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Die Flugzeugkabine nachhaltig denken: Team „FAIRCraft“ aus Hamburg will Branche zum Umdenken anregen

Die Luftfahrtindustrie lebt von ihrer Innovationskraft, die sie in Zukunft noch mehr als früher brauchen wird. Hamburg, wichtiger Luftfahrtstandort und bedeutender Innovationshub in Deutschland spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die Hamburg Kreativ Gesellschaft startete Anfang des Jahres ein Innovationsprogramm, in dem branchenübergreifend an klimaneutralen Innovationen für eine bessere Zukunft gearbeitet wird.

 

 

Die Flugzeugkabine nachhaltig denken: Team „FAIRCraft“ aus Hamburg will Branche zum Umdenken anregen
Florian Zager-Rode von Diehl Aviation im Interview über die nachhaltige Gestaltung zukünftiger Flugzeugkabinen im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL).

Die Luftfahrtindustrie lebt von ihrer Innovationskraft, die sie in Zukunft noch mehr als früher brauchen wird. Hamburg, wichtiger Luftfahrtstandort und bedeutender Innovationshub in Deutschland spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die Hamburg Kreativ Gesellschaft startete Anfang des Jahres ein Innovationsprogramm, in dem branchenübergreifend an klimaneutralen Innovationen für eine bessere Zukunft gearbeitet wird. Auf Initiative des Luftfahrtclusters Hamburg Aviation ging ein Team aus Altran, Diehl Aviation, Autoflug, Comprisetec und Ylipson (ehemals AUSY Engineering) an den Start. Gemeinsam mit der NGO Cradle2Cradle, den Designern Florian Hättich, Sebastian Mends-Cole und der Autorin Claudia Rinke wollen sie auf Basis der Life Cycle Assessment-Analyse von Altran eine konkrete (beispielhafte) Komponente der Kabine neu gestalten unter den Aspekten Kreislaufwirtschaft und Leichtbau, die für Airlines und Passagiere als Teil eines ganzheitlichen Services gleichermaßen attraktiv ist. Airbus steht dem Team dabei beratend zur Seite.

Florian Zager-Rode ist für Diehl Aviation im ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) tätig und denkt nun mit einem branchenübergreifenden Team die Gestaltung zukünftiger Flugzeugkabinen nachhaltig neu. Sein Arbeitsgeber bat ihn dazu zum Interview:

Hallo Florian, danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns über dein Engagement im Team „FAIRcraft“ des Cross Innovation Lab in Hamburg zu berichten. Worum es geht es da?

Die Idee des XILab ist es nicht nur unterschiedlichen Unternehmen gemeinsam an einer Idee arbeiten lassen, sondern zusätzlich die Impulse und Ideen aus der Kreativwirtschaft, also von Designern, Architekten, Autoren oder Regisseuren, und aus der Wissenschaft in die Ideenentwicklung mit einzubringen. Dazu werden in einem übergreifenden Team Experten aus diesen Bereichen mit den Firmen zusammengebracht.

 

Warum beteiligen sich Luftfahrtunternehmen wie Diehl Aviation an „FAIRcraft“?

Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen wir jetzt schon unsere Kompetenzen im Bereich Produktinnovationen weiter aufbauen und ausbauen. Im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, sitze ich seit einigen Jahren gemeinsam mit etwa einem Dutzend anderer Diehl-Kollegen Tür an Tür mit anderen Unternehmen aus der Luftfahrt zusammen, um gemeinsam an Lösungen für die Zukunft zu arbeiten.

Die Initiative der Hamburg Kreativ Gesellschaft kam „right in place and time“, um zusammen mit Altran, Airbus, Autoflug, Ylipson (ehem. Ausy), C2C NGO, Comprisetec und uns in einem kreativen Freiraum über Kreislaufwirtschaft und Leichtbau nachdenken zu können.

Meine bisherige Arbeit mit innovativen Methoden an zukunftsweisenden Konzepten und Produktentwicklungen für die Kabine, im ZAL und auch mit Kollegen anderer Standort zusammen, sind eine gute Grundlage für die Teilnahme. Mit den Ergebnissen werden wir zukünftige Herausforderungen, unsere Kunden und unser Umfeld besser verstehen und Möglichkeiten aufzeigen, wie eine nachhaltige Produktentwicklung unter Berücksichtigung von Kreislaufprozessen funktionieren kann.

 

Kreislaufwirtschaft bedeutet, dass in einem regenerativen System Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emission und Energieverschwendung durch Energie- und Materialkreisläufe reduziert werden. Unterstützt wird dieser Ansatz durch die Leichtbauweise, die sowohl die Gewichtseinsparung als auch die Steigerung der Ressourceneffizienz zum Ziel hat. Inwiefern betrachtet ihr diese beiden Aspekte mit Blick auf die zukünftige Gestaltung von Kabinen-Komponenten?

Wir wollen klimaneutrale Innovationen vor allem zu tragfähigen Lösungen und Geschäftsmodellen führen, die zur Verringerung der negativen Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima beitragen. Dabei konzentrieren wir uns bei „FAIRcraft“ weniger auf Antriebssysteme oder Treibstoffe, sondern auf die Kabine, die Kernkompetenz der beteiligten Unternehmen. Zum einen haben wir die Gewichtsreduzierung im Blick, um den Kraftstoffverbrauch zu senken, konzentrieren uns aber vorrangig auf eine nachhaltige Herstellung, in dem wir die verbauten Bauteile und Rohstoffe am Ende des Flugzeuglebens wieder in den Herstellungsprozess zurückführen. Vereinfacht gesagt – verfolgen wir eine Art Mehrwegansatz, ein Kreislauf-System für die Kabinenteile, mit dem Ziel unsere Ressourcen nachhaltiger einzusetzen und den Verbrauch massiv zu reduzieren oder vielleicht sogar eine Grundlage für „zero waste“ zu schaffen.

Wir müssen grundsätzlich umdenken, weg von linearen Prozessen, mit einem Anfang und einem Ende, hin zu einem sich ständig wiederholenden Kreislaufprozess, mit der Nutzung der immergleichen Materialien.

Auf Basis einer ersten gemeinsamen Ideensammlung folgt jetzt Feldforschung. Dazu gehört auch ein virtueller Cabin Walk, den Markus Durstewitz von Airbus organisierte. Wir wollten den Teammitgliedern, die nicht aus der Luftfahrt kommen, eine Vorstellung vermitteln, was die Grundlage für unsere Aufgabe ist. Im Rahmen der pandemiebedingen Auflagen werden wir und vor allem die „Kreativen“ auch Ortstermine bei Luftfahrtunternehmen wahrnehmen, um den Austausch mit uns „Industriellen“ zu verbessern.

 

Inwiefern ist hierbei die Unterscheidung zwischen technologischen und biologischen Kreislauf relevant?

Das wollen wir konkret in einer „reduzierten“ Kabine für Kurzstreckenflugzeuge umsetzen. Man kann sich das vorstellen wie einen Linienbus für die Luft. Die Kurzstreckenkabine soll ein Pilotprojekt sein, um später vom Kleinen ins Große zu skalieren. Dabei wollen wir nicht nur Material-Recycling und -Upcycling berücksichtigen, sondern arbeiten an einem vollwertigen Kreislaufprozessen mit Wiederverwendung, Reparatur und Aufbereitung noch vor der Materialverwertung.

 

Wie lange läuft das Innovationsprogramm, und wie geht es danach weiter?

Bei „FAIRcraft“ arbeiten wir seit Februar 2021 zusammen. Mitte April gab es einen ersten öffentlichen Kick-Off bei der Hamburg Kreativ Gesellschaft, wo für Mitte Juni auch die öffentliche Vorstellung unserer Ergebnisse geplant ist.

Das soll aber noch nicht das Ende sein. Es ist unser Ziel, unter Verwendung einer möglichen Anschlussförderung mit dem Projekt weitermachen zu können. Mit der Hamburger Förderlinie GATE (Green Aviation Technologies) bietet sich die Förderung von Beiträgen zu einer umweltfreundlicheren Luftfahrtindustrie. Insgesamt stehen in der Förderlinie GATE vier Millionen Euro für 2021 und 2022 zur Verfügung. Zusammen mit Hamburg Aviation arbeitet „FAIRcraft“ daran, sich mit dem Konzept aus dem Cross Innovation Lab bei der Förderlinie zu bewerben. Im Sommer kann ich hierzu sicherlich mehr berichten.

Darauf freuen wir uns sehr und danken dir für das Gespräch!

Mehr zu innovativen Anstößen für die Luftfahrt der Zukunft gibt es auch in der nächsten Ausgabe von „60 Minutes Forward“, dem Power-Talk-Format von Hamburg Aviation, am 7. Juni. Hier gibt unter anderem „FAIRCraft“-Mitmitglied Ann-Christin Krohn von Cradle2Cradle NGO Impulse zum Thema Kreislaufwirtschaft.

 

Über Diehl Aviation:

Mit über 5.000 Mitarbeitern, die einen Jahresumsatz von etwa 1,5 Mrd Euro erwirtschaften, ist Diehl Aviation einer von fünf Teilkonzernen in der Diehl-Gruppe, einem deutschen Familienunternehmen mit Geschäftsbereichen in mehreren Industriebranchen und einer Belegschaft von mehr als 17.000 Mitarbeitern weltweit.