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Die Metamorphose von Moorburg Hamburg Green Hydrogen Hub

Vattenfall unterstützt den Umbau des stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg zu einem grünen Knotenpunkt für die Hamburgische Wasserstoffwirtschaft. Projektleiter Arne Jacobsen erklärt im Gespräch die Hintergründe dieses Paradigmenwechsels.

Die Metamorphose von Moorburg
Der Hamburg Green Hydrogen Hub wird das Herzstück der Hamburger Wasserstoffwirtschaft. Copyright: Vattenfall

Herr Jacobsen, woher kommt das Interesse von Vattenfall, sich beim Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH) einzubringen?  

Da muss ich historisch beginnen: Vattenfall ist bereits lange in Hamburg aktiv und auch im Bereich Wasserstoff seit Anfang der 2000-er Jahre dabei – beispielsweise ab 2003 in Kooperationen zur Versorgung von Wasserstoffbussen und ab 2012 mit der Wasserstofftankstelle in der HafenCity . Was den HGHH angeht, haben wir schon sehr früh Unterstützung von Wirtschaftssenator Michael Westhagemann erfahren, der eine 100 MW-Elektrolyseeinheit vor einigen Jahren ins Spiel gebracht hat. So kamen die ersten Gespräche mit den ersten Partnern schnell ins Rollen.

Nach dem beschlossenen Kohleausstieg war uns vor allem ein gutes Nachnutzungskonzept für den Standort Moorburg wichtig. Natürlich sollten dabei erneuerbare Energien eingesetzt werden, die die hervorragende Infrastruktur vor Ort weiternutzen können.  Denn der Standort ist ideal mit seinem Anschluss an das 380 kV- und das 110 kV-Netz sowie der Nähe zur Elbe und zu großen Industriebetrieben.

Was ist die Rolle von Vattenfall im Verbundprojekt?

Vattenfall bringt den Standort Moorburg inklusive der Nutzungsmöglichkeiten von vorhandener Infrastruktur und Expertise ein. Auf technischer Seite betrifft das den Rückbau bestehender Anlagen des Kohlekraftwerks, der eine Weiternutzung als Hydrogen Hub erst ermöglicht, und die Einbindung der in Teilen bleibenden in die notwendige, neue Infrastruktur. Dazu zählt beispielsweise die Wasseraufbereitung. An Arbeiten zur Entleerung und Säuberung einzelner Anlagenteile wird sich eine Baufeldfreimachung, also der genehmigungspflichtige, anteilige Rückbau der bestehenden Kraftwerksanlage, anschließen. Im Punkt Genehmigungen setzen wir auf die volle Unterstützung des Hamburger Senats.

Hinsichtlich der lokalen Industrie bringen wir aus Stromvertriebssicht sehr gute Kontakte mit, und wir verfügen als Energieunternehmen über die „Elektronen“, die Stromhandelskapazität und das technische Wissen. Unsere beiden Offshore-Windparks in der Nordsee DanTysk und Sandbank sind durch die 380 kV-Leitung quasi direkt und vor allem ohne sogenannte Netzengpässe mit dem Standort Moorburg verbunden.

Wie kam Vattenfall dazu, das neue Kohlekraftwerk Moorburg vom Netz zu nehmen und stattdessen den Standort dem Aufbau eines Green Hydrogen Hub zu widmen?

Die frühzeitige Stilllegung der Kohleanlage, die erst 2015 in Betrieb genommen wurde und eine der modernsten in Deutschland war, entspricht den Plänen der Bundesregierung, die Emissionen aus der Kohleverstromung zu reduzieren. Und sie geht auch einher mit der Strategie von Vattenfall, innerhalb einer Generation ein Leben ohne fossile Brennstoffe zu ermöglichen. Erst im September haben wir uns dazu entschlossen, unsere Emissionen bis 2030 in beträchtlichem Maß weiter zu senken und bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen.  Damit leistet Vattenfall einen wichtigen Beitrag, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Vattenfall ist übrigens eines der wenigen führenden Energieunternehmen, das sich zu diesem entscheidenden Schritt entschlossen hat.

Was sehen Sie als entscheidende Herausforderungen, damit die Wasserstoffwirtschaft in Hamburg zum Erfolg wird?

Die „Pain Points“ auf Kundenseite sind bekannt, insbesondere zählt dazu der Wasserstoffpreis pro Kilogramm für den Abnehmer. Hier kommt es auf eine sinnhafte Regulatorik durch den Gesetzgeber an. Das Tolle in Hamburg ist, dass wir hier fast alle Varianten der Anwendung von Wasserstoff vorfinden, bei denen jeweils unterschiedliche Energieträger oder Ausgangsstoffe ersetzt werden müssen – meistens Diesel, Erdgas oder grauer Wasserstoff. Für diese mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten müssen die entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ferner haben diese Abnehmer unterschiedliche Nutzungsprofile mit verschiedenen Abnahmemengen und -zeitfenstern. Wir müssen diese Herausforderung mit bestmöglicher Optimierung der Wasserstoff-Verbräuche untereinander, einer hohen Flexibilität unserer Anlage sowie den Vorteilen des mitpuffernden Gasnetzes begegnen.

Stichwort Erfahrung: Welche Erfahrungen hat Vattenfall in Bezug auf Wasserstoff?

In Schweden entwickeln wir gemeinsam mit Partnern ein Verfahren, um CO2-freien Stahl herzustellen. In diesem Joint Venture HYBRIT, das steht für Hydrogen Breakthrough Ironmaking Technology, mit dem Stahlerzeuger SSAB und der Bergwerksgesellschaft LKAB haben wir 2018 mit dem Bau einer Pilotanlage im nordschwedischen Luleå begonnen. Die großtechnische Realisierung des fossilfreien Prozesses für die Stahlproduktion sollte 2035 möglich sein. In Deutschland wollen wir zudem mit dem IPCEI-Projekt BayH2, eine Kooperation mit der bayrischen Raffinerie Bayernoil, Strom aus regionaler Windenergie produzieren und damit einen Beitrag zur Dekarbonisierung von Kraftstoffen leisten. Vattenfall kann sich außerdem als führender Entwickler und Betreiber, vor allem von Offshore-Windparks, hervorragend mit der Lieferung erneuerbaren Stroms für die Elektrolyse in die Wasserstoffwirtschaft einbringen.

Und welche Erkenntnisse hoffen Sie durch das Projekt zu gewinnen?

Wir möchten technisches Know-How in Aufbau und Betrieb sammeln – aber insgesamt geht es uns weniger um die technische Erprobung als die praktische Nutzung. Denn die Technik an sich ist nicht neu, wichtiger ist das Wissen um die kommerzielle Seite: Die Einbindung des Stroms und die anschließende Distribution des Wasserstoffs. Unter dem Gesichtspunkt des Business Developments erlangen wir weltweit einsetzbares, wertvolles Wissen.

Es gibt zahlreiche Wasserstoffprojekte in Deutschland oder auch Europa, aber was macht das HGHH so besonders und so wichtig für Hamburg, Deutschland oder die Energiebranche?

Ein wichtiger Punkt ist die vorhandene Infrastruktur, dass der Standort mitten in einer Industriemetropole gelegen ist und wir eine große Vielfalt an Abnehmern haben. Auf planerischer Ebene haben wir eine besondere Partnerkonstellation, die in der Zusammenarbeit auf Augenhöhe unterschiedliche Perspektive berücksichtigt. Zudem wird der HGHH bei Betriebsstart der erste große Anstoß für die lokale Wasserstoffwirtschaft in Hamburg sein, da wir die gesamte Wertschöpfungskette im Wasserstoffverbund abbilden können – von der Produktion des erneuerbaren Stroms bis zu diversen Wasserstoff-Anwendungen. Daher könnten wir ab Tag eins zu 100 % ausgelastet sein. Und wir haben starken politischen Rückhalt.

Der Hamburg Green Hydrogen Hub ist nicht das einzige Projekt am Standort Moorburg – was können Sie dazu sagen? Besteht dort genügend Platz für mehrere Wasserstoffprojekte?

Partnerschaften sind immer möglich, aber der Platz ist rar und die Genehmigungslage komplex. Zudem vollzieht sich gleichzeitig der Bau der A 26 in unmittelbarer Nähe. Es wird demnach etwas eng am Standort, zumindest bis der Rückbau der nicht mehr benötigten Kraftwerksanlagen in ein paar Jahren abgeschlossen ist.

Der Kohleausstieg ist in vielen Ländern beschlossene Sache, in Zukunft werden somit zahlreiche Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Kann der HGHH auch als Vorbild für die weitere Nutzung der Standorte sein?

Die Rahmenbedingungen von derartigen Großkraftwerken sind doch zu unterschiedlich, als dass man den HGHH als universelle Blaupause verwenden könnte. Es gibt verschiedenste Nachnutzungskonzepte für solche Anlagen, die beschriebenen speziellen Voraussetzungen in Hamburg machen eine Wasserstoffproduktion am Standort Moorburg eben überdurchschnittlich attraktiv. Die Einsichten bezogen auf den Rück- und Umbau werden aber sicherlich sehr wertvollen Input zur Bewertung der Situation anderer Kraftwerksstandorte bei Vattenfall und darüber hinaus darstellen

Im Interview

Arne Jacobsen arbeitet seit 2014 im Business Development von Vattenfalls Business Area Wind an der Entwicklung von Wasserstoffprojekten. Er fungiert seitens Vattenfall als Projektleiter im „Hamburg Green Hydrogen Hub“ sowie für Vattenfalls Aktivitäten im Hafen von Rotterdam. Zudem ist er an diversen Netwerken und Gremien zum Thema Wasserstoff beteiligt.

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

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