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Die Energiewende auf Hamburgs Dächern Interview mit der ZEBAU und dem Bezirksamt HH-Mitte zur PV-Studie

Im folgenden Gespräch erläutern Milena Schuldt, ZEBAU, und Beate Scheele, Bezirksamt HH-Mitte, das Potenzial von Hamburgs Dächern für die Energiewende.

Die Energiewende auf Hamburgs Dächern
SunEnergy

EEHH: Hallo Frau Schuldt, hallo Frau Scheele, auf unserem letzten Treffpunkt Erneuerbare Energien (TEE) haben Sie die Beratungskampagne des Bezirksamt Mitte zum PV-Ausbau auf Gewerbedächern vorgestellt. Bitte beschreiben Sie Ziel und Aufbau der Kampagne.

Schuldt, Scheele: "Der Ausbau von  Photovoltaik auf Hamburgs Dächern ist ein wichtiger Baustein, um die Energiewende weiter voranzutreiben. Vor dem Hintergrund aktueller Strom- und Gaspreise stellt selbsterzeugter Sonnenstrom eine Alternative zu fossilen Energieträgern dar, bietet Energieunabhängigkeit und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Ziel der Beratungskampagne ist es, Unternehmen, Eigentümerinnen und Eigentümer in ausgewählten Gewerbe-/ und Industriegebieten durch direkte Information und Beratung zu motivieren, bisher ungenutzte Dachflächen von Bestandsgebäuden oder Hallen für die Installation von Photovoltaik zu nutzen oder Dachflächen hierfür zu verpachten. Dabei ist es uns wichtig, die Unternehmen tatkräftig mit notwendigem Knowhow zu unterstützen.

In der ersten Kampagnenphase werden bestehende Gewerbedächer mit hohem Potential identifiziert, die zugehörigen Eigentümerinnen und Eigentümer kontaktiert und mit allgemeinen und standortspezifischen Informationen zu den Potenzialen ihrer Dächer ausgestattet. Anschließend finden bei Interesse eine direkte Beratung vor Ort statt, alternativ sind auch digitale Termine möglich. Neben Informationen zur Konzeptionierung, Planung und Realisierung einer PV-Anlage werden auch Fördermöglichkeiten, Betreibermodelle, rechtliche Rahmenbedingungen  und weitere thematisch verknüpfte Aspekte angesprochen, wie Elektromobilität, Energieeffizienz, nachhaltige Wärme oder die Kombination von PV und Gründach. So kann das Beratungsteam für das jeweilige Unternehmen Impulse mit passgenauen Lösungsansätzen für eine klimaneutrale Zukunft geben.

Ergänzend zu den Einzelberatungen finden Informationsveranstaltungen in den Gewerbestandorten statt, um eine möglichst hohe Zahl interessierter Unternehmen zu erreichen. Die erste Veranstaltung wurde im  November 2022 in Billbrook durchgeführt, eine weitere Veranstaltung fand im Juli 2023 in Hammerbrook in Kooperation mit der IG City Süd statt. Bei Interesse an den Ergebnissen der Veranstaltungen sprechen Sie uns gerne an: klimaschutz@hamburg-mitte.hamburg.de."

Im Interview

Beate Scheele, Referentin für Klima, Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirksamt Hamburg-Mitte

EEHH: Seit wann läuft die Kampagne bereits?

Schuldt, Scheele: "Die Beratungskampagne wurde im Jahr 2022 in Harburg und Hamburg-Mitte gestartet und fokussierte in  Hamburg-Mitte im Jahr 2022 die Gewerbe-/Industriegebiete Billbrook/Rothenburgsort und Wilhelmsburg. Im aktuellen Jahr 2023 wird die Kampagne in Hamburg-Mitte auf Hammerbrook ausgeweitet. Ergänzend bieten wir ein Folgeberatungsangebot für bereits im Jahr 2022 beratende Unternehmen an, um während des Prozesses der Anlagenrealisierung zu unterstützen.

Bemerkenswert ist, dass die Kampagne gemeinsam unter Einbindung verschiedener Stakeholder durch die Bezirksämter Hamburg-Harburg und Hamburg-Mitte entwickelt wurde. Finanziert wird die Kampagne durch die Hamburger Klimaplan-Förderung und für die Umsetzung in 2022/23 konnten per Ausschreibung das Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt GmbH (ZEBAU) und Averdung Ingenieure & Berater GmbH als Partner gewonnen werden."

Im Interview

Milena Schuldt, Projektleitung Solar, Zebau GmbH

EEHH: Sie haben auf dem TEE von einer hohen Erfolgsquote von rund 90 % der angesprochenen Gewerbebetriebe gesprochen - welche sind die wesentlichen Faktoren, die zum Erfolg geführt haben?

Schuldt, Scheele: "Ein wesentlicher Faktor stellt das niedrigschwellige, aufsuchende Beratungsangebot dar – in den identifizierten Gewerbegebieten werden Unternehmen mit dem höchsten Solarpotential der Bestandsdächer direkt telefonisch angesprochen- selbst wenn eigentlich kein Interesse an Beratung signalisiert wurde, fanden oft schon erste Kurzberatungen/Beantwortung von Fragen am Telefon statt. Der Informationsbedarf ist hoch.

Weiterhin ist das Thema Photovoltaik grundsätzlich attraktiv für Unternehmen, da sich die Anlagen mittelfristig amortisieren, die Energieunabhängigkeit steigt und gleichzeitig ein Beitrag für den Klimaschutz geleistet wird. Gerade bei der Gewinnung und Bindung von  Mitarbeitenden sind oftmals das Engagement des Unternehmens im Bereich Klimaschutz- und Nachhaltigkeit ein ergänzender Entscheidungsfaktor – insbesondere bei jungen Menschen.

Ein weiterer nicht unerheblicher Erfolgsfaktor der Kampagne sind langfristige Kontakte durch das örtliche Quartiersmanagement, das Klimaschutzmanagement  oder Kontakte durch Unternehmensnetzwerke. Diese erhöhen die Erfolgsquote und Bereitschaft sich beraten zu lassen, da bereits in der Vergangenheit positiv besetzte Austauschformate oder Beratungen stattfanden."

EEHH: Können Sie ein konkretes Projekt nennen, dass Sie besonders erwähnenswert finden? Z.B., weil es besonders reibungslos lief oder sehr herausfordernd war, aber letztendlich erfolgreich?

Schuldt, Scheele: "Jedes Projekt an sich bringt besondere Herausforderungen mit sich, da sich die Ausgangssituation je Unternehmen sehr spezifisch darstellt und jede PV-Anlage speziell auf die jeweiligen Bedarfe und Rahmenbedingungen projektiert werden sollte. Gerne möchten wir zwei Beispiele nennen. Ein familiengeführtes Transport- und  Logistikunternehmen plant die sukzessive Belegung aller Dachflächen. Die erste PVA wurde bereits realisiert, eine zweite befand sich zur Zeit der Beratung in der Endphase der Realisierung, weitere große Anlagen waren in Planung. In unserer Beratung haben wir bei der Priorisierung der Belegung der weiteren Dachflächen unterstützt. In Zukunft plant das Unternehmen zudem die Nutzung  von E-LKW und den Einsatz von Wärmepumpen. Außerdem verfolgt es mit großem Interesse die aktuellen Innovationen im Bereich Speichertechnologie und Wasserstoff, um diese zukünftig ebenfalls anzuwenden.

Ein anderes interessantes Beispiel stellt ein Unternehmen der Rohstoffindustrie dar, das eine PVA in Kombination mit Gründach auf einen Neubau plant. Auch hier waren die Themen der Beratung sehr individuell, wie beispielsweise die Dimensionierung der PV-Anlage oder die Darstellung von verschiedenen möglichen Betreibermodellen. Ein geplantes Tiefkühllager sowie weitere spezielle technische Produktionsschritte führen dazu, dass in dem angedachten Neubau ein erhöhter Strombedarf vorliegen wird. Als besonders innovativ stellte sich hier die Option dar, das Tiefkühllager als Solarstrom-Puffer anzusteuern, um die Eigennutzung zu erhöhen. Über eine Zeitspanne von 18 Stunden kann so der Strom im System abgepuffert werden. Auch das Bestandsgebäude wurde in der Beratung angesprochen, hier wurde deutlich, dass erst eine Sanierung und statische Ertüchtigung notwendig wird."

EEHH: Gibt es schon ähnliche Maßnahmen oder Kampagnen in anderen Hamburger Bezirken?

Schuldt, Scheele: "Die Beratungskampagne zum Ausbau von Photovoltaik auf Gewerbe- und Industriedächern wird bereits in den Bezirken Eimsbüttel, Harburg, Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord umgesetzt. Alle weiteren Bezirke planen eine Skalierung."

EEHH: Was sind Ihre drei wichtigsten Erkenntnisse, die Sie durch das Projekt erlangt haben?

Schuldt, Scheele: "Neben dem Ziel des Ausbaus von PV erzielt die Kampagne auch viele weitere positive Effekte. Der Erfahrungsaustausch und der direkte Kontakt zu Unternehmen sind sehr wertvoll, um Stolpersteine auf dem Weg zu mehr Klimaschutz aus dem Weg zu räumen. Das Thema PV stellt einen sehr guten 'Türöffner' dar, da es niedrigschwellig ist und oftmals positiv besetzt ist. So können weitere (aufwändigere) Maßnahmen platziert und angegangen werden, wie beispielsweise energetische Gebäudesanierung, der Ausbau von Elektromobilität, Energieeffizienzmaßnahmen oder Klimaanpassungsmaßnahmen wie Hitze-/Starkregenschutz.

Zudem wird deutlich, dass das Netzwerken einen hohen Benefit mit sich bringt – zum einen Netzwerken der Unternehmen untereinander und Austausch von Erfahrungswissen, zum anderen auch der Austausch mit den Bezirksämtern. Wir Klimaschutzmanagerinnen und -manager erfahren so direkt, wo aktuell bei Unternehmen 'der Schuh drückt' und können als Lotsinnen und Lotsen in die Verwaltung vermitteln und die Themen den jeweils zuständigen Stellen zuspielen. Wir wünschen uns, dass wir langfristig Erstansprechpersonen für Unternehmen zu Klima- und Energiefragen werden, um dann weitere städtische Angebote, Fördermöglichkeiten oder Detailberatungsmöglichkeiten zu vermitteln."

EEHH: Wie könnte die Freie und Hansestadt Hamburg Ihrer Meinung nach den PV-Ausbau auf Industrie und Gewerbedächern noch stärker unterstützen?

Schuldt, Scheele: "Die FHH bietet bereits viele sehr attraktive Angebote und Förderungen, die oftmals wenig bekannt sind – wie das Unternehmensnetzwerk der Hamburger Umweltpartnerschaft, das Förderprogramm Unternehmen für Ressourcenschutz oder die Förderung von Solar-Gründächern - hier möchten wir ansetzen und den „bunten Strauß“ an möglichen Maßnahmen und Fördermöglichkeiten rund um Klimaschutz und Energie aufzeigen. Eine direkte und praxisorientierte, speziell zu den Unternehmen passende Ansprache und Beratung ist dabei nach unseren Erfahrungen entscheidend."

Vielen Dank für das Gespräch!

Über Constantin Lange

Profilbild zu: Constantin Lange

Beim Cluster bin ich für den Bereich Forschung und Innovation zuständig und bin damit die Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wind – und Solarenergie sowie im Themenfeld Wärme. Über unsere Fachforen und verschiedene Veranstaltungsformate verantworte ich u.a. direkte Informations- und Diskussionsformate für unsere Mitgliedsunternehmen.