Details

Der Wasserstoffmarkthochlauf aus ministerieller Perspektive Interview Marc Dralle, Leiter der Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft

Die hochlaufende Wasserstoffwirtschaft in Hamburg erhält umfangreiche politische Unterstützung. In der Behörde für Wirtschaft und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg laufen die verschiedenen Fäden und Projekte in einer Schlüsselstelle zusammen. Marc Dralle gewährt detaillierte Einblicke in seine Arbeit und die Pläne der Stadt.

Der Wasserstoffmarkthochlauf aus ministerieller Perspektive
Bildcredit: Bina Engel

Herr Dralle, Sie haben vor einigen Monaten die Leitung der Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft übernommen. Kurz zunächst zu Ihrer Person. Was haben Sie zuvor gemacht?

Ich war zuvor in der Hamburger Senatskanzlei im Bereich Bund/Länder-Angelegenheiten tätig und habe dort unter anderem die Ministerpräsidentenkonferenzen (MPK) vorbereitet und begleitet. In diesen und anderen Konferenzen war Wasserstoff bereits Thema, z.B. im Rahmen der Energiepolitik. Die Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Wasserstoffwirtschaft waren mir dadurch schon bekannt. Neben der MPK lag auch die Konferenz Norddeutschland [Konferenz der norddeutschen Regierungschefin und Regierungschefs] in meinem Zuständigkeitsbereich. In diesem Zusammenhang hatte ich schon Berührungspunkte mit der Norddeutschen Wasserstoffstrategie .

Was waren die Herausforderungen und Themen in Ihren ersten Monaten im neuen Job?

Das Kennenlernen des Teams und der Themen als auch der Akteure der Wasserstoffwirtschaft in Hamburg und Norddeutschland stand im Fokus. Durch viele Gespräche und Termine, insbesondere auch bei Unternehmen vor Ort, bin ich gut in der neuen Aufgabe angekommen. Das Team der Stabsstelle hat mich zudem hervorragend bei der Einarbeitung unterstützt.

In den ersten Wochen konnte ich gleich auch zwei Meilensteine für den Wasserstoff Hub Hamburg miterleben: die Übergabe der IPCEI-Zuwendungsbescheide für den Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH) und das Hamburg Wasserstoffindustrienetz (HH-WIN). Beide Projekte sind von enorm faktischer und praktischer Bedeutung für den Standort. Sie sind gleichzeitig aber auch ein wichtiges Signal mit Blick auf den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft: am Standort Hamburg findet er statt! Schon im Jahr 2027 soll in Moorburg grüner Wasserstoff produziert werden. Das ist quasi „morgen“.

Ich habe die Stimmung in Presse und Öffentlichkeit zum Thema Wasserstoffwirtschaft in meiner bisherigen Zeit als extrem volatil wahrgenommen. Insofern war es wichtig, mit den beiden Meilensteinen die Botschaft senden zu können, dass unser lokales Wasserstoff-Ökosystem zunehmend Gestalt annimmt. Das Ziel ist weiterhin der Aufbau einer sich selbst tragenden grünen Wasserstoffwirtschaft. Das ist und bleibt auch gleichzeitig unsere Herausforderung.

Neben verschiedenen Einzelprojekten haben wir derzeit insbesondere das Thema „Import“ auf der Agenda. Zudem steht mit der Hydrogen Technology Expo Europe eine der weltweiten Leitmessen für das Thema Wasserstoff vor der Tür.

Darauf werden wir später noch im Detail zu sprechen kommen. Zunächst wüssten wir noch gerne, welche Rolle die Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft innerhalb der Behörde für Wirtschaft und Innovation hat und wie sich gegebenenfalls seit ihrem Beginn vor vier Jahren verändert hat?

Die Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft ist ein Instrument zur Umsetzung der Ziele des Koalitionsvertrages, insbesondere dem gerade schon genannten Ziel der „Errichtung einer sich selbst tragenden grünen Wasserstoffwirtschaft“. Wir nehmen in diesem Setting ministerielle Aufgaben wahr und sind erster Ansprechpartner in der Behördenlandschaft zum Thema Wasserstoff; sowohl für andere Behörden, insbesondere aber auch für die Unternehmen. Wasserstoff ist ein Querschnittsthema, das viele Ressorts berührt bzw. dort auch stattfindet, beispielsweise im Bereich Hafen, Schifffahrt oder der umweltbezogenen Wirtschaftspolitik. Daher kommt uns oft auch eine koordinierende Funktion zu, in der wir uns eng mit den jeweiligen Akteuren im eigenen Haus, aber auch darüber hinaus, abstimmen und austauschen.

Zu den bisherigen Ergebnissen unserer Arbeit zählt unter anderem die Entwicklung und Umsetzung der Importstrategie sowie die enge Begleitung des Projekts HGHH bis zum bereits erwähnten Zuwendungsbescheid. Es gibt zudem noch eine Vielzahl an „kleineren“ Projekten.

Durch die Summe aller Maßnahmen ist mittlerweile ein solides Fundament entstanden. Es gilt jetzt, darauf aufzubauen und den Markthochlauf weiter intensiv zu unterstützen.

Welche Themenbereiche bearbeiten Sie und Ihr Team?

Die Stabsstelle ist in zwei Sachbereiche gegliedert und nimmt quasi die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick, im Wesentlichen: Produktion, Speicherung/Transport, Import, Verwendung.

Im ersten Sachbereich wird einerseits das Thema „Internationales“ bearbeitet. Hier geht es insbesondere darum, Länder zu identifizieren und zu bewerten, die im Kontext „Import“ von Bedeutung sein könnten. Es wird geprüft, ob sich hier möglicherweise bilaterale Abkommen anbieten, die dann vorbereitet und umgesetzt werden. Dazu gehört auch der kontinuierliche Austausch mit den internationalen Partnern. Weiterhin verantwortet der erste Sachbereich unter der Überschrift „Vernetzung“ die Steuerung und Zusammenarbeit mit dem Bereich Wasserstoff im Cluster EEHH sowie die Vertretung der Hamburger Interessen in der Norddeutschen Wasserstoffstrategie.

Der zweite Sachbereich begleitet konkrete Einzelprojekte und strategische Initiativen wie z.B. das Projekt HGHH. Des Weiteren gibt es eine Kollegin, die für das Thema Import und Infrastruktur verantwortlich ist. Da im Kontext der Wasserstoff-Wertschöpfungskette auch viele rechtliche Fragestellungen und Aufgaben warten, haben wir auch juristische Expertise an Bord. Die entsprechende Kollegin begleitet unter anderem die Regulatorik auf EU- und Bundesebene und bringt zudem ihre Kompetenz in Bundesrats- und anderen Verfahren ein, in denen es um Paragrafen, Gesetze oder Verordnungen geht.

Organisatorisch ist die Stabsstelle in zwei Säulen aufgestellt. Wir arbeiten aber insgesamt sehr interdisziplinär und inhaltlich eng abgestimmt zusammen.

Wie bewerten Sie die aktuelle Gesamtsituation der Hamburger Wasserstoffwirtschaft? Was ist Ihre Vision?

Die Rahmenbedingungen für Hamburg, Metropolregion sowie für Norddeutschland insgesamt sind sehr gut: Wir haben eine große Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien, einen leistungsstarken Hafen, der als Import- und Umschlag-Hub fungieren kann und wir werden eine Anbindung an die deutsche und an die europäische Netz-Infrastruktur erhalten.

Es gibt aber auch Unsicherheiten hinsichtlich der Verfügbarkeiten und Preise von Wasserstoff bzw. seinen Derivaten, die Einfluss auf Investitionsentscheidungen von Unternehmen haben. Gleiches gilt für gewisse Entwicklungen in der Förderlandschaft.

Wir als Stabsstelle haben natürlich nur einen begrenzten direkten Einfluss auf viele noch bestehende Hemmnisse im Einzelnen. Wir tun aber alles für uns Mögliche, um die Rahmenbedingungen insgesamt immer weiter so zu entwickeln, dass der Markthochlauf wie geplant gelingt. Mein Team und ich sind auf jeden Fall sehr motiviert und unterstützen die Akteure, wenn es beispielsweise um Projektideen, Standort- oder Flächenfragen oder Förderthemen geht. Wir streben eine sehr kooperative und lösungsorientierte Arbeitsweise an, um zu unterstützen, zu begleiten oder Projekte zu ermöglichen und sind dazu jederzeit ansprechbar.

Welche Themen und Anlässe beschäftigen Sie in diesem Jahr besonders?

Im Oktober steht uns die Premiere der Hydrogen Technology Expo Europe in Hamburg bevor. Mit der Ausrichtung dieser weltweit größten Wasserstoff-Leitmesse wird die Bedeutung unseres Standortes unterstrichen. Wir freuen uns darauf, Europa und die Welt zu Gast zu haben und hoffen auf einen weiteren Impuls für den Standort sowie den lokalen und überregionalen Markthochlauf. Gleichzeitig wollen wir natürlich mit der Messe die Gelegenheit bieten, bestehenden Beziehungen zu vertiefen und weitere Partnerschaften in den Blick zu nehmen. Gerne dürfen und sollen sich aus der Messe auch Investitions- und Standortentscheidungen entwickeln.

Nach der Messe werden wir in diesem Jahr noch Veranstaltungen in Berlin sowie in Brüssel durchführen. Einerseits, um unseren Standort beim Bund und der EU noch stärker auf die Wasserstoff-Landkarte zu bringen, indem wir über die aktuellen Projekte sowie die gute Entwicklung und Rahmenbedingungen berichten. Andererseits aber auch, um wichtige Themen und Forderungen direkt zu adressieren.

Thematisch wird uns im Herbst und Winter das Thema „Import“ beschäftigen. So viel kann ich schon verraten: Wir erwarten in Kürze die Ergebnisse einer Studie zu den Produktions- und seeseitigen Importkapazitäten von grünem Wasserstoff in Hamburg, in der die Rolle Hamburgs als Hub für Deutschland deutlich wird.

Welche Herausforderungen oder Meilensteine sehen Sie für das kommende Jahr?

Wir haben in diesem Jahr durch den Anlauf der Großprojekte starke Signale gesetzt. Ich bin davon überzeugt, dass das Folgewirkungen haben wird und dadurch zukünftig weitere Prozesse und Entscheidungen angestoßen werden.

Mit Blick auf das Projekt HGHH werden wir uns im nächsten Jahr sicherlich intensiv mit dem Skalierungsverfahren beschäftigen. Wir haben aber weiterhin auch andere wichtige Projekte fest im Blick. In diesem Zusammenhang möchten wir beispielsweise gerne die Projekte aus der initialen IPCEI-Bewerbungsphase, die keinen Förderzuschlag erhalten haben, bei der Realisierung unterstützen. Wir setzen uns bereits jetzt dafür ein, dass Kofinanzierungsmittel dafür erhalten bleiben. Natürlich freuen wir uns aber auch, wenn neue Projekte entstehen bzw. realisiert werden oder Projektideen an uns herangetragen werden.

Insgesamt sollten wir uns in den nächsten Jahren mehr Optimismus leisten und natürlich weiter hart an der Verbesserung der Rahmenbedingungen arbeiten – mein Team und ich sind hier auf jeden Fall weiterhin fest entschlossen und motiviert.


Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

Im Interview

Marc Dralle, Leiter der Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft

- Seit September 2010 bei der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH)

- Absolvent des Trainee-Programms der FHH

- versch. (Leitungs-)Funktionen, zuletzt im Planungsstab der Senatskanzlei

- seit Juni 2024 Leiter der Stabsstelle Wasserstoffwirtschaft

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

von Oliver Schenk