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„Cradle to Cradle“ und Fab City als Beispiele für innovative Ansätze Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Für den Coffee-to-Go-Konsum in Deutschland wurden zu Hochzeiten jährlich 43.000 Bäume gefällt - damit wir für eine Nutzungsdauer von wenigen Minuten einen Becher haben.

„Cradle to Cradle“ und Fab City als Beispiele für innovative Ansätze
Hochhaus nach "Cradle to Cradle" in Hamburg (Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license)

Die dünnen Folien, mit denen Gemüse verpackt wird, haben bis zu sieben Schichten verschiedener Materialien. Autoreifen, die beim Bremsen Material abreiben, enthalten häufig mehrere hundert verschiedene schädliche Stoffe. 35% des Mikroplastik in den Meeren stammt aus synthetischer Kleidung.

Design entscheidet über Kreislauffähigkeit

Was hat das mit Kreislaufwirtschaft zu tun? Die Antwort liegt für mich darin, dass die Entscheidung, ob etwas kreislauffähig ist oder ob es zu Müll wird, schon im Design der Produkte gefällt wird. Wenn ein Produkt so designt ist, dass eine sortenreine Trennung der Materialien möglich ist, können die Materialien in Kreisläufen gehalten werden, und es entsteht kein Müll - was auch wirtschaftlich interessant ist. Ich vergleiche das mit dem Lego-Haus, das für andere Bauten genutzt werden kann. Demgegenüber stehen Coffee-to-Go-Becher, die mit ihrer Beschichtung nicht wieder in ihre Bestandteile zersetzt werden können. Die sieben Schichten Folien beim Supermarkt-Gemüse können ebenfalls nicht getrennt werden - Becher und Folien können nicht in stofflichen Kreisläufen zirkulieren und landen in der thermischen Verwertung - sie werden verbrannt. Für eine echte Kreislaufwirtschaft ist es notwendig, dass Schadstoffe nicht an Menschen und Umwelt abgegeben werden können oder am besten gar nicht enthalten sind. Die Reifen müssten biologisch abbaubare Stoffe abgeben, um zumindest in einem unbedenklichen biologischen Kreislauf zu landen.

„Cradle to Cradle“ – Konzept

Die Idee, dass eine sortenreine Trennung in einem technischen Kreislauf mit einem biologischen Kreislauf für Materialien, die in die Umwelt gelangen, kombiniert wird, stammt von „Cradle to Cradle“. Dieses Produktdesign-Konzept wurde schon Ende der 1990er Jahre entwickelt. Für Produkte, die nach dem Konzept entwickelt werden, gibt es zudem eine Zertifizierung nach „Cradle to Cradle“. Übersetzt heißt das „Von der Wiege zur Wiege“. Mit dem Namen setzt sich das Konzept von der derzeitigen Form zu wirtschaften ab: „Cradle to Grave“ - von der Wiege zur Bahre: Wir fördern Rohstoffe, stellen damit Produkte her, die nach der Nutzung zu Müll werden. Dieses lineare Konzept ist nicht zukunftstauglich. Mit dem Designkonzept von „Cradle to Cradle“ wird überlegt, wie Produkte designt werden können, damit sie nicht schädlich sind, sondern kreislauffähig und nützlich. Um ein paar Beispiele zu nennen: ein kreislauffähiger Teppich, der Feinstaub aus der Luft zieht, oder ein Haus, das mehr Energie produziert, als es verbraucht und bei dem die Materialien wiederverwendet werden können, sodass es auch als Materiallager bezeichnet werden könnte. Eine Hausfassade, die CO2 aus der Luft filtert, gehört ebenfalls dazu. Auf diese Art könnten neue Geschäftsmodelle entstehen. Ein Hersteller einer Waschmaschine könnte nahezu alle Materialen wieder nutzen, weswegen er die Maschine nur verleiht. Er selbst hätte aus wirtschaftlichen Gründen Interesse an einer kreislauffähigen Lösung.

Neu-Entwicklung von Produkten und Bauten für „Cradle to Cradle“-Konzept

Für die Umsetzung von Lösungen sind Innovationen notwendig. Für eine echte Kreislaufwirtschaft nach „Cradle to Cradle“ müsste jedes Produkt neu entwickelt werden. Genau das passiert gerade. Von der Trinkflasche über Druckerfarben, Reinigungsmittel, Wandfarben bis hin zu ganzen Häusern nach „Cradle to Cradle“ gibt es bereits Lösungen. Zwei der größten Beispiele: Im Bereich Bau ist einiges in Bewegung. In Hamburg wird ein Hochhaus nach „Cradle to Cradle“ gebaut (Link). In Venlo in den Niederlanden ist bereits ein Gebäude nach dem „Cradle to Cradle“- Konzept gebaut. Es verbraucht nur ein Drittel der Energie wie am bisherigen Standort; es gibt sauberere Luft im Vergleich zur Außenluft; auf diese Art haben die Krankheitstage deutlich abgenommen (weitere Infos hier). In Berlin wird im Sommer zum zweiten Mal eine Kleinstadt nach „Cradle to Cradle“ simuliert: Auf dem Tempelhofer Feld spielt die Band „Die Ärzte“ an einem Wochenende drei Konzerte. Gemäß „Cradle to Cradle“ nutzen die Veranstalter beispielsweise nur kreislauffähige Verpackungen in den „Fressbuden“ und erneuerbare Energien für die energetische Versorgung und die Logistik (z.B. E-Gabelstapler) – alles so gut es derzeit gerade geht. Weitere Informationen hierzu finden Sie hier. Ein regionales Beispiel für „Cradle to Cradle“ ist das Hamburger Startup Traceless. Es produziert eine Plastikalternative aus biologischen Reststoffen. Diese ist biologisch abbaubar und vollständig kreislauffähig. Sie enthält keine bedenklichen Stoffe und soll kostentechnisch mit Kunststoff auf Erdölbasis konkurrieren können. Dieser Ansatz nach „Cradle to Cradle“ ist umwelttechnisch und wirtschaftlich so vielversprechend, dass Traceless 2022 sowohl den Hamburger als auch den Deutschen Gründerpreis gewonnen hat.

Fab City

Ein weiteres innovatives Konzept der Kreislaufwirtschaft ist das der Fab City. Die zugrundliegende Idee beinhaltet, dass Hamburg wie auch andere Fab Cities im Jahr 2050 (fast) alles, was es konsumiert, selbst herstellen könne. Das Ziel erscheint ambitioniert. So sollten z.B.  3D-Drucker selbst weitere 3D-Drucker produzieren können. Möglichst viele Menschen sollen Zugang zu digitalen Fertigungstechnologien erhalten. Dafür werden Fab Labs bereitgestellt, in denen digitale Fertigungsmethoden wie Lasercutter und 3D-Druck erprobt werden können. In Open Labs können Sie bereits heute ausprobieren: Link. Die Entwicklung von Produkten kann weltweit geschehen und über digitale Fertigungspläne nach Hamburg geholt werden, aber die Produktion soll lokal geschehen. So würden Daten digital weltweit zirkulieren, Materialien jedoch nur lokal. 2019 hat sich Hamburg als erste deutsche Stadt entschieden, Teil des weltweiten Fab City Netzwerkes zu sein.

Hier, wie auch im Beispiel von „Cradle to Cradle“ erkennt man, dass die Digitalisierung ein wichtiger Part ist, um eine wirkliche Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Beispielsweise brauchen ab Februar 2027 bestimmte neu in der EU auf den Markt gebrachte Batterien einen digitalen Produktpass. Andere Branchen werden folgen. Die Idee dahinter: Möchte ich aus meinen Produkten wieder einzelne Wertstoffe machen, dann brauche ich auch nach Nutzungsdauern von Jahren oder Jahrzehnten Informationen über die verwendeten Materialien und Prozesse.

Ich bin gespannt, wie sich die Themen weiterentwickeln und wie sie in die Pläne und Strukturen der Freien und Hansestadt Hamburg integriert werden. Auch interessiert mich, wie Unternehmen diese Ideen aufgreifen und für sich nutzen. Wenn Sie Inspirationen brauchen, melden Sie sich gerne bei mir. Unterstützungsangebote erhalten Sie auch bei der TUTECH im Rahmen von dem Projekt Up2Circ (kostenlos) oder mit dem „CIRCO Circular Business Design Track“.

Zum Abschluss eine kleine Zusammenfassung des Beitrags: Müll ist eine „Erfindung“ des Menschen. Der Mensch kann mit Innovationen dafür sorgen, dass Müll ein Konzept von gestern wird. Das Vorbild ist die Natur, in der es keine Abfälle gibt – außer, dass ab und an ein Blatt vom Baum fällt.

Kontakt:

Thomas Greve
E-Mail: thomas.greve@eehh.de

 

Das Konzept für ein kreislauffähiges Produktdesign: Cradle to Cradle (Author: Autor: Felix Jörg Müller (This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license).

Dr. Thomas Greve

Profilbild zu: Thomas Greve

Der promovierte Physiker Dr. Thomas Greve verantwortet seit September 2023 das Innovationsmanagement und Forschungsförderung im Bereich Wasserstoffwirtschaft. Im EEHH-Team sorgt er für frischen Wind mit agilen Methoden und neuen Ansätzen der Kollaboration.

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