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Aus Müll wird Ressource: Das ZRE zeigt, wie nachhaltige Energie entsteht

Viele Hamburger:innen kennen die Großbaustelle in Bahrenfeld.

Aus Müll wird Ressource:
Stadtreinigung HH

Auf dem Gelände der ehemaligen Müllverwertungsanlage Stellinger Moor an der Schnackenburgallee 100 entsteht seit Mai 2022 ein neues Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) der Stadtreinigung. Das EEHH hat Dr. Sören Ehlers, den stellvertretenden Projektleiter, interviewt.

Zu den großen Innovationen der Anlage gehört, dass das ZRE bei einer Kapazität von insgesamt 323.000 Tonnen Müll pro Jahr den Restmüll sortieren und Wertstoffe vor der Verbrennung aussortieren soll. So sollen aus rund 145.000 Tonnen Restmüll 9.600 Tonnen an Wertstoffen pro Jahr zurückgewonnen werden. Die bei der thermischen Verwertung gewonnene Energie soll dann sehr flexibel einsetzbar sein, sodass im Winter bis zu 75 MW Fernwärme und im Sommer bis zu 23 MW elektrische Leistung ausgekoppelt werden können. Das ZRE soll so pro Jahr über 40.000 Haushalte mit Strom und rund 39.000 Haushalte mit Wärme versorgen.

EEHH: Herr Dr. Ehlers, wo steht das Projekt? Sind Sie im Plan für die Fertigstellung zur Heizperiode 2026/2027?

Dr. Sören Ehlers: "Das Projekt ZRE macht gute Fortschritte. Nachdem die Arbeiten vor Ort in den vergangenen Jahren von Tief- und Rohbauarbeiten geprägt waren, haben nun auch die Arbeiten der Anlagenbauer vor Ort begonnen. Im August hat der Kesselbauer damit begonnen die Komponenten zu montieren, die in den vergangenen Jahren in ganz Europa gefertigt wurden. Im September folgte mit dem Errichter der Abgasreinigung das zweite große Los, die anderen Lieferanten folgen in den kommenden Monaten. Das ganze Team arbeitet weiterhin hart daran, die erste Wärmelieferung in der Heizperiode 2026/2027 zu realisieren, die Hindernisse auf dem Weg dahin sind aber vielfältig."

EEHH:  Die Anlage soll sehr flexibel sein und entweder Wärme oder Strom auskoppeln können. Wie funktioniert das?

Ehlers: "Die Wärme, die bei der Verbrennung des Mülls freigesetzt wird, wird im Kessel auf das Wasser übertragen, das im Wasser-Dampf-Kreislauf zirkuliert. Durch die Wärmeaufnahme verdampft das Wasser und steht dann als heißer Dampf für die weitere Nutzung zur Verfügung. Der Dampf wird zunächst in zwei Turbinen entspannt und gibt dabei Energie an die Rotoren der Turbinen ab, die wiederrum jeweils einen Generator antreiben. Dieser wandelt die Rotationsenergie in elektrische Energie, also Strom um. Der Dampf wird dann in Heizkondensatoren kondensiert und gibt dabei Wärme an das Wasser des Fernwärmenetzes ab. Der Druck hinter den Turbinen legt dabei die Verteilung auf Strom und Wärme fest. Bei hohen Turbinenaustrittsdrücken enthält der Dampf noch viel Energie und es kann viel Wärme an das Fernwärmewasser übertragen werden. Mit sinkendem Druck kann immer weniger Wärme abgegeben werden, dafür erhöht sich die Stromproduktion. Bei maximaler Stromproduktion ist der Dampf hinter der Turbine so kalt, dass eine Wärmeauskopplung gar nicht mehr möglich ist."

EEHH: 5MW Wärme wird dabei ganzjährig durch die Verbrennungslinien wiedergewonnen. Was passiert hier genau?

Ehlers: "Die Abgase geben einen Großteil ihrer Wärme im Kessel an den Wasser-Dampf-Kreislauf ab. Aber auch am Kesselaustritt ist das Abgas noch mehrere Hundert Grad Celsius heiß. Die hohen Temperaturen werden für einige der Prozesse in der Abgasreinigung benötigt, im Anschluss kann diese Wärme aber noch über Rohrbündelwärmeübertrager an einen Zwischenkreislauf und von dort an ein Fernwärmenetz übergeben werden."

EEHH: Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle im neuen ZRE, Ziel ist ein klima-neutraler Bau und Betrieb des neuen Gewerbehofes. Wie wird der klimaneutrale Bau sichergestellt?

Ehlers: "Beim Bau ist der wesentliche Beitrag zum Klimaschutz die Weiternutzung der Bestandsgebäude. Von der alten Anlage werden der Müllbunker, das Funktionsgebäude (Warte, Schaltanlagen, technische Betriebsräume), das Mittelspannungsgebäude und die darinstehende Schaltanlage sowie die Transformatoren weitergenutzt."

EEHH: Welche Maßnahmen zur Klimaneutralität planen Sie für den Betrieb?

Ehlers: "Im Betrieb ist hervorzuheben, dass durch die Sortierung des Hausmülls ein nicht unerheblicher Anteil des Kunststoffs im Müll aussortiert und nicht verbrannt wird. Die fossilen CO2-Emissionen werden dadurch reduziert. Weitere Optionen zur Minderung der CO2-Emissionen werden zurzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie betrachtet."

EEHH: Am Ende des Verwertungsprozesses entsteht sogenannte Schlacke? Lässt sich die auch noch verwerten?

Ehlers: "Die Schlacke wird in der Regel im Straßenbau als Unterbau eingesetzt, wodurch eine teure Deponierung komplett vermieden werden kann."

EEHH: Dass das ZRE auf eine möglichst nachhaltige Abfallverwertung setzt, soll auch an der Fassade sichtbar sein. Wie das?

Ehlers: "Die grünen Laternen sind ein rein stilistisches Element an der Fassade. Sie sind das Highlight des Architekturkonzepts, das im Rahmen eines Designwettbewerbs ausgewählt wurde. Sie stehen für die Nachhaltigkeit, die beim Bau und Betrieb der Anlage eine wesentliche Rolle spielen und sind das Symbol für das neue, grüne Wahrzeichen für die Abfallentsorgung in Hamburg."

EEHH: Vielen Dank Herr Dr. Ehlers für diese interessanten Einblicke. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg für die Fertigstellung des Zentrums für Ressourcen und Energie!

Über Felix Fresen

Profilbild zu: Felix Fresen

Im Cluster EEHH verantworte ich den Bereich Sektorenkopplung. Dabei liegt mein Fokus auf der Integration von Wärme und Batterietechnologien in ein nachhaltiges Energiesystem. Ich vernetze Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um innovative Lösungen für eine klimafreundliche Zukunft voranzutreiben und Hamburg als Vorreiter in der Energiewende zu positionieren.

von Felix Fresen