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Design Thinking - Probleme lösen und Innovation gestalten Wie sie den Prozess, mit dem das iPhone, AirBnB, Uber und Netflix entwickelt wurden, für sich nutzen können.
Kennen Sie auch Meetings, bei denen Themen oder Probleme zur Sprache kommen und sofort ein Brainstorming stattfindet oder – noch schlimmer – einzelne Personen ihre Ideen in den Raum werfen und niemand auf andere eingeht? Dies ist nur eine Situation, in der Ihnen Design Thinking helfen kann.
Design Thinking ist ein formalisierter Innovationsprozess und prinzipiell ganz einfach: Sie brauchen erstmal nur ein Problem und eine Person, die Sie durch den Prozess führt. Dieser führt Sie über spannende Einblicke zu gemeinsamen Sichtweisen und liefert innovative Ideen, die über schrittweise Entwicklungen hinaus gehen – die Ideen werden anhand von Prototypen getestet.
Es muss es nicht gleich das revolutionäre Geschäftsmodell sein. Neben den bereits erwähnten weltbekannten Produkten und Dienstleistungen von iPhone, Netflix und Co. lässt sich Design Thinking auf nahezu jede Fragestellung anwenden. Zur Neugestaltung der Kantine, zur Verbesserung von internen Strukturen, für Herausforderungen im Bereich Fachkräfte oder für komplexe Probleme wie dieses hier: Was soll mit dem brachliegenden Hafengebiet der Stadt Neustadt (Holstein) geschehen? Und Design Thinking hat für mich noch eine weitere Anwendungsmöglichkeit: Es ist die einfachste und schnellste Variante, die „neue Arbeitswelt“ bzw. Agilität in einem kleinen Projekt zu erproben und zu erfahren und damit Innovation über einen Prozess zu gestalten. Da auch einzelne Bausteine des Prozesses im Alltag nützlich sein können, gucken wir uns den Prozess genauer an.
Was ist Design Thinking?
Es gibt mehrere "Definitionen" dazu, was Design Thinking ist. Die folgende finde ich an dieser Stelle passend: "Design Thinking als menschenzentrierter Innovationsprozess, der Beobachtung, Zusammenarbeit, schnelles Lernen, Visualisierung von Ideen, schnelles Konzept-Prototyping und gleichzeitige Geschäftsanalyse betont." (Lockwood)
Dadurch entstehen innovative Ideen, die technologische Machbarkeit, wirtschaftliche Tragfähigkeit mit menschlicher Erwünschtheit verbinden.
Wie funktioniert Design Thinking?
Design Thinking ist ein iterativer Prozess aus sechs Schritten gemäß der Abbildung. Er verbindet dadurch Innovation mit Realisierbarkeit und Marktfähigkeit.
Eine der Grundideen ist genauso einfach, wie wirksam: Statt mit dem Brainstorming für Lösungen zu dem ausgewählten Problem anzufangen, wird in den ersten drei Schritten – die den "Problemraum" bilden – ein gemeinsames Verständnis des Problems erarbeitet, ganz ohne an Lösungen zu denken. Insbesondere werden dafür die Sichtweisen und Bedürfnisse der späteren Nutzer herausgearbeitet. Ergebnis des Problemraums ist eine gemeinsam erarbeitete, präzise Fragestellung. Zum Beispiel: Wie können wir ungesundes Essen in unserer Kantine weniger bequem machen? Die Fragestellung deutet an, dass im Prozess vorab herausgefunden wurde, dass es keinen Widerstand gegen gesünderes Essen gibt, aber oft aus Bequemlichkeit ungesundes Essen gewählt wird. Auch soll offenbar weiterhin ungesundes Essen im Angebot bleiben. Die Fragestellung enthält daher bereits die Essenz eines längeren Prozesses.
Entsprechend zielstrebiger kann daraufhin an Lösungen gearbeitet werden. Auf der Basis der Frage werden in kurzer Zeit möglichst viele Ideen kreiert. Dabei darf gerne groß gedacht werden. Gute Ideen können prototypisch umgesetzt und dann getestet werden. Auch dies funktioniert meist in einfachster und schneller Variante und braucht nicht unbedingt eine komplette Umsetzung bedeuten: Beispielsweise könnten in einem Testzeitraum gesunde Speisen auf der Speisekarte ergänzt werden, ohne sie tatsächlich anzubieten („Fake it“-Ansatz). Dann wird gezählt, wie häufig diese erfragt werden. Dies liefert wertvolle Informationen bei minimalem Einsatz.
In jedem Schritt kann es sein, dass erkannt wird, dass im Prozess zurück gegangen werden muss: Es kommen neue Einsichten zu den Nutzenden auf, die Fragestellung muss nochmal angepasst werden oder ein Prototyp hat zwar wertvolle Erkenntnisse gebracht, aber gezeigt, dass eine andere Idee verfolgt werden sollte.
Zusammengefasst funktioniert Design Thinking mit zwei Phasen, die jeweils mit einer einfachen Frage starten, dann wird eine große Breite an Informationen bzw. Ideen erarbeitet, um diese dann wieder auf eine konkrete Frage bzw. eine konkrete Lösung zuzuspitzen. Dieser Ansatz ist in der folgenden Abbildung zusammengefasst:
Warum funktioniert Design Thinking?
Nutzerzentrierung und Empathie
Durch den ständigen Fokus auf die Nutzer und ihre Bedürfnisse gelingen emphatische Einsichten, die die Lösung maßgeblich verbessern. Ein Klassiker-Beispiel ist das Mobile über dem Kinderbett, das aus "Nutzersicht", also aus Sicht des Babys, oft nur aus Unterseiten von Gegenständen besteht. Hängen am Mobile nur 2D-Bilder, dann sieht das Baby: Striche.
Sichtweisen zusammenbringen
Heterogene Gruppen sind kreativer; bahnbrechende Innovationen entstehen an Schnittstellen zwischen verschiedenen Disziplinen und Kulturen. Es werden daher möglichst Personen mit diversen relevanten Hintergründen eingebunden. Das kann sich beispielsweise auf verschiedene Disziplinen, Abteilungen, Unternehmen/Organisationen oder tatsächlich Kulturen beziehen. Niemand muss besonders kreativ sein, denn jeder muss nur die eigene Sicht, das eigene Wissen, die eigenen Erfahrungen einbringen. Beispielsweise entstand in einem Projekt, in dem Architekten, Ökologen sowie Ingenieure zusammengearbeitet haben ein ausgetüfteltes Lüftungssystem nach dem Vorbild eines Termitenbaus.[TG1] [OS2]
Partizipation
Wie gerade gesehen, können beim Design Thinking verschiedene Personengruppen partizipieren – was einen Mehrwert für die Nutzenden ergibt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Moderation derart gestaltet ist, dass alle und damit vor allem laute und leise Menschen gleichermaßen zu Wort kommen. So kann Wissen und Erfahrung von allen genutzt werden, was das Ergebnis im Normalfall deutlich besser macht.
Kollaboration
Wie häufig hören Sie in Meetings ein "Ja, aber…"? Design Thinking arbeitet mit "Ja, und…". Es setzt also darauf, Ideen und Lösungen gemeinsam zu entwickeln und weiterzuentwickeln. Statt zu kooperieren, wird dadurch Kollaboration in den Fokus gesetzt – also die gleichzeitige Arbeit an einem gemeinsamen Ziel. Dies erfordert und fördert enge Zusammenarbeit, Interaktion, Vertrauen und Offenheit.
Intuition nutzen
Nach dem kürzlich verstorbenen Psychologen und Wirtschaftsnobelpreisträger (2002) Daniel Kahnemann gibt es beim Menschen sowohl ein schnelles als auch ein langsames Denken. Das langsame Denken ist das rationale Durchdringen, z. B. wenn ich beim Schach viele Schritte vorausplane oder als Ingenieur eine Maschine bis ins letzte Detail durchdenke. Das schnelle Denken ist das intuitive Denken, bei dem wir das Unterbewusste und Erfahrungsbasierte im Gehirn walten lassen.
Beim Design Thinking wird eine Balance aus Beidem geschaffen und somit verstärkt auch auf die Intuition gesetzt, die Fachleute in ihrem Bereich über die Jahre aufbauen – die bei Problemlösungen oft aber zugunsten des rationalen Durchdringens vernachlässigt wird.
Prototypen
Über die Erstellung von simplen Prototypen können Erkenntnisse erfahrungsbasiert erlangt werden, die in den iterativen Prozess zurückfließen. Prototypen werden daher nicht vorrangig als Validierung genutzt, sondern sind dafür da, die Stärken und Schwächen einer Idee herauszuarbeiten.
Fehlerkultur
Während Fehler im Arbeitsleben oft nicht erwünscht oder erlaubt sind, gilt beim Design Thinking: Fail fast. Also "scheitere schnell". Es wird ermutigt, neue Ideen, Konzepte oder Lösungen (prototypisch) zu testen und aus den Erfahrungen zu lernen. Man könnte daher auch von Experimentierfreude sprechen oder von der Bereitschaft, gezielt überschaubare Risiken einzugehen, um Innovationen schnell, ressourcenarm und effektiv zu erarbeiten.
Visualisierung
Wer von einem Haus spricht, denkt vielleicht ein eine Villa, eine andere Person an ein Reihenhaus, eine Doppelhaushälfte, ein Tinyhouse oder ein Iglu. Eine Visualisierung, sei es gemalt, gebastelt oder über das in diesem Zusammenhang oft genannte Lego Serious Play gebaut (Ja, es gibt eine ernsthafte Innovationsmethode mit Lego!), konkretisiert die Ideen und macht sie im wahrsten Sinne des Wortes greifbar. So werden Missverständnisse minimiert und es kann ein gemeinsames Bild entstehen – und als Basis für weitere Diskussionen dienen.
Think big
Es wird stets versucht, eine Lösung zu finden, die zehnmal besser oder größer ist, als bisherige Lösungen. Im Idealfall klappt es. Ansonsten können Vor- und Nachteile der großen Ideen wertvolle Einsichten für die nächste Iteration geben.
Methodenmix
Für jeden der Schritte gibt es diverse Methoden, so dass für jedes Problem und jede Gruppe individuelle Ansätze genutzt werden können und bei nicht ausreichenden Ergebnissen alternative Methoden zur Verfügung stehen. Für die Phase "Beobachten" stehen beispielsweise Nutzerinterviews, Nutzerbeobachtungen oder Persona-Entwicklungen bereit.
Wenn Sie konkrete Eindrücke bekommen wollen, was für Ergebnisse Design Thinking ermöglicht, dann schauen Sie gerne in diesem Link, dort finden Sie Beispiele. Dort ist auch das oben genannte Beispiel des Hafengebietes in Neustadt (Holstein) aufgeführt.
Sie sind EEHH-Mitglied und wollen Design Thinking erproben? Melden Sie sich gerne bei mir (thomas.greve@eehh.de).