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Blackouts im Stromnetz: Die falsche Angst zur falschen Zeit Inside Energiewende - der (un)aufgeregte) Realtalk
Der Begriff Blackout geistert in zunehmend hoher Frequenz durch die Medien und sozialen Netzwerke. Aber ist die Angst davor dem realen Risiko angemessen?
Die Energiekrise steuert auf ihren ersten Winter zu und mit ihm steigen die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung vor hohen Energiepreisen, Wohlstandsverlust und ja, auch der Begriff Blackout geistert in zunehmend hoher Frequenz durch die Medien und sozialen Netzwerke. Laut einer Umfrage des Civey-Instituts haben 53% der Menschen „große Sorgen“ vor einem Blackout. Ob repräsentativ oder nicht, zeigt sich doch, dass dem Thema eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Warum eigentlich?
Das Horrorszenario
Das könnte vor allem am Wording liegen. Unter einem Blackout versteht man den unkontrollierten, großflächigen Zusammenbruch des Netzes. Damit wird eine gesamtgesellschaftliche Bedrohungslage assoziiert, deren Folgen denen ähneln, die Marc Elsberg 2012 in seinem Roman „Blackout“ beschrieben hat. Dort legten Terroristen das europäische Verbundnetz für zwei ganze Wochen lahm. Bereits nach wenigen Tagen ohne Elektrizität brach die öffentliche Ordnung zusammen, einige Tage später drohte in allen Atomkraftwerken die Kernschmelze. Im medialen Diskurs wird der Blackout mit einer Lastunterdeckung gleichgesetzt, d.h. übersteigt die Stromnachfrage die Erzeugung, so kommt es zum Blackout – so die Annahme. Das ist unterkomplex und trägt zur allgemeinen Verunsicherung bei. Man könnte sich schließlich auch die Frage stellen: Was passiert eigentlich genau, wenn die Stromnachfrage das Angebot übersteigt und wie oft könnte das im kommenden Winter der Fall sein?
Die Faktenlage
Zu letzterer Frage haben die vier Übertragungsnetzbetreiber ihren „Abschlussbericht Sonderanalysen Winter 2022/2023“ vorgelegt, den sogenannten Stresstest. Dieser analysiert die Versorgungssicherheit in Extremsituationen, in denen sich mehrere ungünstige Faktoren addieren. In den Berechnungen wird dazu das Wetterjahr 2012, mit dem kältesten Februar der vergangenen 10 Jahre, als Grundlage genommen. Weitere Einflüsse umfassen die weiterhin abgeschalteten Atomkraftwerke in Frankreich, eine geringere Steinkohleverstromung aufgrund von Niedrigwasser in Deutschlands Flüssen, eine geringere Gasverstromung infolge der Mangellage sowie zusätzliche Lasten durch elektrische Heizlüfter. Im ungünstigsten Szenario kommt es zu einer Lastunterdeckung von drei bis zwölf Stunden bei einer Leistungslücke von sieben bis acht Gigawatt. Sind wir dann also alle im Winter bis zu einem halben Tag ohne Strom? Mitnichten!
Die Gegenmaßnahmen
Zunächst einmal handelt es sich um ein Extremszenario, das nicht ausgeschlossen werden kann, aber eher unwahrscheinlich ist. In Frankreich soll es im Fernsehen diesen Winter Stromwetterberichte geben, die auf solche Gefahren hinweisen und die Menschen zum Stromsparen anregen. Das wäre auch für Deutschland eine Überlegung wert, schließlich berücksichtigt der Stresstest als „worst-case“ keine Einsparmaßnahmen. Sollte es dennoch zu einer Lastunterdeckung kommen, werden die Netzbetreiber davon nicht überrascht, denn ein solches Szenario kündigt sich über Prognosen mindestens am Vortag an. Sie versuchen dann die Lastunterdeckung mit allen verfügbaren Mitteln zu vermeiden. Sollten sich nicht ausreichend Erzeugungskapazitäten finden, kommt es zum sogenannten Brownout, bei dem Netzbetreiber Verbraucher oder Netzgebiete gezielt abschalten, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Damit der Stromausfall nicht zu lange dauert, ist auch ein rollierendes Verfahren möglich, in dem das abgeschaltete Netzgebiet von einem anderen abgelöst wird. Und das eventuell an drei bis zwölf Stunden im gesamten Winter. Ist das Grund genug, eine kollektive Angst zu schüren?
Falscher Fokus
In einer absoluten Krisenzeit verwenden wir wieder einmal viel Zeit, um die falschen Probleme zu diskutieren. Vierzig Prozent der Bevölkerung haben keine nennenswerten finanziellen Rücklagen, um auf die explodierten Energiepreise zu reagieren. DAS ist ein Problem, das dringend gelöst werden muss – vielleicht nicht perfekt, aber am besten zeitnah! Und was ist eigentlich mit den „Freiheitsenergien“, gibt’s die noch? Ein Land, das innerhalb eines Jahres LNG-Terminals bauen kann, müsste doch zahlreiche Möglichkeiten haben, um den Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Stromnetzen zu beschleunigen. Windkraftanlagen mit einer Leistung von zehn GW sind laut BEE derzeit in Genehmigungsverfahren und warten auf eine Entscheidung. Die letzte Ausschreibung war wegen gestiegener Kosten aber gleichbleibend niedriger Vergütung erneut unterzeichnet. Das MUSS thematisiert werden!
Ah, es gibt wieder mal ein Update zum Ventil an Isar 2. Spannend...