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Die Europäische Union macht sich "Fit for 55"

Unter dem Namen „Delivering the European Green Deal“ hat die Europäische Kommission im Juli ein Paket von Gesetzesvorschlägen vorgestellt, das die Netto-Treibhausgasemissionen innerhalb der EU um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 senken soll. Dies wurde letztes Jahr von Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten als entscheidender Meilenstein auf dem Weg Europas, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu werden, im Europäischen Klimagesetz verabschiedet.

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Im Energiebereich sollen sieben miteinander verknüpfte Gesetzesvorschläge die Verwirklichung dieser Ziele vorantreiben. Ein Eckpfeiler des Pakets ist die Stärkung des Europäischen Emissionshandels und seine Ausweitung auf die Sektoren Verkehr und Gebäude. Weitere Vorschläge im Energiebereich sind eine Reform der Energiebesteuerung, Maßnahmen zum Ausbau von Ladestationen und Wasserstofftankstellen und für emissionsarme Schiffs- und Flugzeugtreibstoffe, vor allem jedoch die Novellen der Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienz-Richtlinien.

Aktualisierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED)

Derzeit stammen 75 % der Treibhausgasemissionen in der EU aus der Erzeugung und dem Verbrauch von Energie. Ein noch schnellerer Übergang zu einem umweltfreundlicheren Energiesystem ist deshalb von grundlegender Bedeutung für Beschäftigung, Wachstum und Emissionsminderung. Um den Zielvorgaben für 2030 gerecht zu werden, wird in der aktualisierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) vorgeschlagen, im Energiemix der EU das verbindliche Gesamtziel von derzeit 32 % erneuerbare Energien auf 40 % anzuheben.

 

Ergänzt wird dies durch sektorspezifische Richtwerte, mit einer Besonderheit im Gebäudebereich, also Wärme und Kühlung: die jährliche Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energien um 1,1 % soll hier auf nationaler Ebene verpflichtend sein, um den Beitrag dieses für die Energie-Transformation wichtigen Sektors zu beschleunigen.

Um diese Transformation zu erleichtern und zu beschleunigen, schlägt die Europäische Kommission in ihrem Paket darüber hinaus verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung des Ausbaus und bei Investitionen in erneuerbare Energien, wie die Förderung der Elektrifizierung (einschließlich eines Gutschriftenmechanismus für den Verkehrsbereich), die Erleichterung von Verträgen über den Bezug von erneuerbarem Strom, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Bereich der Erneuerbaren Energien und die Förderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit, vor.

Bindende Energieeffizienzziele auf europäischer Ebene

Doch die Vorschläge der Europäischen Kommission zielen nicht ausschließlich darauf ab, das Energiesystem sauberer zu gestalten, sondern auch effizienter. Ein weiterer Bestandteil des Maßnahmenpakets ist deshalb der Vorschlag für eine grundlegende Überarbeitung der Energieeffizienz-Richtlinie (EED). In dieser Neufassung werden nun erstmals verbindliche europäische Energieeffizienzziele formuliert. Diese waren zuvor lediglich als Richtwert ausgelegt. Die EED sieht vor, bis 2030 den Gesamtenergieverbrauch um 9 % im Vergleich zu den Basisprojektionen zu senken (wofür auch ein neues, aktuelles Referenzszenarios für 2020 berechnet wurde). Dies entspricht einer Senkung des Primärenergieverbrauchs um 39 % und des Endenergieverbrauchs um 36 % gegenüber 2007, während der Wert zuvor bei 32,5 % lag.

Um diese Ziele zu erreichen, soll sich der öffentliche Sektor verpflichten, jährlich 3 % seines Gebäudebestands zu renovieren und auf diesem Wege nicht nur Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch die Renovierungswelle ins Rollen zu bringen. Für jeden Mitgliedstaat gilt außerdem eine erhöhte jährliche Energieeinsparverpflichtung von 1,5 %.

Die Bewältigung der Klimakrise ist die zentrale Aufgabe unserer Generation, und es sollten keine Anstrengungen gescheut werden, um dieser Herausforderung gerecht zu werden – zumal deren Kosten durch die ansonsten zu erwartenden Klimaschäden um ein Vielfaches übertroffen würden. Insbesondere die Ausweitung des Emissionshandels wird jedoch auch zu einer Preissteigerung für fossile Energien führen, was insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen übermäßig belasten könnte. Um den notwendigen ökologischen Wandel gerecht zu gestalten und diese am stärksten betroffenen Gruppen zu unterstützen, soll ein neuer Klima-Sozialfonds Finanzmittel in Höhe von 72,2 Mrd. Euro bereitstellen. Der Fonds soll beispielsweise Effizienzmaßnahmen finanzieren, die den Preisanstieg abfedern und dabei noch klimaschützend wirken.

Gastautoren:

Tobias Welck absolviert derzeit ein Praktikum an der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Er befindet sich im Master „European Affairs“ an der Sciences Po Lille im Norden Frankreichs. Zuvor arbeitete er bereits zu Energiethemen mit Fokus auf synthetischen Kraftstoffen im Europäischen Parlament in Brüssel.

Robert Gampfer ist politischer Referent für Umwelt-, Energie-, Landwirtschafts- und Gesundheitspolitik an der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Er promovierte an der ETH Zürich über internationale Klima- und Umweltpolitik. Vor seinem Wechsel nach Berlin arbeitete er in der Koordinierung der G7- und G-20-Teilnahme der EU.

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