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"Ausbauziele sind mutig" Interview mit Karina Würtz, Geschäftsführerin Stiftung Offshore-Windenergie

Im folgenden Gespräch beurteilt Karina Würtz, Geschäftsführerin Stiftung Offshore-Windenergie, die Ausbauziele der deutschen Bundesregierung und erläutert ihre Ziele für die Stiftung.

Karina Würtz, Geschäftsführerin Stiftung Offshore-Windenergie

EEHH: Wie schätzen Sie als Stiftung Offshore-Windenergie die aktuellen Offshore-Ausschreibungsrunden ein, die die Bundesnetzagentur Ende Januar und Ende Februar 2023 eingeleitet hat?

Karina Würtz: „Wir sehen den Ergebnissen natürlich mit großer Spannung entgegen. Die Bundesnetzagentur hat nach der Rekordausschreibung mit 7.000 MW im Januar für die sogenannten nicht zentral voruntersuchten Flächen nun weitere 1.800 MW für vier durch die zentrale Genehmigungs- und Planungsbehörde BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) voruntersuchte Flächen ausgeschrieben. Insgesamt also fast 9.000 MW. Zum Vergleich: aktuell befinden sich 28 Offshore-Windparks mit einer Leistung von ca. 8.100 MW in deutscher Nord- und Ostsee in Betrieb. Bis 2030 soll die Gesamtleistung nach den Plänen der Bundesregierung auf mindestens 30.000 MW (30 GW) ausgebaut werden. Also 22 zusätzliche GW in acht Jahren, nach 8 GW in 12 Jahren. Das meiste davon in den Jahren 2029 und 2030. Das wird eine gewaltige Herausforderung.  

Das Ausschreibungsdesign ist das Herzstück des im letzten Jahr novellierten Windenergie-auf-See-Gesetzes, dem wichtigsten singulären Gesetz für den Offshore-Windbereich in Deutschland. In den Ausschreibungsergebnissen wird sich ablesen lassen, wie belastbar, attraktiv und zukunftsorientiert dieses konzipiert worden ist. Wir gehen aber in jedem Fall von Anpassungen in wichtigen Bereichen im Nachgang aus. So wird im Bundeswirtschaftsministerium und in Fachkreisen bereits die Ausgestaltung eines sogenannten Industriestrompreis-Mechanismus diskutiert, der Anwendung bei den zentral voruntersuchten Flächen finden könnte und das aktuelle Design in diesem Segment ersetzen würde. Das wird noch eine spannende und kontroverse – die gesamten EE-betreffende – Diskussion, da in aktuellen Vorschlägen eine Konkurrenzsituation zum Direktstromabnahmemarkt (PPA-Markt) geschaffen werden könnte, der sich in den letzten Jahren erst mühsam entwickelt hat. Dieser ist insbesondere für Großstromabnehmer in Wirtschaft und Industrie wie der Deutschen Bahn oder BASF von Bedeutung, da sie sich so langfristig Strommengen zu planbaren Preisen sichern können. Hier löst allein die aufkommende Debatte bereits Verunsicherungen aus.

Dann könnten auch die aktuell für die zentral voruntersuchten Flächen zur Anwendung kommenden qualitativen Kriterien ersetzt werden. Diese waren Gegenstand großer Kontroversen vergangenes Jahr. Hier gab und gibt es große Unzufriedenheit in der Branche mit der Ausgestaltung. Hier hätten auch wir als Stiftung uns deutlich mehr Mut und den Willen gewünscht, diese zielgerichtet zur Innovationsförderung einzusetzen, wie in den Niederlanden geschehen, statt ausschließlich auf Einfachheit und Rechtssicherheit zu setzen. Was nach den Last-Minute-Änderungen im parlamentarischen Verfahren dann ohnehin keinen Bestand mehr hatte. Hier wurde eine Chance vertan, beispielsweise mit der Einführung eines CO2-Footprint-Kriteriums für den Transport von Groß-Komponenten.

So fällt in beiden Ausschreibungssegmenten der ‚monetären Komponente‘ die entscheidende Bedeutung zu, sprich den Zuschlag wird erhalten, wer bereit ist, das meiste Geld zu zahlen. Das sehen wir überaus kritisch. Zum einen droht die Gefahr, dass die Projektierer den Zahlungsdruck aus den Ausschreibungen an die Supply Chain weitergeben, bzw. weitergeben müssen und so Spannungen verschärft werden. Zudem sehen wir seit dem Ukraine-Krieg und mit den Spannungen im Indo-Pazifik wachsende Unsicherheiten in den internationalen Lieferketten sowie starke Preisanstiege bei Materialien und Rohstoffen. Weiterhin zeichnet sich bei gleichbleibenden Produktionskapazitäten für Assets wie Schiffe, Turbinen und Fundamente ein Übersteigen der Angebote durch die Nachfrage in wenigen Jahren ab, während die Projektierer durch scharfe Realisierungsfristen und hohe Pönalen 'bedroht' sind. All das schafft große Unsicherheiten für die Bieter und die Investitionssicherheit, aber auch für das Gesamtgefüge der Offshore-Branche. Nun müssen wir abwarten, wie sich das Ganze entwickelt. Im Sommer sind wir schlauer."

EEHH: Die Bundesregierung möchte den deutschen Offshore-Markt wieder stark ausbauen. Für wie realistisch halten Sie es, die 30 GW tatsächlich umzusetzen? Wie wird sich der deutsche Offshore-Markt entwickeln?

Karina Würtz: „Die Ausbauziele der Bundesregierung halten wir für mutig und notwendig. Die Regierung hat sich im Koalitionsvertrag eindeutig zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und damit auch zum Ausbau der Offshore-Windenergie bekannt. Allerdings ist es nicht damit getan, Ziele zu formulieren. Es braucht dringend die industriepolitische Flankierung der energiepolitischen Ziele. Hier ist eine deutlich stärkere Verzahnung der Bereiche Energie- und Industriepolitik notwendig, die in der Praxis leider bisher weniger ausgeprägt ist, als man meinen könnte. Hier gibt es aber auch Schritte in die richtige Richtung.  

Ein wichtiges Thema ist die Finanzierung der produzierenden Wertschöpfungskette, die die Plattformen, Turbinen, Fundamente, Kabel und Schiffe für den Offshore-Ausbau liefern und nun die Investitionen in den Ausbau ihrer Produktionskapazitäten tätigen soll. Für der Hersteller ist es nach Jahren der Krise und Ausbauflaute schier unmöglich, mit der Geschwindigkeit der aktuellen Anpassungsnotwendigkeiten mitzuhalten. So sind nicht nur die Ausbauziele im Bereich Offshore insgesamt gestiegen, sondern es werden auch die Projekte, die zukünftig gebaut werden sollen immer größer – von durchschnittlich 400 MW auf bis zu 2.000 MW pro Windpark. Damit steigen auch die Höhen von und Anforderungen an Bürgschaften und Vertragserfüllungsvorschriften gewaltig. Die Supply Chain muss also wesentlich höhere Anfangsinvestitionen tätigen als noch vor einigen Jahren. Im Bereich von Werksneubauten liegt der Eigenkapitalanteil beispielsweise im dreistelligen Millionenbereich, was insbesondere für mittelständische Unternehmen nach Jahren der Krise schwer umzusetzen ist. Hier wäre unser Vorschlag, von staatlicher Seite ggf. das bestehende Großbürgschaftsprogramm zu öffnen und die Eigenkapitalquoten zu senken.“

EEHH: Sie sind seit anderthalb Jahren Geschäftsführerin bei der Stiftung Offshore-Windenergie. Welche Ziele verfolgen Sie?

Karina Würtz: „Das übergeordnete Ziel unserer Stiftung ist die Förderung der Offshore-Windenergie in Deutschland und Europa und seit 2021 auch von Grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie. Das machen wir auf vielfältige Weise und mit ganzer Kraft. Als überparteiliche und unabhängige Institution versuchen wir dabei stets einen ganzheitlichen und gesamtökonomischen Blick auf die relevanten Themen und Entwicklungen zu haben, was sich in unseren Stellungnahmen, politischen Beratungstätigkeiten und beauftragten Studien niederschlägt, so in der kurz vor Veröffentlichung stehenden Studie zu den Standortfaktoren für Elektrolyseure mit Offshore-Windenergie als Bezugsquelle. Darüber hinaus initiieren und moderieren wir als Netzwerk- und Kommunikationsplattform Stakeholderprozesse zu wichtigen Themen, wie in den Bereichen maritime Sicherheit oder Offshore-Rettung & Arbeitssicherheit. Weiterhin bauen wir stetig unser Drittmittelprojekteportfolio aus und investieren in die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit.  So informiert seit kurzem einer unserer Mitarbeiter an einer Hamburger Stadtteilschule über unsere aufstrebende und spannende Industrie. Dabei nehmen wir besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Fokus, um sie für Ausbildungsgänge und Berufe im Bereich Offshore zu begeistern.

Der Charakter unserer Institution mit dem breiten Kuratorium aus Betreibern, Herstellern, Zulieferern, Banken, Versicherungen, ÜNBs und Landes- und Bundesministerien, sowie unser spezifischer Mix an Aktivitäten macht die Stiftung zu einem einzigartigen Akteur in der EE- und Offshore-Landschaft. Dieses Profil stetig weiter zu stärken, ist mein wichtigstes Ziel als Geschäftsführerin. Aus dieser Rolle heraus liegt uns auch ein kooperatives und sich verstärkendes Zusammenwirken der verschiedenen Institutionen, Cluster und Verbände im EE- und Offshore-Bereich am Herzen. Hier könnten noch deutlich mehr Synergien entstehen.

Diese Aktivitäten werden wir jedoch nur aufrechterhalten können, wenn die finanzielle Basis der Stiftung verbessert und langfristig aufgestellt wird. So hat es nicht nur in der Offshore-Branche, sondern auch in der Stiftung in der Zeit der alten Bundesregierung einen Fadenriss gegeben. Hier braucht es eine belastbare Lösung, bei der wir uns auch ein stärkeres Commitment der norddeutschen Bundesländer wünschen."

Die Offshore-Stiftung ist durch Prof. Dr. Martin Skiba auch auf der Hamburg Offshore Wind Conference 2023 von EEHH und DNV am 9. Mai 2023 vertreten.
Melden Sie sich jetzt noch an unter:

https://www.erneuerbare-energien-hamburg.de/de/events/details/hamburg-offshore-wind-conference-2023-how-2023.html

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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