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Die Zukunft der Innovation Von Autisten, Misserfolgen und Open Innovation
Um Innovation in dieser komplexen Welt zu fördern, bedarf es immer mehr Austausch, Kollaboration und Vernetzung - auch über (Unternehmens-)Grenzen hinweg. Wie durch Open Innovation verschiedene Sichtweisen gewinnbringend genutzt werden können.
Stephen Wiltshires bekam mit drei Jahren die Diagnose „Autist“. Die Komplexität von Sozialleben ist für ihn sehr anstrengend. Bei einem Hubschrauberflug über eine Metropole aus dem Gedächtnis ein Quadratmetergroßes Luftbild zu malen, ist wiederum kein Problem für ihn. Schauen Sie sich seine beeindruckenden Werke gerne an (hier). Ich habe dadurch gelernt, dass das Gehirn auch die Funktion eines Filters hat. Wenn Sie testen wollen, wie gut Sie darin sind, sich auf das Wesentliche zu begrenzen, schauen Sie sich dieses Video an (1:19 min).
Fehlerkultur als Basis für Innovationen
Aber was hat das mit Innovationsmanagement zu tun? Wir haben im industriellen Zeitalter stark getrennt nach Bereichen, Abteilungen, Disziplinen und Organisationen gearbeitet. Diese Art zu arbeiten, ist nicht die beste Variante, um Innovationen zu fördern. Innovation entsteht oft durch das Zusammenbringen von verschiedenen Sichtweisen, durch Vernetzung von Bestehendem, Austausch und Feedbackschleifen, durch Zufälle, Kreativität und die Beobachtung von (Alltags-)Problemen, durch Erfahrungen aus vorherigen Misserfolgen. Ideen entstehen oft unter der Dusche, nicht am Schreibtisch. Aber wer wird schon fürs Duschen bezahlt?
Um Innovation zu fördern, müssen die Rahmenbedingungen passen. Ein kleines Beispiel: Arthur L. Fry wollte Seiten in einem Buch markieren, aber die Zettel fielen heraus. Er erinnerte sich an einen Misserfolg eines Kollegen, der vier Jahre zuvor einen stark klebenden Leim entwickeln wollte, der aber nur schwach klebte – die Geburtsstunde der „Post-Its“, aus Büros nicht mehr wegzudenken.
Was war dafür nötig? Im Unternehmen 3M werden Misserfolge kommuniziert. Flurgespräche und Plausch an der Kaffeemaschine sind gerade für Innovation von großer Bedeutung. Zudem bekam Fry die Freiheit, an seiner Idee zu forschen.
Innovation in einer komplexen Gesellschaft
Durch die steigende Vernetzung und Komplexität in der Gesellschaft werden auch die benötigten Lösungen komplexer. Um komplexere Innovationen zu managen, müssen vor allem Wirtschaft und Wissenschaft, zum Teil auch Politik, Verwaltung und Gesellschaft zusammengebracht werden. Diese verschiedenen „Welten“ haben durch ihre Filter verschiedene Sichtweisen, Sprachen und Denk- und Handlungsmuster. Der Mathematikprofessor, bei dem ich in meinen Physikstudium Vorlesungen zu Analysis I+II hatte, meinte: „Ich kann mich mit dem Kollegen aus der Linearen Algebra gar nicht fachlich unterhalten, so unterschiedlich sind unsere Sprachen.“ Umso größer sind die Herausforderungen zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Wie kann die Zusammenarbeit trotzdem gelingen? Hierzu beispielhaft drei Themen:
Kollaboration
Bei der Kollaboration arbeiten Personen oder Teams aus verschiedenen Fachgebieten („Crossfunktionale Teams“) oder Organisationen gemeinsam an Teilaufgaben. In Abgrenzung zur Kooperation müssen sie sich verstärkt mit Fachfremden austauschen, verstehen dadurch aber auch das große Ganze besser, was sich positiv auf die Ergebnisse auswirkt. Neuere Tools wie Microsoft Teams, Miro oder Trello unterstützen, gleichzeitig gemeinsam an einer Sache, also kollaborativ, zu arbeiten.
Methoden und Prozesse aus der „Neuen Arbeitswelt“
Zwei Beispiele: Design Thinking als iterativer Prozess zur Ideenentwicklung und -erprobung verbindet verschiedene Einsichten einzelner Akteursgruppen (mit ihren Filtern), gewonnen zum Beispiel über „empathische Interviews“, und führt sie in einem gemeinsamen Verständnis der Fragestellung zusammen. Ist die gemeinsame Frage gefunden, ist die danach kommende Ideenphase meist sehr produktiv. In Scrum werden Nutzerbedürfnisse in „User Stories“ in allgemeinverständlicher (und damit nicht-technischer) Sprache festgehalten.
Open Innovation
Für Probleme, die über Grenzen hinweg existieren, sind Lösungsansätze gut, die ebenfalls über Grenzen hinweg arbeiten. Für Innovation sollten Organisationsgrenzen - jedenfalls in den Köpfen - aufgeweicht werden. Damit sind wir beim Begriff Open Innovation. Open Innovation ist die gezielte und systematische Überschreitung der Grenzen von Organisationen, Branchen und Disziplinen, um neues Wissen zu generieren und neue Produkte, Services oder Prozesse zu entwickeln. Es ist einer der zentralen Ansätze, um Innovationen zu fördern.
Spannend finde ich, dass die dahinterliegenden Prinzipien und Werte wie Partizipation, Fehlerkultur, Empathie und Zuhören notwendige Voraussetzungen sind, um in dieser schnellen und komplexen Welt innovativ sein zu können.
Wir als EEHH-Cluster wollen im Bereich Erneuerbare Energien zukünftig verstärkt Open Innovation unterstützen und kollaborative Ansätze und Methoden nutzen. Es hilft, aus der eigenen Welt zurückzutreten, andere Sichtweisen einzuholen, zu nutzen und dadurch „den Affen im Raum“ zu sehen.