einen Mehrwert. Das ist doch eine Win-Win-Win-Situation, oder nicht? Seit 2024 gilt im Übrigen in Hamburg eine Photovoltaikpflicht für neue oder erweiterte Stellplatzanlagen mit mehr als 35 Plätzen.
Nach 10 Jahren Senator Jens Kerstan a. D. in der Behördenleitung, was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen, um sein Vermächtnis fortzuführen?
Unser Ziel ist es, dass Hamburg bis spätestens zum Jahr 2045 klimaneutral ist. Dafür möchte ich all die großen Infrastrukturprojekte, die mein Vorgänger im Hinblick auf die Energie- und Wärmewende zugunsten des Klimaschutzes so erfolgreich auf den Weg gebracht hat, weiter konsequent umsetzen.
Aber die Wende schaffen wir nur mit allen zusammen, gemeinsam. Daher ist es mir wichtig, für unsere Zukunftsthemen – Klima- und Umweltschutz, Artenvielfalt, Nachhaltigkeit und die Energie- und Wärmewende – wieder Begeisterung bei den Menschen zu wecken und die Vorbehalte abzubauen. Damit jede und jeder sich engagiert und versteht, dass wir es nur gemeinsam schaffen werden, eine weiterhin lebenswerte Zukunft für uns, unsere Kinder und Enkelkinder zu sichern. Wir brauchen einen neuen „Gemeinschaftsgeist“ bei diesen Themen.
Die kommunale Wärmeplanung muss laut Bundesgesetz bis Mitte 2026 abgeschlossen sein. Welche Maßnahmen ergreift die BUKEA, um die Wärmewende in Hamburg zu beschleunigen, insbesondere im Hinblick auf den Ausbau von erneuerbaren Heizsystemen?
Auch hier setzen wir auf verschiedene Förderprogramme, wie der Hamburger Heizungsförderung, bei der Wärmenetzanschlüsse oder der Einbau von Wärmepumpen gefördert werden. Wir bereiten darüber hinaus weitere Förderangebote für gemeinschaftliche Wärmeversorgung vor, prüfen weitere Unterstützungsangebote wie etwas Quartiers- oder Nachbarschaftslösungen, und wir bieten mit unserer Wärmepumpenkampagne ein umfassendes Beratungs- und Informationsangebote für alle Zielgruppen an.
Welche Rolle spielt die BUKEA beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft?
Unsere Behörde spielt eine maßgebliche Rolle beim Aufbau einer klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft. Wir sind zusammen mit der Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Innovation (BWAI) beteiligt am Aufbau des HGHH, des derzeit größten Elektrolyseurs zur Erzeugung von grünem Wasserstoff auf hamburgischen Gebiet. Daneben unterstützen wir maßgeblich die Entwicklung des Standortes Moorburg als Green Energy Hub. Wir fördern gemeinsam mit dem Bund den Bau des Wasserstoffnetzes HH-WIN, das Teil des Wasserstoffkernnetzes ist, mit 3-stelligen Millionenbeträgen. Neben diesen großen Infrastrukturprojekten unterstützen wir Unternehmen, die Wasserstoff nutzen, mit pragmatischen Lösungen beim Anschluss an das Wasserstoffnetz und stehen generell im Austausch mit energieintensiven Unternehmen, um den Bedarf an Wasserstoff abzuschätzen und die Hürden für eine Nutzung zu minimieren. Hinzu kommt unsere Rolle als Genehmigungsbehörde. Wir bauen hier kontinuierlich Wissen auf, um solche komplexen Anlagen zu genehmigen und zu überwachen. Gemeinsam mit der Wirtschaftsbehörde entwickeln wir Hamburg auf diese Weise zum Hotspot für Wasserstofferzeugung, -umschlag, -transport und -nutzung.
Welche Rolle spielen lokale Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger bei der Umsetzung der Energiewende in Hamburg, und gibt es spezielle Beteiligungsprogramme (z.B. im Bereich Windenergie)?
Lokale Unternehmen und Bürger:innen spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Energiewende in Hamburg. Die Akzeptanz und aktive Beteiligung der Bürger:innen sind für das Gelingen der Energiewende unerlässlich. Die Bürger:innen sollen nicht nur informiert, sondern auch in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, etwa bei der Planung und Umsetzung von Energieprojekten (z.B. Windenergieanlagen, Photovoltaik auf Dächern, Wärmeplanung). (Lesetipp d. Redaktion: Siehe hierzu die Zusammenfassung der EEHH-Unkonferenz)
Hamburg setzt deshalb gezielt auf Beteiligung und Transparenz. Ein besonders gelungenes Beispiel ist der Beteiligungsprozess rund um die Dekarbonisierung des Standorts Tiefstack: Mit der Kampagne „Tschüss Kohle“ wurden Bürger:innen, Verbände und weitere Stakeholder frühzeitig eingebunden, um gemeinsam Alternativen für die klimafreundliche Wärmeversorgung zu entwickeln. Darüber hinaus gibt es Kundenbeiräte in den öffentlichen Unternehmen und weitere Dialogangebote, die die Bürger:innen aktiv in die Gestaltung der Energiewende einbinden. So wird die Transformation zur Klimaneutralität in Hamburg als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden – getragen von Stadt, Wirtschaft und Gesellschaft.
Wie plant die Behörde, die Akzeptanz und das Bewusstsein der Bevölkerung für die Energiewende zu erhöhen?
Durch kontinuierlichen Dialog, umfassende Information, zielgenaue Förderprogramme und umfassende Beteiligung. Nur dadurch werden wir die Bürgerinnen und Bürger für die Energiewende gewinnen können.
Dazu führen wir Informationskampagnen und Veranstaltungen durch, bieten Beteiligungsformate wie bereits beschrieben, informieren über sämtliche Kommunikationswege, wie unseren Internetseiten, über die Medien, aber auch auf allen uns zur Verfügung stehenden Social Media-Plattformen, verteilen Flyer und weisen z. B. über Plakatierungen oder auch Content im Fahrgastfernsehen im gesamten Stadtgebiet auf diese Themen hin. Wir bieten die kostenlose Energieberatung der Hamburger Energielotsen an zu allen Fragen rund um Gebäudeenergie und die Anpassung an Klimafolgen wie Hitzeschutz oder Schutz vor Überschwemmungen.
Wie wird die Stadt Hamburg sicherstellen, dass die Energiewende sozial gerecht gestaltet wird und alle Bevölkerungsgruppen profitieren?
Klimaschutzmaßnahmen müssen sozial ausgewogen gestaltet werden, damit alle gesellschaftlichen Gruppen von der Energiewende profitieren und niemand überfordert wird – und auch, damit die Bereitschaft, „mitzumachen“, am Ende nicht am Finanziellen scheitert. Die soziale Dimension ist ein zentrales Thema bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen und wird kontinuierlich mitgedacht und überprüft.
Förderprogramme werden so ausgestaltet, dass auch Mieter:innen und Menschen mit geringem Einkommen Zugang zu Fördermitteln und Beratungsangeboten erhalten. Über das von der BUKEA co-finanzierte Projekte „Stromspar-Check“ werden gezielt einkommensschwache Haushalte unterstützt, um ihren Energie- und Wasserverbrauch und die Kosten zu senken.
Beim Mieterstrom sehen wir Handlungsbedarf und streben auf Bundesebene an, den Zugang zu Mieterstromangeboten zu optimieren. Mögliche Mehrbelastungen durch die Energiewende müssen sozial abgefedert werden. Wir wollen hierzu eine belastbare Strategie entwickeln, die besonders einkommensschwache Haushalte unterstützt und schützt. Energetische Sanierungen etwa dürfen nicht dazu führen, dass Mieter:innen aus ihren Stadtteilen verdrängt werden.
Vielen Dank für das Gespräch!