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Die Wasserstoffzukunft bei Airbus Interview mit Dr.-Ing. Anna Lisa Junge – SAF und Wasserstoffinfrastruktur für Deutschland, Airbus Operations GmbH & Nicolas Landrin, Infrastrukturentwicklung ZEROe, Airbus SAS

Anna Lisa Junge und Nicolas Landrin erklären im Gespräch den Weg zum wasserstoffgetriebenen Flugzeug bei Airbus und seine Technik, die Herausforderungen bei der Bereitstellung von zukünftigen Treibstoffen und die Vorteile des Luftfahrt- und Wasserstoffstandortes Hamburg.

Die Wasserstoffzukunft bei Airbus
Airbus hat einen seiner größten Standorte weltweit in Hamburg-Finkenwerder. Copyright: Mediaserver Hamburg / Konstantin Beck

Was ist Ihre generelle Perspektive auf Wasserstoffnutzung in der Luftfahrt bzw. was sind die Bestandteile der Dekarbonisierung der Luftfahrt?

Wir sehen Wasserstoff- genauer gesagt Flüssigwasserstoff - als einen wesentlichen Bestandteil, um die Luftfahrt bis 2050 zu dekarbonisieren. Hierfür haben wir 2020 das Programm ZEROe ins Leben gerufen – für die Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen Flugzeugs. Während Wasserstoff in “Reinform” ab der Inbetriebnahme eines solchen Flugzeugs eine Rolle spielen wird, ist es bereits heute möglich, die derzeit fliegende Flugzeugflotte mit bis zu 50 Prozent Beimischung von wasserstoff-strombasierten nachhaltigen Flugkraftstoffen (Power-to-Liquid kurz PtL) zu betanken. Auch wenn die Technologie bekannt ist, so findet derzeit erst eine geringe Produktion von PtL statt. Generell werden nachhaltige Flugkraftstoffe (biogene und strombasierte SAFs) auch langfristig entscheidend sein, um auch auf der Mittel- und Langstrecke, wo ein reiner Wasserstoffantrieb derzeit nicht absehbar ist, zu den Dekarbonisierungszielen von Airbus bis 2050 beizutragen. Weitere Hebel sind Effizienzsteigerungen der Flugzeuge selbst und im Bereich Operations sowie marktbasierte Maßnahmen wie Offsetting. All diese Bausteine werden für das Netto-Null-Ziel der Luftfahrt nötig sein.

 

An welchen konkreten Projekten zum Thema Wasserstoffflugzeug arbeiten Sie aktuell? Warum wurde das Projekt ZEROe verschoben?

Vorneweg möchten wir betonen, dass wir entgegen der z. T. stattgefundenen Berichterstattung unsere Pläne für ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug nicht aufgeben. Die Wasserstoffwirtschaft steht weiterhin vor großen Herausforderungen und entwickelt sich circa fünf bis zehn Jahre langsamer als erwartet. Wir haben auf diese Verzögerungen in Verfügbarkeit und Preisentwicklung von grünem Wasserstoff reagiert und wie Anfang des Jahres kommuniziert unsere Planung der Industrialisierung von ZEROe, Airbus wasserstoffbetriebenem Flugzeug, angepasst. Wir halten damit weiterhin an ZEROe fest!

Es gibt eine Vielzahl von Projekten rund um das Fliegen mit Wasserstoff – übrigens nicht nur von Airbus selbst, sondern beispielsweise auch von Unternehmen wie ZeroAvia, mit denen wir kollaborieren. Unser Fokus liegt zurzeit auf der Gesamtsystemintegration und den ZEROe Komponenten des Antriebsstrangs sowie der Weiterentwicklung der Wasserstoffspeicherung und -verteilung.

 

Ab wann und welchen Streckenprofilen sehen Sie einen künftigen Markt für wasserstoffgetriebene Flugzeuge?

Wir sehen in den 2040ern einen Markt für ein solches Flugzeug. Dieses wird Platz für 100 Passagiere und Passagierinnen bieten und eine Reichweite von mindestens 1000 nM (nautischen Meilen) haben. Damit wird es zum Beispiel Strecken wie Hamburg-München oder Hamburg-Paris abdecken können.

 

Was sind die größten Herausforderungen für den Einsatz im Linienflug?

Wie oben bereits beschrieben ist es zum einen das Wasserstoffökosystem, das gemeinschaftlich weiterentwickelt werden muss. Für uns ist es auch sehr wichtig, eine wettbewerbsfähige Preisstabilität für Flüssigwasserstoff erwarten zu können. Dann gibt es die technischen Herausforderungen des Flugzeugs selbst, denen wir uns im Rahmen von ZEROe widmen. Weiterhin müssen auch das Ground Handling und der Betankungsvorgang definiert und mit allen Partnern vorbereitet werden. Hierfür gibt es das EU-Projekt GOLIAT, um die breite Nutzung von Wasserstoff an Flughäfen zu ermöglichen.

Copyright Airbus

Mit welchen Partnern arbeitet Airbus bei der Wasserstoffentwicklung aktuell zusammen?

Wir arbeiten mit der gesamten Wertschöpfungskette zusammen, da eine solche Herausforderung nur gemeinsam adressiert werden kann. Das “Airbus Hydrogen Hubs at Airports”-Programm zielt darauf ab, den Ausbau des globalen Wasserstoffökosystems zu fördern, um sicherzustellen, dass es wasserstoffbetriebene Flüge unterstützen kann. Mit dieser Initiative bringt Airbus Fluggesellschaften, Flughäfen, Branchenakteure, Energieversorger und Technologieexpertinnen und -experten zusammen, um die wichtigsten Fragen rund um die Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff zu klären. Derzeit zählen mehr als 220 Flughäfen zu den Partnern des Programms, außerdem zahlreiche Energieversorger und Fluggesellschaften. Kürzlich haben wir Zwischenergebnisse einer Partnerschaft mit Hamburg Airport, Linde und einem großen Energieunternehmen vorgestellt, die zeigen: Es gibt konkrete Lösungen für Errichtung und Betrieb der Wasserstoffinfrastruktur. Mit langfristig ausgelegter Planungs-, Regulierungs- und Preissicherheit werden das Wasserstoffökosystem und Hamburg Airport für den Betriebsstart bereit sein.

 

Wie schätzen Sie die Verfügbarkeit von SAF jetzt und in Zukunft ein?

In diesem Jahr (2025) schreibt ReFuelEU Aviation eine zwei Prozent-Quote für SAF vor und wir sehen aktuell, dass die Mengen auf dem Markt verfügbar sind. Dies sind sogenannte biogene SAFs (HEFA), die laut eines SkyNRG und ICF Reports bis 2030 ca. 82 Prozent der weltweiten Produktionskapazität ausmachen werden. Die Verfügbarkeit von PtL (Power-to-Liquid), also strombasierten Kraftstoffen, für deren Herstellung auch Wasserstoff verwendet wird, sehen wir nach aktueller Verfügbarkeit kritischer, da es zurzeit sehr wenige Produktionsanlagen gibt. Für PtL greift ReFuelEU ab 2030 mit einer Vorgabe von 1,2 Prozent.

Technik des wasserstoffbetriebenen Flugzeugs

Wie muss man sich ein Wasserstofftriebwerk technisch vorstellen? Gibt es schon etwas Vergleichbares?

Im Rahmen unseres ZEROe-Projekts wird ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug entwickelt, das Wasserstoffbrennstoffzellen als Energiequelle nutzt. Da es keine kommerziell erhältlichen Wasserstoff-Brennstoffzellen gibt, die den strengen Sicherheits- und Gewichtsvorschriften der Luftfahrt entsprechen, haben wir eine Partnerschaft gegründet, um diese selbst zu entwickeln (Aerostack GmbH). Weiterhin haben wir bei der diesjährigen Paris Air Show auch eine Partnerschaft mit MTU Aero Engines zur Weiterentwicklung der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie bekanntgegeben. Die Vereinbarung und Bündelung von Expertise sieht einen dreistufigen Fahrplan für die Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenantriebs vor, der für den kommerziellen Luftfahrtmarkt geeignet ist. (Link).

Unser Konzept für ein Wasserstoffflugzeug sieht vor, dass es von vier elektrischen 2-Megawatt-Antriebsmotoren angetrieben wird, die jeweils von einem Brennstoffzellensystem angetrieben werden, das Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie umwandelt.

 

 

Technik des wasserstoffbetriebenen Flugzeugs
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Was ist für Sie relevanter – gasförmiger oder flüssiger Wasserstoff?

Für den Betrieb unseres zukünftigen Flugzeugs ganz klar der Flüssigwasserstoff! Nur dieser wird die Energiedichte bereitstellen, die wir für unser Wasserstoffflugzeug benötigen. Im Allgemeinen und zur weiteren Marktdurchdringung abseits der Luftfahrt sehen wir Anwendungen auch mit gasförmigem Wasserstoff als hilfreich an, um die Supply Chains und das Ökosystem (insbesondere Infrastruktur wie Pipelines) weiter voranzubringen und so Wasserstoff mittel- und langfristig als einen relevanten Energieträger zu etablieren.

 

Was sind die größten technischen Herausforderungen bei der Konzeption, bspw. bei den Tanks?

Die Tanks und die Infrastruktur im Flugzeug selbst (Zu- und Ableitungen inklusive Pumpen) stellen spezifische Herausforderungen dar, da sie eine hohe Dichtigkeit sowie ein geringes Gewicht aufweisen müssen. Der Kraftstoff wird nicht – wie bisher üblich – in den Flügeln gespeichert werden, sondern im hinteren Teil des Rumpfes. Im Vergleich mit Kerosin hat kryogener Wasserstoff (-253° Celsius) andere Eigenschaften, die bei der Tank- und Infrastrukturentwicklung beachtet werden müssen. Vier Liter Flüssigwasserstoff (LH2) haben den gleichen Energiegehalt wie ein Liter Standard Jet Fuel und zudem ist LH2 dreimal leichter als Kerosin. Mit unseren Teams arbeiten wir an der Optimierung dieses Systems für Flüssigwasserstoff.

Bedeutung des Standorts Hamburg

Welche Rolle spielt der Standort Hamburg generell für Sie beim Thema Wasserstoff?

Wir sehen Hamburg als einen Standort, der prädestiniert ist, um die Wasserstoffwirtschaft vor Ort aufzubauen. Laut der Wasserstoff-Importstudie des Fraunhofer CML kann der Hamburger Hafen bis 2045 47 Prozent des gesamtdeutschen seeseitigen Importbedarfs an grünem Wasserstoff und seinen Derivaten decken. Das Innovationsökosystem spielt für uns ebenfalls eine wichtige Rolle, auch in der Zusammenarbeit mit der Schifffahrt. Hier wurde in diesem Jahr das Projekt H2AM ("Hanseatic Hydrogen Center for Aviation and Maritime") mit Standorten in Hamburg, Bremen, Bremerhaven und Stade gestartet. Es ist ein vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördertes Großprojekt im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie. Das Kernziel der Initiative ist der Aufbau eines norddeutschen Entwicklungs- und Testzentrums, um den Einsatz von Wasserstofftechnologien in der Luftfahrt und Schifffahrt zu beschleunigen. Statt reiner Grundlagenforschung geht es darum, konkrete Komponenten und Systeme unter realitätsnahen Bedingungen zu testen und zur Marktreife zu bringen.

Welche Infrastrukturinvestitionen sind notwendig, um Wasserstoff an Flughäfen verfügbar zu machen?

Auch hier möchten wir gerne Einblicke in unsere Partnerschaft mit dem Hamburg Airport und Linde geben: Für die ersten Abfertigungen eines wasserstoffbetriebenen Flugzeugs werden vergleichsweise geringe Mengen an Flüssigwasserstoff benötigt werden, die bedarfsgerecht per LKW geliefert werden können. Erst ab einer zweiten Phase, in der mehr Flüssigwasserstoff benötigt werden wird, ist eine Investition in Speichertanks (Sphären oder Zylinder) nötig.

Es ist zu beachten, dass diese Referenz-Supply-Chain nur für den Hamburg Airport gilt, bei anderen Gegebenheiten kann beispielsweise auch eine lokale Verflüssigung Sinn ergeben.

Bedeutung des Standorts Hamburg
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Regulatorische Rahmenbedingungen

Welche Rolle spielt die Gesetzgebung für den Aufbau eines Wasserstoffökosystems speziell füer die Luftfahrt?

Bezüglich der Regularien sehen wir langfristige Planbarkeit und Verlässlichkeit als essenziell an. Weiterhin unterstützen wir das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz, durch das die Bundesregierung die rechtlichen Rahmenbedingungen für den schnellen Auf- und Ausbau der Erzeugungs- und Versorgungskapazitäten von Wasserstoff sowie die Infrastruktur für Import und Speicherung schafft. Ziel ist es, den Markthochlauf von Wasserstoff bis 2030 erheblich zu beschleunigen. Es wäre wichtig, dass neben der Schifffahrt auch die Luftfahrt als Verkehrsträger im Gesetz mehr Beachtung findet.

Wir arbeiten mit vereinten Kräften und viel Motivation an dem so wichtigen Thema “Dekarbonisierung der Luftfahrt” und freuen uns über all die Partner, die uns auf diesem Weg begleiten und uns bei unserer Mission “Pioneering sustainable aerospace for a safe and united world” unterstützen.

 

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

von Oliver Schenk