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Die Zukunft von Energy Sharing in Deutschland

Bereits 2018 hat die EU die rechtlichen Grundlagen für Energy Sharing geschaffen. Anschließend haben viele Mitgliedsstaaten die in der Richtlinie geforderten Möglichkeiten zum dezentralen Teilen von Energie möglich gemacht. Auch durch die Transformation des Energiesystems hin zu vielen dezentralen Erzeugungseinheiten steigt das Interesse daran, Strom lokal zu teilen. Jetzt hat es der Begriff in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD geschafft. Wie steht es also um Energy Sharing in Deutschland? Was kann zukünftig erwartet werden?

Die Zukunft von Energy Sharing in Deutschland
Adobe Stock/Yurima

Die Bilanzierung physikalischer Stromflüsse

Wortwörtlich lässt sich der Begriff Energy Sharing als „das Teilen von Energie“ ins Deutsche übersetzen. Physikalisch betrachtet, fließt Strom jedoch immer auf direktem Weg zum nächstgelegenen Verbraucher, sodass dezentral erzeugter Strom im weitesten Sinne dauerhaft geteilt wird. In der energiewirtschaftlichen Perspektive geht es beim Energy Sharing darum, wie diese Stromflüsse bilanziert und abgerechnet werden können. Hieraus ergeben sich unterschiedliche regulatorische Modelle und Ansätze, wie Energie untereinander „geteilt“ werden kann.

Aufgrund vieler verschiedener Sichtweisen wird der Begriff außerdem sehr schwammig genutzt. Häufig wird im deutschen Kontext Energy Sharing definiert als „… die gemeinschaftliche Stromerzeugung und -verbrauch in räumlichem Zusammenhang, jedoch einschließlich der Nutzung des öffentlichen Stromnetzes …“ (Ritter et al., 2023).

Dabei wird grundlegend zwischen zwei übergeordneten Formen des Energy Sharings unterschieden: zum einen kann Energy Sharing als dezentrales Konzept umgesetzt werden, bei welchem Erzeuger und Verbraucher bilateral miteinander in Verbindung treten (Peer-to-Peer/dezentrales Energy Sharing). Zum anderen kann Energy Sharing als zentralisiertes Modell umgesetzt werden, bei dem sich Akteure in Gemeinschaften zusammenschließen und gemeinsam agieren (gemeinschaftliches/zentralisiertes Energy Sharing). Beiden Energy-Sharing-Formen ist gemein, dass eine Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch gegeben sein muss. Aus diesem und anderen Gründen sind daher digitale Technologien, wie beispielsweise Smart Meter, ein notwendiger Baustein für die Umsetzung von Energy Sharing.

Die Argumente für und erhofften Effekte von Energy Sharing lassen sich grundlegend in drei Bereiche kategorisieren:

1. Energy Sharing könnte den Ausbau von EE-Anlagen befördern, indem private Investitionen, durch bspw. die Aussicht auf geringere Stromkosten, angereizt werden.
2. Energy Sharing könnte die Teilhabe an der Energiewende in der breiten Bevölkerung erleichtern und damit die Akzeptanz steigern.
3. Energy Sharing könnte durch einen direkten und flexiblen Verbrauch vor Ort zu weniger Netzausbau führen.

Allerdings gibt es noch keine aussagekräftigen Daten, ob und in welcher Höhe die positiven Effekte von Energy Sharing auftreten und aufgrund der vielen relevanten Faktoren ist es schwierig Voraussagen zu treffen.

Status quo der rechtlichen Rahmenbedingungen im deutsch-europäischen Kontext

Wie bereits beschrieben, hat die EU schon vor längerem Energy Sharing in europäischem Recht verankert. Zunächst wurden die Konzepte der gemeinsam handelnden Eigenversorger im Bereich erneuerbare Elektrizität (Art. 21 RED II), die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEGe, Art. 22 RED II) und die Bürgerenergiegemeinschaften (Art. 16 EMD) eingeführt. Die erste Form beschreibt Energy Sharing innerhalb eines Gebäudes, bspw. ein Mehrparteienhaus, und damit ohne die Nutzung des öffentlichen Netzes (im Gegensatz zur obenstehenden Definition). Die zweite Form beschreibt eine juristische Person, die aus natürlichen Personen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie öffentlichen Einrichtungen bestehen kann und Eigentümerin sowie Betreiberin von EE-Anlagen in der Nähe der Gemeinschaft ist. Bürgerenergiegemeinschaften sind ebenfalls juristische Person, ähnlich zur EEGe, die im Vergleich neben der Energieerzeugung allerdings auch weitere Aktivitäten verfolgen können und nicht auf EE sowie eine lokale Nähe zu ihren Mitgliedern beschränkt sind.

Eine klare rechtliche Definition von Energy Sharing fand durch die EU allerdings erst mit der Electricity Market Design Reform (EMD III) im Sommer 2024 statt, welche Energy Sharing als „… den Eigenverbrauch aktiver Kunden von Energie aus erneuerbaren Quellen …“ (Art. 2 EMD III) definiert. „Aktiver Kunde“ bezeichnet einen Endkunden der, allein oder mit anderen gemeinsam, selbst erzeugte Elektrizität verbraucht, speichert oder verkauft. Die EMD III sieht außerdem weiterführende Erleichterungen, wie das Wegfallen gewisser Lieferantenpflichten, für Energy Sharing vor und räumt den Spielraum ein, auch nicht KMU bei einer Anlagengröße bis maximal 6 MW teilnehmen zu lassen.

Deutschland weist bereits spezifische Regelungen auf, welche die Regularien der EU aufgreifen. Bei der Form gemeinsam handelnder Eigenversorger wird in Deutschland über den § 42a EnWG das Mieterstrommodell und durch § 42b EnWG die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung definiert. Beide Formen zeichnen sich dadurch aus, dass sie unter die Definition der Kundenanlage (§ 3, Nr. 24a EnWG) fallen und eine eigene Netzstruktur, unabhängig von dem öffentlichen Stromnetz, aufweisen. Zudem beschreiben in Deutschland die §§ 3 und 22b EEG 2023 Bürgerenergiegesellschaften, welche den EEGe aus der RED II ähneln. Allerdings dürfen Mitglieder dieser Gesellschaften bisher nur gemeinschaftlich Strom produzieren und verkaufen, diesen aber selbst nicht, wie eigentlich von der EU vorgesehen, verbrauchen. Was jedoch in Deutschland fehlt und in den letzten Jahren für Forderungen nach einer umfassenden Umsetzung von ES im öffentlichen Diskurs gesorgt hat, sind gesonderte Regelungen für Energy Sharing unter Nutzung des öffentlichen Netzes. Laut dem Umweltbundesamt habe bis zur EMD III jedoch keine weitere Umsetzungspflicht für Deutschland bestanden, da Energy Sharing in der Theorie unter den geltenden Regelungen möglich, wenn auch sehr kompliziert und unwirtschaftlich, ist. Durch die Neuerungen der EU ergibt sich eine Umsetzungspflicht, sodass Deutschland den Vorgaben aus der EMD III bis spätestens zum 17. Juli 2026 nachkommen muss.

Gesetzesentwurf und das Ende der Ampel-Koalition

Über die vergangenen Jahre wurden bereits konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für Energy Sharing von verschiedenen Akteuren in den öffentlichen Diskurs eingebracht (u. a. bne, BBEn, Energy Brainpool). Das BMWK hat schließlich im November 2024 einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Einführung von Energy Sharing durch den § 42c EnWG vorsah und die Umsetzungspflicht der EU erfüllen sollte. Durch das Scheitern der Ampelregierung ist dieser nicht mehr vom Bundestag beschlossen worden.

Grundlegend würde der § 42c EnWG die Nutzung des öffentlichen Netzes und den Abschluss von Verträgen zwischen Anlagenbetreibern und Letztverbrauchern zur gemeinsamen Nutzung von erneuerbarem Strom erlauben (Peer-to-Peer Energy Sharing). Allerdings müssen sich die beteiligten Akteure im gleichen Bilanzierungsgebiet und damit in gewisser räumlicher Nähe zueinander befinden. Teilnehmen dürfen hierbei Privatpersonen, öffentliche Einrichtungen, als auch KMUs, Gesellschaften und Genossenschaften, die nicht im Energiesektor tätig sind. Vertraglich muss zwischen Anlagenbetreibern und Verbrauchern ein Aufteilungsschlüssel, der die Strommengen regelt, sowie ein Preis pro kWh Strom festgelegt werden.

Die Lieferantenpflichten aus §§ 5, 40, 41 und 42 EnWG entfallen für den Betreiber, sofern eine alleinig betriebene Anlage kleiner als 30 KW oder eine gemeinsam betriebene Anlage, in bspw. Mehrparteienhäusern, kleiner als 100 KW ausfällt. Fernab der Anlagengröße ist keine Vollversorgungspflicht vorgesehen. Weiterhin muss den Pflichten zum Zugang zum Verteilnetz (§ 20 EnWG) durch den Anlagenbetreiber nachgekommen werden, was vor allem die Bilanzierung der Strommengen betrifft. Hierzu soll allerdings die Schaffung einer zentralisierten Internetplattform durch die Versorgungsnetzbetreiber Erleichterungen schaffen (§ 20b im Gesetzesentwurf zum EnWG). Eine aktive Förderung von Energy Sharing sieht der Gesetzesentwurf nicht vor. Es bleibt jedoch für die Betreiber der Anspruch auf die Marktprämie aus dem EEG 2023 vorhanden, sofern weiterhin Überschussstrom anfallen sollte. Es entfällt hingegen die feste Einspeisevergütung. Technisch wird, um eine Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch zu gewährleisten, eine viertelstündliche registrierende Leistungsmessung vorgeschrieben.

Grundlegend wurde die Gesetzesinitiative zum Energy Sharing öffentlich positiv aufgenommen und begrüßt, dass nun Regelungen in Deutschland geschaffen werden. Kritisiert wird unter anderem vom Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn), dass es sich hier lediglich um eine Mindestumsetzung von EU-Recht handelt und damit Chancen für die Energiewende vor Ort ungenutzt blieben. Auch der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sehen noch viele offene Fragen, denen mit dem Entwurf nicht Rechnung getragen werde. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fordern, dass die Anforderungen und Verpflichtungen beim Energy Sharing so gering und einfach wie möglich gehalten werden sollten und halten die Umsetzung des Entwurfs teilweise für unrealistisch. Insbesondere wird kritisiert, dass das Bilanzierungsgebiet als Lokalitätserfordernis zu groß und damit unpraktikabel sei.

Wann kann mit Energy Sharing in Deutschland gerechnet werden?

In anderen EU-Ländern ist Energy Sharing unter der Nutzung des öffentlichen Netzes bereits realisiert. Österreich gilt als Vorreiter, da es hier seit Sommer 2021 möglich ist, Energy Sharing in Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zu betreiben. Wann kann also mit der Umsetzung in Deutschland gerechnet werden? Im neuen Koalitionsvertrag wird auf Seite 29 wörtlich auf Energy Sharing im Rahmen einer stärkeren Mitgestaltung von Wirtschaft und Verbrauchern bei der Energiewende verwiesen. Aufgrund der angekündigten thematischen Schwerpunktsetzung der sich konstituierenden Regierung ist allerdings zu vermuten, dass die Umsetzung von Energy Sharing erstmal keine Priorität haben wird. Da die neuen EU-Vorgaben dennoch bis Mitte 2026 in nationales Recht verankert werden müssen, ist spätestens bis dahin eine Verabschiedung durch den Bundestag zu erwarten. Ob dabei auf den bereits bestehenden Gesetzentwurf zurückgegriffen wird, bleibt abzuwarten. Geht man von einer geringen politischen Priorität aus, ist es wahrscheinlich, dass die Regierung lediglich eine Minimalumsetzung der EU-Vorgaben verfolgen wird. Blickt man auf den früheren Gesetzesentwurf und den darin vorgesehenen Zeitplan, erscheint es realistisch, dass die praktische Anwendung von Energy Sharing in Deutschland frühestens im Laufe des Jahres 2028 möglich sein wird.

Weiterführende Informationen


Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) hat eine zusammenfassende Übersicht zu den verschiedenen Umsetzungsformen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Energy Sharing erstellt.

Link: https://www.ews-schoenau.de/export/sites/ews/ews/.files/studie-energy-sharing-ews-ffe.pdf

Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) 2024

Über Hendrik Teichgräber

Profilbild zu: Hendrik Teichgräber

Als studentische Hilfskraft bin ich beim EEHH-Cluster in verschiedenen Arbeitsbereichen aktiv und unterstütze das Team bei ihren vielseitigen Aufgaben. Daneben befinde ich mich aktuell am Ende meines Masterstudiengangs Sustainability Science an der Leuphana Universität in Lüneburg. Natürlich spielen Themen rund um erneuerbare Energien auch hier eine zentrale Rolle, sodass ich mich freue Theorie und Praxis in meiner Tätigkeit verbinden zu können.