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Das Comeback von Biogas?
Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine fand der Energieträger Biogas wieder vermehrt Beachtung im öffentlichen Diskurs.

Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine fand der Energieträger Biogas wieder vermehrt Beachtung im öffentlichen Diskurs. Nachdem in den 2000er Jahren die EEG-Förderungen einen Zubauboom bei Biogasanlagen auslösten, stand 2022 die Frage im Raum, ob nicht eine erhöhte Nutzung von Biogas Importabhängigkeiten beim Erdgas mindern könnte. Auch die EU hat diese Idee in ihren REPowerEU-Plan integriert und zielt auf eine Versechsfachung der Biomethanproduktion bis 2030 ab. Neuerdings wurde von Verbänden außerdem gefordert, die Biogastechnologie müsse eine starke Berücksichtigung bei der neuen Kraftwerksstrategie der Bundesregierung finden. Zudem findet in der Debatte rund um die kommunale Wärmeplanung immer wieder die Idee einer Substitution von Erdgas durch Biomethan Anklang, die Nachfrage nach Bio-Flüssiggas in der Logistikbranche steigt ebenfalls. Dennoch werden nach aktuellem Stand viele Anlagen in den kommenden Jahren aus der EEG-Förderung fallen. Somit ergibt sich die Frage, wie es um die Biogasbranche in Deutschland steht und welche Rolle der Energieträger zukünftig spielen wird.
Biogas: etablierter Energieträger in Deutschland
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Deutschland mit Abstand der größte Produzent von Biogas weltweit ist. So stammen beispielsweise rund 50 Prozent der gesamten Menge in der EU aus deutscher Produktion. Die knapp 10.000 aktiven Anlagen in Deutschland erzeugen aus ihrem Biogas meistens Strom und Wärme vor Ort. Sie sind somit deutschlandweit für ei-nen Anteil von 12 Prozent des erneuerbaren Stroms verantwortlich und versorgen insgesamt 2,5 Millionen Haushalte mit erneuerbarer Wärme. Es ist jedoch wichtig zwischen Biogas und Biomethan zu unterscheiden. Da Biogas nur einen Methananteil von 50–65 Prozent aufweist, kann dieses zumeist nur in BHKWs zur Strom- und Wärmeversorgung genutzt werden kann. Wird Biogas zu Biomethan aufbereitet, kann es aufgrund seiner Eigenschaften flexibler eingesetzt und ins Erdgasnetz eingespeist werden. Allerdings gibt es in Deutschland nur knapp 250 Produktionsanlagen und Biomethan war 2023 lediglich für circa 10 Prozent der insgesamt vor-handenen 92 TWh Biogasenergie verantwortlich.
Grundlegend gehen mit der Biogastechnologie verschiedene Vor- und Nachteile als erneuerbarer Energieträger einher. Ein großer Pluspunkt liegt hier in der Steuerbarkeit der Anlagen: während Wind- und Solarstrom stark fluktuieren können, kann die Produktion von Biogasanlagen bedarfsgerecht gestaltet werden. Durch die Nutzung von BHKWs kann außerdem die Abwärme genutzt und damit Haushalte in der unmittelbaren Umgebung mit erneuerbarer Wärme versorgt werden. Weiterhin stellt Biogas für viele Landwirte eine zusätzliche und konstante Einnahmequelle dar und kann effizient in landwirtschaftliche Abläufe integriert werden. Da Bio-gasanlagen vorwiegend in ländlichen Regionen zu finden sind, leisten sie ebenso einen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung. Problematisch ist allerdings, dass Biogas oftmals per se als nachhaltig und klimaneutral bezeichnet wird. Da aktuell immer noch der Großteil der genutzten Silage aus eigens angebauten Maispflanzen besteht, entsteht eine Konkurrenz um Flächen, welche anders genutzt werden könnten. So können beispielsweise Wind- und PV-Anlagen auf der gleichen Fläche einen wesentlich höheren Energieertrag erwirtschaften. Zudem weist Biogas deutlich höhere CO2-Emissionen auf als andere erneuerbare Energieträger, da die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen auf fossilen Energieträgern basiert und aufwendig ist sowie Methanschlupf relevant ist. Der aufwendige Produktionsprozess spiegelt sich ebenso bei den Stromgestehungskosten wider, welche bei Biogas deutlich höher als bei anderen erneuerbaren Energiequellen und teilweise sogar höher als bei herkömmlichem Erdgas sind.
Quo vadis EEG-Förderungen?
Da viele Biogasanlagen um das Jahr 2010 in Betrieb genommen wurden, laufen bis 2030 die EEG-Förderungen für einen großen Teil der Biogasanlagen aus. Zwar gibt es bereits Anschlussförderungen, allerdings sind diese zum einen an umfangreiche Investitionsmaßnahmen zur Flexibilisierung der Anlagen gebunden und die aktuellen technologiespezifischen Ausschreibungsmengen liegen weit unter den vorhandenen Geboten. Daher wird unter anderem vom Fachverband Biogas gefordert, die Ausschreibungsmengen von den vormaligen 480 MW deutlich auf 1800 MW pro Jahr.auszuweiten und ebenso die Flexibilisierungszuschläge zu erhöhen. Es wird argumentiert, dass ansonsten viele Anlagen in den kommenden Jahren vom Netz gehen könnten und damit flexible Kapazitäten verloren gingen. Ebenso wird darauf verwiesen, dass Biogasanlagen neben der Stromproduktion einen erheblichen Anteil erneuerbarer Wärme in Deutschland ausmachen. Eine weitere Ebene kommt an dieser Stelle hinzu, da viele Kommunen und Energieversorger zumindest teilweise auf die Verfügbarkeit grüner Gase, wie beispielsweise Biomethan, für die Umsetzung der Wärmewende setzen.
Das BMWK hat mittlerweile auf die Forderungen reagiert und im Sommer dieses Jahres eine Reform der Biogasförderung angekündigt. Ziel ist es, die vorhandenen Kapazitäten so zu nutzen, dass ein flexibles Backup für die Zeiten geringer Stromproduktion aus Sonne und Wind zur Verfügung steht. So sollen beispielsweise nur Förderungen zu Tageszeiten gezahlt werden, an denen es eine hohe Stromnachfrage gibt. Zudem sollen Anlagen, die zur Wärmeversorgung beitragen, bevorzugt werden. Zusätzlich möchte das BMEL darauf hinwirken, dass die Reststoff- und Gülleverwertung erhöht wird, um den Anbau von Maismonokulturen und dem hohen Flächenbedarf von Biogas entgegenzuwirken.
Biogas als flexible Brückentechnologie: Chancen und Grenzen für die Energiewende
Wie steht es also um die Biogastechnologie in Deutschland und von welcher Rolle sollte zukünftig ausgegangen werden? Klar ist, dass Biogas weiterhin ein zentraler Bestandteil des Energiesystems bleiben wird. Zwar gibt es berechtigte Kritik und Nachteile in Bezug auf Emissionen, Kosten und Flächennutzung im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern. Dennoch ist vor allem die bedarfsgerechte Steuerung nicht zu vernachlässigen und eine effiziente, nachhaltige und flexible Bewirtschaftung der Anlagen kann die negativen Effekte minimieren. Daher erscheint auch die angekündigte Förderungsreform mit ihrem Fokus auf die Ausweitung und Nutzung der flexiblen Kapazitäten als sinnvoll. Spannend bleibt außerdem die Frage, welche Stellung die Biogasanlagen in dem geplanten Kapazitätsmechanismus für den Strommarkt einnehmen werden können. Auch hier ergeben sich nämlich theoretisch Potenziale, wie die Vorhaltung flexibel steuerbarer Biogaskapazitäten zukünftig finanziert werden könnte. Kritisch zu hinterfragen sind jedoch die bloßen Forderungen nach einer Ausweitung der Produktionskapazitäten ohne Berücksichtigung möglicher negativer Effekte. Denn nur wenn Reststoffe umfangreich verwertet und die Anlagen sinnvoll in den landwirtschaftlichen Betrieb integriert werden sowie eine Doppelnutzung durch Nahwärmenetze besteht, können Biogasanlagen einen tatsächlichen, nachhaltigen Mehrwert für das Energiesystem schaffen.
Im Wärmebereich sollte von der grundlegenden Biomethannutzung als Alternative für vorhandene Gasheizungen abgesehen werden. Da der Produktionsprozess zusätzliche Schritte benötigt und erst ab einer gewissen Größe der Anlagen rentabel ist, sind die Produktionskosten vergleichsweise hoch. Zudem gibt es bisher nur wenige Anlagen, was bei einer zukünftigen erhöhten Nachfrage zu einem begrenzten Angebot und damit steigenden Preisen führen kann. Daher sind in den meisten Fällen andere Wärmetechnologien, wie beispielsweise die Wärmepumpe, kosten- und energieeffizienter. Somit muss vor allem in der kommunalen Wärmeplanung Biomethan als vermeintlich einfache Lösung kritisch hinterfragt werden.
Zusammenfassend können die derzeitigen Kapazitäten in Deutschland durch eine abgewogene Reform der Förderungen sinnvoll erhalten und systemdienlich in den kommenden Jahren integriert werden. Vor allem bis sich andere Speichertechnologien etabliert haben, kann Biogas als eine Brückentechnologie fungieren. Aufgrund seiner Eigenschaften kann jedoch nur eine effiziente und flexible Nutzung für die Ziele der Energiewende dienlich sein und muss daher einem schlichten Ausbau der Kapazitäten vorgezogen werden.
Verweise:
Fraunhofer ISE [Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme]. (2024). Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien. https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/DE2024_ISE_Studie_Stromgestehungskosten_Erneuerbare_Energien.pdf
UBA [Umweltbundesamt]. (2023). Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger – Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2022. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/20231219_49_2023_cc_emissionsbilanz_erneuerbarer_energien_2022_bf.pdf
UBA [Umweltbundesamt]. (2024). CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Strom 2023 gesunken. https://www.umweltbundesamt.de/themen/co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom-2023
