Details

Die Delegated Act-Saga kommt zu einem Ende Chatham Partners blicken zurück und nach vorn.

Am Dienstag ist die Möglichkeit des Europäischen Parlaments (EP) und des Rats abgelaufen, Einspruch gegen die beiden sog. Delegierten Rechtsakte (Delegated Acts, DAs) der Europäischen Kommission (Kommission) zu „Grünem Wasserstoff“ zu erheben.

Die Delegated Act-Saga kommt zu einem Ende

In einer Blogserie beleuchten die Expert*Innen von Chatham Partners Marieke Lüdecke, Dr. Christos Paraschiakos, Hannah Randau und Jonas Versen spannende Fragen rund um das Thema Green Fuels und nehmen dabei insbesondere die praktische Umsetzung und die Bedeutung für die Marktteilnehmer in den Blick. Chatham Partners ist eine auf Energie-, Infrastruktur- und Immobilienprojekte spezialisierte Kanzlei mit besonderer Expertise im EU- und Wettbewerbsrecht. Start der Blogserie ist der heutige Beitrag. Der nächste Beitrag wird unter dem Aspekt Importe vs. EU-Produktion von Green Fuels auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede eingehen.

Am Dienstag ist die Möglichkeit des Europäischen Parlaments (EP) und des Rats abgelaufen, Einspruch gegen die beiden sog. Delegierten Rechtsakte (Delegated Acts, DAs) der Europäischen Kommission (Kommission) zu „Grünem Wasserstoff“ zu erheben. Damit haben die DAs mit mehr als einjähriger Verspätung die letzte kritische Hürde genommen. Die DAs geben vor, wann aus Strom erzeugter Wasserstoff als „erneuerbar“ gilt. Die Wasserstoffindustrie hat lange hierauf gewartet, um Rechtssicherheit für Investitionen zu haben. Grund für die Verzögerung war der Zwist um die Ausgestaltung der Anforderungen. Ob nun alle rechtlichen Fragen rund um die Herstellung von Grünem Wasserstoff geklärt sind, bleibt abzuwarten.

Ausgangspunkt: RED II und RFNBO

Mit der Einführung des Begriffs „erneuerbare Kraftstoffe für den Verkehr nicht biogenen Ursprungs“ (Renewable Fuels of Non-Biological Origin; RFNBO) stellte die Erneuerbare-Energien Richtlinie (RED II) 2018 die Weichen für die DAs. Als Einsatzbereich von RFNBO identifizierte RED II dabei zunächst nur den Verkehrssektor. Anforderungen an RFNBO formulierte sie nur vage: Mit Netzstrom produzierte RFNBO sollten bei Erfüllung „entsprechender Kriterien“ vollständig als erneuerbar gelten. Außerdem sollten RFNBO eine Treibhausgaseinsparung von 70% erzielen. Detailvorgaben sollte die Kommission bis Ende 2021 regeln. Trotz des begrüßenswerten Vorstoßes des Gesetzgebers blieben damit viele Fragen offen.

Das Ende dieser Geschichte ist bekannt: Nach mehreren Entwurfsfassungen erließ die Kommission die beiden DAs und setzte EP und Rat am 13. Februar 2023 hierüber in Kenntnis. Weder EP noch Rat haben innerhalb der viermonatigen Frist Einspruch gegen die DAs erhoben. Einem Inkrafttreten der DAs nach Verkündung im Amtsblatt steht daher nichts mehr im Wege.

Nicht einer, sondern gleich zwei DAs

In der Berichterstattung über den langwierigen und holprigen Weg der DAs kam gelegentlich der Fakt zu kurz, dass die Kommission nicht einen, sondern zwei DAs erlassen hat:

Der „erste“ DA definiert, wann Wasserstoff und wasserstoffbasierte Kraftstoffe als RFNBO gelten. Besonderheiten gelten bei Verwendung von Netzstrom:

  • Wird der Strom aus dem Netz bezogen, müssen Wasserstoffproduzenten detaillierte Vorgaben beachten. Die Vorgaben stellen insbesondere sicher, dass RFNBO aus „zusätzlichem“ erneuerbarem Strom, d.h. aus neuen Erzeugungskapazitäten, und zur gleichen Zeit am gleichen Ort wie der verwendete Strom produziert werden.
  • Ausnahmen gelten, wenn der Anteil an erneuerbaren Energien im Netz, an das der Elektrolyseur angeschlossen ist, besonders hoch ist (> 90%) oder der Bezug erneuerbaren Stroms einen Redispatch verhindert. Ist der Strommix in der Gebotszone besonders emissionsarm (< 18g CO2eq / MJ), gelten ebenfalls einige Erleichterungen.
  • Schließlich greifen Übergangsregelungen: Bis 2029 wird die Gleichzeitigkeit von Strom- und Wasserstoffproduktion monatlich erfasst, danach stündlich. Gehen Elektrolyseure vor 2028 in Betrieb, kann der erneuerbare Strom auch aus Bestandsanlagen stammen – bis einschließlich 2037. Die Anforderungen an Wasserstoffproduzenten werden damit schrittweise verschärft. Zugleich werden frühe Investments in den bis dato (noch) teureren grünen Wasserstoff belohnt.

Der „zweite“ DA legt fest, wie Produzenten von Wasserstoff(-derivaten) die geforderten 70% Treibhausgaseinsparungen von RFNBO berechnen müssen. Prinzipiell müssen sie den gesamte Lebenszyklus der Kraftstoffe berücksichtigen, Herstellung und Installation des Elektrolyseurs werden aber ausgenommen.

  • Erfüllt der (Netz-)Strom die Anforderungen des „ersten“ DA, wird er privilegiert: Sein Emissionsfaktor ist gleich null. Andernfalls müssen Produzenten besonders drauf achten, dass die 70%-Einsparvorgabe nicht gerissen wird.
  • Besonders relevant für e-Methanol und andere CO2-haltige Energieträger sind schließlich die Vorgaben zu zulässigen CO2-Quellen. CO2 fossilen Ursprungs darf nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur übergangsweise genutzt werden.

Ausblick: Mitgliedstaaten und auch Kommission sind gefragt

Mit dem baldigen Inkrafttreten der DAs erhalten Investoren nun die lange geforderte Sicherheit. Für viele Projekte wird damit die finale Investitionsentscheidung deutlich näher gerückt sein. Formal betrachtet gelten die DAs lediglich für den Verkehrssektor. EP und Rat stehen aber kurz vor Abschluss einer Novellierung von RED II(I). Danach sollen die Anforderungen an RFNBO sektorunabhängig gelten.

Die Vorgaben umsetzen müssen nun die Mitgliedstaaten. So wird der Bund den THG-Quotenhandel im Verkehrsbereich anpassen und ein vergleichbares System für die Industrie entwerfen müssen. Zu klären ist außerdem, wie die notwendige Zertifizierung von RFNBO funktionieren soll. Hier waren bisher vor allem private Akteure aktiv. Wir werden hierzu in dieser Blogserie berichten.

Offene Fragen stellen sich noch beim Einsatz von RFNBO im Seeverkehr, in der Luftfahrt sowie in anderen Sektoren, die dem Emissionshandel unterfallen. Hier ist die Kommission gefragt, Klarheit zu schaffen. Dieses Mal hoffentlich ohne Verzug.

von